Dunkle Seele Liebe. Fe Mars

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Dunkle Seele Liebe - Fe Mars

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in einem Schloss, das dringend eine Rundum-Sanierung bräuchte. Meine Mutter ist eine gefangene Prinzessin und meine Großmutter der Drachen, der sie bewacht. Und in den Verliesen treffen sich verwunschene Horrorwesen, denen man am besten aus dem Weg geht, wenn man seine Seele behalten will. Alles ganz normal also. Und du?“

      Celia lachte so, dass sie sich unter der Brille die Tränen aus den Augen wischen musste. Ich lachte mit. Natürlich war es Unsinn gewesen, aber es tat trotzdem gut, mein bedrückendes Zuhause von der lustigen Seite zu betrachten.

      „Meine Mutter hat einen Modeladen. Drüben, auf der anderen Seite vom Tiber, im Trastevere. Da leben wir auch. Frauenhaushalt … Na, du kennst das ja, wie es aussieht!“ Celia verzog das Gesicht und grinste.

      Es war so einfach, mit Celia zu sprechen. Mir kam es vor, als wären wir schon seit langer Zeit Freundinnen.

      „Mein Freund macht Schmuck. Luca. Er verkauft die Sachen auf der Porta Portese, dem Flohmarkt. Er …“ Celia verstummte plötzlich und starrte über meine Schulter. „Sag mal, hast du einen eifersüchtigen Freund oder so was?“ Ich schüttelte langsam den Kopf. „Ah, na ja, dreh dich jetzt nicht um, aber da steht so ein Kerl und bohrt dir seine Blicke in den Rücken. Schon die ganze Zeit. Mit einem ziemlich wilden Gesichtsausdruck, wenn du mich fragst!“

      Ich fuhr herum, doch die Leute am Tisch hinter mir hatten sich gerade erhoben, und bis ich es schaffte, an ihnen vorbeizusehen, war niemand mehr da.

      Der Duft von Tomaten zog sich bis in den Hausgang. Lia stand am Herd und rührte in einem Topf. Die warmen Gerüche der Küche, die Radiomusik, diese ganze Normalität kam mir seltsam irreal vor. Auf dem Heimweg hatte ich mich immer wieder umgedreht, um zu sehen, ob mir jemand folgte. Ich hatte Blicke in meinem Rücken gespürt und um jeden Hauseingang, der im Schatten lag, hatte ich einen Bogen geschlagen. Und das am helllichten Tag.

      Ich hatte es gleich beim Nachhausekommen ansprechen wollen. Der Schatten im Garten. Und Razburg, unser Familiensitz. Lia war im Schloss aufgewachsen, genau wie ich. War sie je in den Kellern gewesen? Wusste sie irgendetwas, was mir Antworten auf meine Ängste und Albträume hätte bieten können? Oder hatte sie es geschafft, alle Erinnerungen hinter sich zu lassen? War das überhaupt möglich? Ich bezweifelte es – und hoffte es zugleich.

      „Lia, da ist …“, begann ich zögernd.

      „Ich koche immer Sugo vor. Ist doch praktisch, oder?“, rief sie fast im gleichen Moment. Dann warf sie mir über die Schulter einen Blick zu. „Was wolltest du gerade sagen? Hab ich dich unterbrochen?“

      „Nein, schon gut. Ich wollte nur … Ach, eigentlich nichts Besonderes.“ Ich wagte es nicht zu fragen. Ich hatte schon zu oft auf Antworten gehofft.

      Du bist einfach hypersensibel, Schatz! Da ist gar nichts! Was glaubst du denn? Dass es spukt? Und dann hatte meine Mutter gelacht. Ich hatte ihre Stimme noch genau im Ohr und auch, wie künstlich ihr Lachen geklungen hatte. Ich war mir sicher, dass sie log. Vielleicht belog sie sich aber auch selbst.

      Lia begann mit dem Kochlöffel den Takt zu einem Lied an den Topfrand zu klopfen und ein wenig schräg zu singen.

      „Sag mal, wem gehört der Hund im Garten?“

      „Rizzi? Der gehört Justin. Unterste Wohnung zusammen mit Valentina. Fotografen alle beide, er ist ihr Assistent. Netter Junge, etwas ernst. Er müsste ungefähr in deinem Alter sein. So!“ Sie legte den Löffel beiseite. „Bedien dich ruhig, wenn du Hunger hast! Mach dir einfach ein paar Nudeln dazu. Und komm doch später wieder nach unten. Vielleicht ist Flavia da. So lernst du rasch die ganze Belegschaft kennen!“

      Ich verbrachte den Nachmittag in meinem Zimmer und studierte die paar Skripten, die ich schon bekommen hatte. Nur nicht wieder hinausgehen und diese Blicke spüren. Und dieses Beobachtetwerden. Missmutig blätterte ich durch meine Unterlagen.

