Dunkle Seele Liebe. Fe Mars
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Ich stand reglos, dabei wäre ich am liebsten gerannt. Umgedreht und gerannt. Panik erfasste mich - vor der Alten und vor dem, was sie hinter meinem Rücken fixierte. Sie stieß einen ächzenden Ton aus.
„Was … ist denn?“ Ich brachte es kaum heraus, wagte es nicht, über meine Schulter zu blicken.
„Anima“, flüsterte sie kaum verständlich. „Anima.“ Ihr Blick fokussierte schlagartig wieder auf mich. „Allora, domani! Morgen also!“ Sie zog mit einem Ruck die Tür ins Schloss. Ich stand in völliger Dunkelheit. Stolpernd tastete ich mich an den Gartenmöbeln vorbei. Jetzt konnte ich als blasses Rechteck den Ausgang zum Garten ausmachen. Neben mir ein schleifendes Geräusch, dann wieder Stille. „Hallo“, flüsterte ich. „Hallo?“ War da jemand? War da ein Atmen?
Ich rannte, stieß gegen den Rasenmäher, hetzte hinaus, die Treppe hinauf und fiel regelrecht in die Wohnung. Keuchend lehnte ich mich an die Tür. Die alte Frau … woher kannte sie meinen zweiten Vornamen? Mein ganzer Name lautete Maria-Selina Anima Fenice. Das konnte sie doch unmöglich wissen. Oder hatte sie das nur so gesagt? Anima heißt im Italienischen Seele und man sagt solche Ausdrücke oft aus Sympathie: amore, anima …
Aus dem Wohnzimmer klang Musik.
Lia saß mit einem Buch auf der Couch. Dieses eine Mal war es mir völlig gleichgültig, ob ich sie störte. Ich warf mich aufatmend neben sie. „Ich hatte keine Ahnung, dass jemand hinten im Schuppen haust! Die alte Frau … Wer ist das?“
„Haust ist das richtige Wort.“ Lia ließ seufzend ihr Buch sinken. „Das ist Marzia. Mich wundert nicht, dass du sie vorher noch nicht bemerkt hast. Sie lebt wie ein Schatten da hinten in der Kammer und huscht durch ein kleines Pförtchen in der Mauer aus und ein. Wir wollten ihr schon x-mal ein schöneres Zimmer beschaffen oder sie zu uns nehmen oder zumindest den Schuppen ein bisschen herrichten, aber sie besteht darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie sagt, es muss so sein und nicht anders.“
„Wahrscheinlich ist sie froh, dass sie überhaupt da sein darf. Dass ihr sie aufgenommen habt.“
„Das haben wir gar nicht.“ Lia schüttelte den Kopf. „Sie war schon vor uns allen da. Das Gebäude war vor Urzeiten einmal ein Kinderhospital. Dann kam der Krieg und es wurde zum Lazarett umfunktioniert. Marzia scheint eine der Krankenschwestern gewesen zu sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie alt sie inzwischen ist! Nach dem Krieg wurden die Mietwohnungen hier errichtet. Aber Marzia ist geblieben. Wahrscheinlich hatte sie niemanden mehr, zu dem sie hätte heimkehren können. - Du hast dich hoffentlich nicht vor ihr geängstigt?“
„Ein bisschen.“ Ich zog unwillkürlich die Schultern hoch. „Sie will, dass ich morgen die Katzen füttere. Sie muss in die Klinik, wegen ihrem Fuß.“
„Ihr Fuß? Oje!“ Lia lächelte plötzlich. „Dann bist du jetzt die Gattara. – Das sind die Frauen, die die wilden Katzen füttern“, fügte sie hinzu, als sie meine ratlose Miene sah. „Deine Mutter würde staunen, was für eine Römerin schon aus dir geworden ist!“
„Von deiner Mutter ganz zu schweigen!“ Ich musste lachen. Mit einem Mal wusste ich gar nicht mehr, warum ich mich vorher so gefürchtet hatte.
Ich war mir nicht ganz sicher, wann die Sonne aufging und stellte mir den Wecker auf fünf Uhr. Das Läuten holte mich beim ersten Dämmerlicht aus dem Schlaf. So ungefähr hatte ich also richtig geschätzt. Gähnend fuhr ich in Jeans, Sweatshirt, eine alte Gartenjacke von Lia und putzte mir kurz die Zähne. Alles andere konnte warten. Ich schlüpfte aus der Wohnung und zog leise die Tür hinter mir ins Schloss.
