Dunkle Seele Liebe. Fe Mars
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‚Restauro G. Montaloro’ stand in goldenen Buchstaben auf der staubigen Auslagenscheibe. G für Giuseppe. Der Restaurierungsbetrieb würde meine Praktikumsstelle sein. Ich stieß die Tür auf und ein Glockenspiel bimmelte scheppernd. Der Laden war düster und vollgestellt mit alten Möbeln, Stühle hingen an Haken von der Decke, in einer Ecke lehnten ein paar alte Spiegel, daneben das Gerippe eines Schranks. Es roch nach Holz und Leim. Irgendwo im Hintergrund wurde gehämmert.
„Hallo?“ Meine Stimme verhallte, ohne dass etwas geschah. Ich bückte mich zu einer bemalten Truhe hinunter und stieß beim Aufrichten gegen eine Stuhlpyramide. Sie schwankte, geriet aber zum Glück nicht aus der Balance.
„Na, na!“ Der Mann, der aus dem Hinterraum der Werkstatt auftauchte, wirkte genau so verstaubt wie alles hier. Er wischte sich die Hände an einem Stofffetzen ab. „Maria-Selina, nicht wahr?“
„Nur Selina, Signor Montaloro.“ Mit einem Mal überkam mich Scheu. „Ich bin zu spät. Entschuldigung. Ich hab es nicht gleich gefunden.“
„Ah.“ Er zuckte die Achseln. „Ich weiß doch noch nicht einmal, wie spät es ist. Du kommst, wenn du kommst, und du gehst, wenn die Arbeit fertig ist, anders geht das nicht. Die Möbel sind schließlich keine … keine, was weiß ich!“ Sein Händedruck war kräftig. „Und spar dir den Signor. Sag Pino zu mir wie alle.“
Er winkte mich in den Hinterraum, reichte mir einen langen Schurz, wie er selbst einen trug und erklärte mir brummelnd, was zu tun war. Mit Hingabe begann ich zu schaben und alten Lack aus den Rillen eines Schranks zu kratzen. Wir arbeiteten still, auf einem staubigen Regal dudelte leise ein Radio. Pinos ganze Energie zum Reden schien mit unserer Begrüßung aufgebraucht, aber das passte mir gut. Ich arbeitete auch gerne still und konzentriert und hing dabei meinen eigenen Gedanken nach. Seit gestern kreisten sie um Justin. Unaufhörlich. Doch ich war noch keinen Schritt weitergekommen.
Valentina fotografiert bei der Modewoche in Mailand, hatte Lia mir am Abend erklärt. Sie fahren morgen in aller Frühe.
Ich hätte fast aufgestöhnt vor Erleichterung: Justin würde fort sein. Ich wusste weder, warum ich so froh darüber war, noch, warum ich eigentlich solche Angst vor ihm hatte. Denn die hatte ich – seit dem seltsamen Erlebnis im Garten.
Alles nur Einbildung, hatte ich mir die halbe Nacht vorgesagt, aber das konnte nichts ändern an dem beklemmenden Gefühl der Furcht.
Und noch ein anderer Verdacht war mir gekommen: In der Bar mit Celia, der Mann, der mich angestarrt hatte … wenn das nun auch … Justin gewesen wäre? Aber warum? Nein, das war alles Unsinn. Was mich allerdings am meisten verwirrte, war etwas ganz anderes: Ich vermisste ihn. Der Erleichterung, ihn los zu sein, war sofort ein flaues Gefühl des Verlustes gefolgt, und das kam mir fast noch absurder vor als die Angst.
Bis zum späten Nachmittag waren die meisten der Schrankrillen sauber, meine Hände dafür reinstes Sandpapier. Ich bearbeitete sie am Waschbecken im Hinterraum mit Schmierseife und Fettcreme. Meine Großmutter fiel mir ein und ich musste lächeln. Sie hatte sich unter meinem Praktikum sicher vorgestellt, dass ich in einem Museum mit Wattebäuschen über Bilder rubbelte. Wenn möglich im schicken Kleidchen.
Ich trat aus der kühlen Werkstatt auf die Gasse hinaus, in der sich die Hitze des Tages staute. Zwischen den Dächern leuchtete blau der Himmel. Die Marktstände auf dem Campo nebenan waren abgebaut, aber in den Seitengassen herrschte reges Treiben.
Jetzt gehöre ich dazu, dachte ich, zu denen, die hier leben und arbeiten und die die Stadt ausmachen. Ein Lächeln stieg mir in die Kehle und ich glaube, erst in dem Moment kam ich wirklich an.