      Es war schwül in der Wohnung. Ich schleppte mich unter die Dusche. Das Wasser wechselte ständig zwischen heiß und kalt, aber danach war ich ein wenig munterer.

      Einer hat mich angestarrt. Na und? Vielleicht hat er mich ja mit jemandem verwechselt. Und dann? Habe ich mich verfolgt gefühlt. Wirklich gesehen, dass jemand hinter mir herkommt …? Nein, hab ich nicht. Also.

      Ich straffte die Schultern, als könnte der reine Wille zum Glück es herbeizwingen. Ich lass sie mir nicht kaputtmachen, dachte ich, meine neue Freiheit, meine Unabhängigkeit! Mit feuchten Zehen schlüpfte ich in meine Flip-Flops und lief hinunter ins Atelier.

      Ich atmete durch, als ich zwischen Lia und Ubaldo saß, wieder auf der Treppe, die anscheinend mein üblicher Platz wurde. Die beiden arbeiteten still. Zum ersten Mal an dem Tag fühlte ich mich sicher. Ich vertiefte mich in mein Italienischlehrbuch.

      Die Dämmerung begann sich bereits über den Raum zu legen und aus den Ecken zu kriechen, als draußen der vertraute Pfiff ertönte. Dann flog die Tür auf und Rizzi stürmte herein, doch diesmal kam er nicht allein.

      „Ah, Justin!“ Lia winkte. „Schön, dass du kommst. Dann kannst du gleich Selina kennenlernen.“

      Justin folgte seinem Hund deutlich langsamer. Die dunklen Haare hingen ihm wirr und nachlässig in sein düsteres Gesicht. Sein Blick aus seltsam hellen Augen traf mich direkt, dann zuckte er zur Seite. Ich spürte ihn nachglühen wie einen Schmerz.

      Und das war er. Der Moment, der mein Leben in ein Vorher und ein Nachher teilte. Und nichts dazwischen.

      „Selina?“ Ich hörte die Stimme meiner Tante wie durch Watte.

      Justin, dachte ich. Justin. Ihm gehört der Hund.

      Der Puls klopfte wie ein kleines gefangenes Tier in meinem Hals. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, mich in Zeitlupe zu bewegen. Ich legte mein Buch auf die Treppe, stand auf, ließ den Halt des Geländers los und schaffte es ohne zu stolpern durch den Raum.

      „Freut mich“, murmelte ich, streckte Justin die Hand hin und spürte kurz den Druck seiner kühlen Finger. Sein Blick traf mich erneut, flüchtig diesmal. Er antwortete so leise, dass ich ihn kaum verstand. Es klang wie: „Ja. Okay.“ Dann hatte er auch schon Rizzi, der sich wedelnd und hechelnd an mein Bein drückte, am Halsband gepackt. Die Tür fiel zu und sie waren fort.

      Ich stolperte zurück zur Treppe, kauerte mich auf die Stufe. Zum Glück achtete niemand auf mich. Der Schatten am Tor, das war er gewesen. Justin. Wie ein Flashback ergriffen mich der Schreck und die Unsicherheit des letzten Abends.

      Justin. Seine Augen schimmerten wie Kiesel, die unter Wasser lagen. Oder unter Eis. So kalt hatten sie mich angeblickt. Als wäre ich das Letzte auf der Welt, was er sehen wollte. Und ich? Alle Alarmglocken in meinem Kopf waren zugleich losgegangen, als dieser Blick mich getroffen hatte: Renn! Lauf weg! Egal wohin, nur fort!

      Und dann?

      Der Gesang einer Sirene hatte sich eine schmale Spur durch meine Gedanken gebahnt, süß, klebrig und unwiderstehlich. Ich hatte plötzlich ein Flattern in mir gespürt, wollte reflexhaft nur dem betörenden Ruf folgen. Und der Ruf kam von Justin.

      Ich schlang Schutz suchend die Arme um mich, versuchte mich zu konzentrieren. Was lief hier ab? Ich verstand es nicht. Wurde ich jetzt verrückt, psychotisch? War ich getrieben von Wahnvorstellungen? War es vielleicht nie etwas Anderes gewesen?

      *

      Er: Er hätte nicht hingehen sollen. Verdammt! Und da war noch etwas. Er konnte es spüren.

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