Dunkle Seele Liebe. Fe Mars

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Dunkle Seele Liebe - Fe Mars

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war das? Ich hatte ein Gefühl von Altvertrautem. Als müsste ich ihn kennen. Und er mich. Altvertraut wie meine Albträume. Der gleiche Ansturm hilfloser Panik. Ich konnte den Schweiß unter meinen Armen spüren und ein seltsames Gefühl des Fallens in meiner Magengrube. Mein Kreislauf sackte weg. Ich tastete nach der Wand neben mir.

      Ich konnte nur für einen Moment die Augen geschlossen haben, aber als ich sie wieder öffnete, war der Schatten verschwunden. Das Tor knarzte leise im Schloss.

      2

       Blut tropft aus den Schnitten in den Mauern, Blut, das immer dichter strömt, während die Mauern wachsen, näher rücken, mich ersticken.

      Keuchend wachte ich auf. Fremde Nachtgeräusche drangen herein, das Zirpen von Zikaden, fernes Reifenquietschen, der dringliche Klang einer Sirene, der abrupt verstummte. Eine Katze maunzte. Nur ein Traum, dachte ich, nur ein Traum! Nur die dunklen Bilder im Atelier, die mich verfolgen. Und zumindest nicht der Traum.

      Bebend stieß ich das gekippte Fenster zu, sperrte die Geräusche aus, sperrte alles aus, was mir Angst machen konnte. Dann rutschte ich in die hinterste Ecke meines Bettes, lehnte mich gegen die Wand und lauschte in die Dunkelheit.

      Ich versuchte mich zu erinnern, wie glücklich ich noch am Morgen gewesen war. Das Gefühl, angekommen zu sein, hier, in Rom. So weit weg vom Schloss, von meiner Kindheit, der Angst und der Einsamkeit, den Schatten. Ich hatte gedacht, das alles hinter mir gelassen zu haben. Endlich.

      Es war wohl ein Irrtum gewesen. Es war alles noch da. Ich hatte es mitgebracht, ohne es zu merken. Mein unseliges Gepäck. Ich hatte nur ein neues Kapitel begonnen.

      *

      Er: Blicklos starrte er auf das Pergament. Seine Finger fuhren die Buchstaben nach, als wären sie eine Art von Blindenschrift. Informationen, dachte er. Ich brauche viel mehr Informationen. Es muss doch noch einen anderen Weg geben. Irgendwie.

      Er hatte das Pergament heute erst entdeckt. Bei einem Trödler im Trastevere, halb vermodert und staubig in einer Truhe. Aber die alte Schrift war schwer zu lesen. Es wurde schon bald Morgen und er war immer noch kaum weiter mit dem Text.

      Er war zu jung, um die Alte Sprache wirklich gut zu beherrschen, und einen von den Alten wollte er nicht fragen. Sie hätten wissen wollen, warum er sich mit den verstaubten Geschichten befasste. Keinen von den Jungen interessierten sie mehr. Das Leben war viel zu schnell geworden für so etwas - selbst wenn es, sofern man denn Pech hatte, ewig dauerte. Verflucht! Und jetzt auch noch das Mädchen! Wie verletzlich sie ausgesehen hatte. Er hatte sofort gemerkt, wie seine sämtlichen Instinkte darauf angesprungen waren. Es hatte ihn alle Mühe gekostet, sich zu beherrschen, sie einfach stehen zu lassen und zu gehen. Sie hatte in seine Richtung geschaut, ohne ihn zu sehen, es war zu dunkel gewesen. Für ihn war das Sehen bei Dunkelheit kein Problem. Er war ein Nachtwesen.

      Ihr Gesicht war so bleich gewesen wie der Mond. Sie hatte die Brauen gerunzelt, ein wenig unsicher, und dann hatte sie die Angst getroffen. Er hatte das Vibrieren ihrer Nervenfasern spüren können. Die Schwingungen der Furcht – er kannte sie nur zu gut. Er mochte es, diese Vibrationen auszulösen, dieses Zittern. Er mochte es, weil er stärker war, weil er sich beherrschen konnte, weggehen konnte. Weil es ihm Macht gab. Nicht über die Kreatur, die in der Nacht stand, gefügig wie ein Lamm, das auf seinen Metzger wartete - nein, weil es ihm Macht gab über sich selbst. Er konnte das Spiel kontrollieren. Er musste es nicht mitspielen wie die anderen, Sklaven ihrer Triebe. Er konnte die Regeln bestimmen. Bis jetzt. Doch seit er das Mädchen gesehen hatte, war er sich nicht mehr so sicher. So schwer war es ihm noch nie gefallen. Der Hund hatte ihn schließlich weggezerrt.