Ein Mann rempelte gegen meine Schulter und riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Er hielt mich einen Moment fest, als hätte er Angst, ich könnte hinfallen. „Scusi!“, murmelte ich automatisch, während ich von ihm weg strebte. Sein Griff an meinen Armen war mir unangenehm. Sein Geruch stieg mir in die Nase. Modrig und … das war doch … Ich drehte den Kopf zur Seite.
Er stieß ein kurzes Lachen aus, dann war er schon weiter, während mein Herz plötzlich klopfte. Was war so merkwürdig an dem Mann gewesen? Automatisch tastete ich nach meiner Geldbörse. Nein, nicht gestohlen. Ein Glück. Ich klemmte mir den Rucksack fester unter den Arm und schlenderte weiter.
Der Tisch war gedeckt, das Nudelwasser dampfte - Lia erwartete mich bereits. „Dein erster Arbeitstag in Rom“, rief sie fröhlich. „Das muss doch gefeiert werden! Und außerdem …“ Sie wedelte mir mit einer bedruckten und gefalteten Karte vor der Nase herum. „Was meinst du, was das ist? Erkennst du es?“
„Klar!“ Ich hielt ihr Handgelenk fest. „Das Bild steht im Atelier. Ist das etwa …?“
„Ganz genau, das ist es!“ Sie schlug die Karte auf und las feierlich: „Die ‚Galleria Ennio d’Asti’ erlaubt sich, Sie und Ihre Freunde zur Eröffnung der Ausstellung ‚Lia Korn - Eindrücke’, Arbeiten in Acryl und Öl herzlich einzuladen. Einführende Worte … und so weiter und so weiter. Juhu!“ Mit einem Juchzer fiel sie mir um den Hals. „Nächste Woche schon. Bei Ennio. Er ist nicht nur ein Freund, sondern auch einer der angesagten Galeristen der Stadt. Ich wollte bis jetzt nichts sagen, weil ich es selbst kaum glauben kann. Ich musste das erst gedruckt sehen. Abergläubisch, ich weiß, aber … puh! Also, müssen wir heute feiern oder nicht?“ Sie zog schwungvoll eine Flasche Prosecco aus dem Kühlschrank, ließ den Korken knallen, dass der Sekt aufschäumend über ihre Hand und den Tisch sprudelte, und schenkte uns beiden einen kräftigen Schluck in unsere Wassergläser.
Dann stießen wir an, aßen auf der Terrasse unsere Spaghetti und saßen schließlich inmitten der nächtlichen Geräusche und dem Sternengefunkel. Wir kicherten, tranken den Rest der Flasche aus und ich dachte, dass dies der perfekteste Abend war, den ich je erlebt hatte.
Der Keller, Schatten umschleichen mich, recken ihre Finger nach mir, ich will fliehen, aber meine Füße bewegen sich, als würden sie in zähem Gummi feststecken, die Angst im Hals erstickt meine Stimme, ich versuche zu schreien, aber kein Ton kommt heraus. Die Wände schließen mich ein, langsam und unerbittlich. Und jemand wartet, wartet im Dunkeln … auf mich.
Mein Herzschlag raste und ich schnappte wimmernd nach Luft. Mein T-Shirt klebte mir schweißnass am Körper. Im ersten Moment war ich völlig desorientiert. Wo war ich? Träumte ich noch? War es vorbei? Oh Gott, bitte … Ich hatte das unscharfe Bewusstsein, etwas Schlimmerem als dem Tod entronnen zu sein.
Der Traum. Ich nannte ihn absichtlich nie ‚meinen’ Albtraum, damit er sich nicht für immer in mir festmachte und ein endgültiger Teil von mir würde. Dabei fürchte ich, er war es schon längst.
Er hatte mit den Kellern unseres Familienansitzes zu tun. Das Schloss war über der alten Razburg errichtet worden, deren Vorratskeller und Verliese zum Teil noch erhalten waren. Natürlich war es mir immer strengstens verboten gewesen, dort zu spielen. Noch nicht einmal in die Nähe der modrigen Räume hatte ich gedurft. Aber was gibt es für einen größeren Anreiz als ein Verbot?
Ich war vielleicht fünf Jahre alt gewesen, als ich mich zum ersten Mal in die Tiefen des Schlosses gewagt hatte. Allein. Ich erinnerte mich deutlich daran, die alten Stufen hinunterzuschleichen, das Herz vor Aufregung im Hals, so, dass ich kaum noch atmen konnte, eine Kerze in der Hand und meinen Teddy unter den Arm geklemmt. Es war feucht und kalt und sehr dunkel gewesen. Ich erinnerte mich auch an den Schrecken, als irgendetwas mir plötzlich den Rückweg abgeschnitten hatte, und an die Schatten.