Der Topf stand in einem Korb vor der Haustür, der Deckel war mit einem Stück Kordel festgebunden. Das Ganze war schwer und unhandlich und ich wunderte mich, wie die alte Frau das jeden Morgen schaffte. Die Straßen lagen ausgestorben, nur ein Auto der Straßenreinigung schob sich dumpf brummend den Rinnstein entlang. Der Giardinetto, das ‚Gärtchen’ unseres Stadtviertels, war am Ende der Straße. Ein kleiner Park, tagsüber von dichtem Verkehr und Markttreiben umflossen. Jetzt lag er eingebettet in Stille.
Das Tor an der Stirnseite war bereits geöffnet. Der Kies des Parkwegs knirschte leicht unter meinen Sohlen, das Trällern eines Vogels schnitt klar durch den Morgen. Hier, bei der Ruine eines altrömischen Aquädukts, musste irgendwo die Futterstelle sein.
Die Katzen zeigen dir schon den Weg, hatte die alte Frau gesagt und ich wusste bald, wovon sie gesprochen hatte. Glitzernde Augenpaare fixierten mich unbeweglich aus den Büschen, ich hörte Maunzen, ein pelziger, getigerter Körper strich mir weich um die Beine und dann kamen sie plötzlich aus allen Richtungen gelaufen: magere, struppige und schmutzige Katzen, mit räudigen Stellen in den Pelzen und verkrusteten Wunden, vereinzelt fehlten Stücke von Ohren oder ein Auge. Ich brauchte wirklich nur den steil aufgestellten Schwänzen und den zwingenden Blicken schräger Pupillen zu folgen. Auf einer Mauer hinter einer Reihe von Büschen standen ein paar schmutzige Wasserschüsseln.
Marzia hatte mir in einem Plastiksack Blechteller und einen Löffel zu dem Topf gepackt und ich begann schnell das Futter auszuteilen. Der pappige Brei mit Fleischstückchen und Knochen schien den Tieren zu schmecken. Während sie sich um die Teller balgten, nahm ich mir die herumstehenden Wasserschüsseln vor, spülte sie an einem Steinbrunnen in der Ecke durch und füllte sie frisch. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über die Baumwipfel und ließ die Wassertropfen aufblitzen. Eine Katze geriet in den feuchten Sprühnebel, schüttelte sich empört und begann sich ein Stück weiter würdevoll zu putzen. Bei jedem Schritt strichen mir die kleinen Tiger um die Beine und maunzten mich an, als wollten sie mit mir sprechen. Ich kraulte ihre struppigen Köpfe, wenn auch etwas zögerlich. Einige von ihnen schienen Zecken zu haben, ich konnte die Erhöhungen unter ihrem Pelz spüren.
Eine graue Katze tappte mit weichen Schritten neben mir die Mauer entlang. Mit einem Mal verharrte sie reglos. Ein eigentümliches, drohendes Knurren stieg tief aus ihren Eingeweiden auf, dann fauchte sie. Ich fuhr herum. Wie aus dem Erdboden gewachsen stand Justin im Unterholz, die Kamera in der Hand, eine steile Falte zwischen den Augenbrauen, als wäre er ärgerlich, mich zu sehen.
„Was tust du denn hier in den Büschen?“, fuhr ich ihn erschrocken an. Die Falte zwischen seinen Brauen glättete sich und er hob beschwichtigend eine Hand. „Tut mir leid! Ich dachte, du hättest mich gehört. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich …“ Er zuckte die Schultern und verstummte.
„Nein, ich hab dich nicht gehört.“ Ich stieß die Luft aus und lehnte mich Halt suchend an die Mauer in meinem Rücken.
Er bückte sich zu den Katzen hinunter und begann leise, sie zu locken. Ganz sanft und vorsichtig. Rücksichtsvoll. Jetzt zupfte er einen Grashalm aus, wedelte damit leicht hin und her. Eine Tigerkatze schlug spielerisch danach, strich Justin um die Beine. Mein Magen schlug einen Purzelbaum.
„Warum ist Marzia heute nicht da?“ Er blickte mit seinen hellen Augen zu mir auf.
„Klinik“, murmelte ich und hätte mich im gleichen Moment treten können, dass mir nichts Geistreicheres einfiel. „Ich weiß immer noch nicht, was du hier machst“, sagte ich stattdessen.
„Fotografieren.“ Justin deutete auf seine Kamera. Er fingerte suchend durch die Tasche seiner ausgebeulten Khakijacke und schob einen Deckel auf das Objektiv seiner Kamera. „Für ein Lifestylemagazin. Das andere Gesicht von Rom. Abseits der Touristenpfade, verstehst du?“
Ich nickte stumm.
„Eigentlich