      Diese schreckliche Verletzlichkeit. Es müsste verboten werden, so verletzlich zu sein! Mit einem Fluch fegte er das Pergament vom Tisch.

      *

      Die Fragen summten und kreisten in meinem Kopf wie ein Schwarm Bienen: Wer war das gewesen am Tor? Wem gehörte dieser Hund? Und warum hatten bei mir alle Alarmglocken geschrillt? War ich verrückt oder reagierten alle Frauen so auf Schatten in der Nacht?

      Das Grübeln hatte mich die halbe Nach wachgehalten und ich fühlte mich wie zerschlagen, als der Wecker läutete. Bei Tageslicht kam mir meine Reaktion auf die Gestalt im Garten hysterisch vor. Da hatte einfach jemand aus dem Haus noch eine Runde mit dem Hund gedreht. Sonst nichts. Später musste ich Lia nach seinem Besitzer fragen, jetzt schlief sie noch und gestern hatte ich sie nicht mehr getroffen, weil ich wie panisch in mein Zimmer gerannt war. Seufzend machte ich mir einen Kaffee.

      Heute sollte ich mich in meiner neuen Schule melden. ‚Archio - Scuola di Restauro’, eine Restaurierungsschule. Möbel, Bilder, Fresken als Schwerpunkte. Es war ein privates College und kostete Geld, aber da verpflichtend ein Praktikum nebenherlief, bei dem ich etwas verdienen würde, und da ich bei Lia umsonst wohnen konnte, war es machbar. Das Kostgeld würde meine Mutter aufbringen und das Fahrtgeld hatte mir ganz überraschend meine Großmutter ausgelegt. Geld war leider in unserer Familie ein beständiges Thema, vor allem, weil selten welches da war. Alles ging für die Instandhaltung unseres Familienstammsitzes drauf, Schloss Razburg. Ich war immer ziemlich gehänselt worden wegen des adeligen Getues meiner Großmutter. Sie hatte das Gefühl, etwas Besseres zu sein. Das machte es für mich nicht einfacher, Freunde zu finden. Jemanden mit nach Hause zu bringen war eine Qual, es sei denn, wir schafften es unbemerkt ins Schloss und verkrochen uns still und leise irgendwohin.

      Aber öfter noch verkroch ich mich alleine. Mein Lieblingsplatz war das chinesische Zimmer mit der verschossenen blassgrünen Seidentapete. Im Wäscheschrank hatte ich mir ein Lager eingerichtet. Wenn ich jemanden kommen hörte, klappte ich einfach die Tür zu ...

      Vielleicht war das der Grund, warum ich Restauratorin werden wollte: Aus Dankbarkeit dem Schrank gegenüber, der mich so oft beschützt hatte. Mir kam es selbst schrecklich vor, wenn ich daran dachte, als besten Kindheitsfreund einen alten Schrank zu haben, aber so war es nun einmal.

      *

      Das Sekretariat in dem alten Palazzo war nicht schwer zu finden, eine Schlange Schüler stand bereits davor. Ich stellte mich dazu. Angesichts des Temperaments der Italienerinnen, die um mich herum redeten, lachten und gestikulierten, kam ich mir unbeholfen und sprachlos vor. Die Sekretärin drückte mir einen Packen Zettel in die Hand. Der reguläre Unterricht begann erst in ein paar Tagen, diese Woche war noch frei, damit sich alle in die Praktikumsstellen einarbeiten und ihre Unterkünfte organisieren konnten.

      „Hey! Du bist auch Erstsemester, ja?“ Das Mädchen, das hinter mir in der Schlange gestanden hatte, tippte mir auf die Schulter. „Woher kommst du?“

      „Deutschland. Und du?“

      „Rom. Ich heiße Celia.“ Sie schob mit dem Zeigefinger ihre Brille hinauf und lächelte. „Gehst du mit gegenüber ins Café?“

      Das ist ein guter Beginn, dachte ich.

      Wir ergatterten das letzte unbesetzte Tischchen und breiteten unsere Studienunterlagen aus. Grundlagen der Konservierungs- und Restaurierungstechniken, Kunstgeschichte, Werkstoffkunde nach historischen Quellen, Werkstoffgeschichte, Chemie und Physik der Arbeitsstoffe, Klima, Licht und Umwelteinflüsse, Denkmalpflege – das klang alles furchtbar technisch, trotzdem freute ich mich darauf.

      „Ich möchte auch mal ins Ausland, so wie du.“ Celia blickte verträumt ins Weite. „Das ist … mutig.“

      „Ich bin eigentlich gar nicht mutig. Eher das Gegenteil.“

      „Das meinst du nur!

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