EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig
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„Feiner Anzug wird nicht schmutzig. Leichte Arbeit – zehn Euro. Prima gut?!“
Fidelitas schlüpft umständlich in die ihr hingehaltene etwas zu enge Kutte, und Yüksel steckt ihr 10 Euro in die Brusttasche.
Während Mehmet schon zum Transporter geht und die Türen schließt, schiebt der Vater Fidelitas vor die blank geputzte Schaufensterscheibe, damit der neue Mitarbeiter sein Outfit bewundern kann.
„Papa!“ Mehmet ist genervt, den Lieferwagen hat er bereits gestartet.
„Was ist jetzt mit dem?“
Yüksel sieht zu Mehmet hinüber. Deshalb kriegt er auf die Entfernung nicht so recht mit, dass Fidelitas k e i n Spiegelbild hat. Egal, der Typ dreht sich schon wieder um und fummelt an den Knöpfen der Kutte.
„Ich bin zu dick für die schöne Jacke, Herr Feinkost...?“
„Yüksel“, sagt Yüksel, und lacht. Und dann steckt er Fidelitas noch ein nagelneues Digital Notizbuch mit Punktpapier und einem Kamerastift zu.
„Is‘ ein Geschenk von meinem Sohn. Aber so a Digitalisierung, brauch ich nicht. Schön aufschreibn, was gut ist für‘ s G´schäft, nacha is‘ gut für dich a.
Ihr Ausländer müsst zuerst amoi Deutsch richtig lesn un schreibn lerna, gei?!
*
In der Fahrgastzelle des Lieferwagens hat Mehmet die Rolle des Deutschlehrers bereits übernommen.
„Will immer was Gutes tun, der Papa. Integriert sein, angepasst. Jeder Penner kriegt gleich ein’ Job von ihm. Als ob ich den Scheiß nicht allein rocke.“
Er schaltet das Radio ein, steuert den Transporter lässig mit einer Hand die Hauptstraße entlang. Fidelitas kaut am ungewohnten Apfel.
„Eine Frau Jasmin liegt auf dem Friedhof...“
„Ey, muss der Papa nicht wissen, dass ich da manchmal vorbei fahr, okay?“
Mehmet ist verunsichert. Fast ein wenig ängstlich. Immer hat er dem Vater versprechen müssen: Niemals lügen! Lügen haben kurze Beine! Lügen erschwert die Integration. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn
er auch die Wahrheit spricht!
Aber Deutsche lügen auch, Papa, hat er seinem Vater geantwortet und dann
zu hören bekommen: Das ist etwas anderes!
Wieso?
Wir sind hier Gäste, Mehmet.
Nein, Papa, wir sind hier zu Hause.
Manchmal, hatte Yüksel nach langer Pause gemurmelt, manchmal ja.
„Seit wann liegt sie da, die Frau?“ Fidelitas ist neugierig, auftragsbedingt sozusagen.
„Spionierst´ mir nach?!“
„Woran ist sie gestorben?“
„Keine Ahnung. Hab’ sie nicht gekannt. Vielleicht bei meiner Geburt, was weiß ich.“
„Sie ist deine Mutter, die Frau?“
„Mann, Mann, du bist vielleicht ein komischer Heiliger. Ey, wir haben andere Sorgen, okay. Wie man Kohle macht, zum Beispiel. Für geile Klamotten, Urlaub auf Mallorca, ein Motorrad, schöne Frauen, ein guter Drink, ein Cocktail! Für
O b s t einkaufen, Jep!“
„Jep?“
„Jep heißt auf Deutsch okay! Okay?“
„Okay“, sagt Fidelitas und tippt das Wort in ihr Digital Notizbuch.
„Geld - ist sehr wichtig?“
„Wenn man keins hat schon“, grinst Mehmet und pfeift hinter einer Frau her,
die gerade die Sparkasse verlässt vor der sie eben ankommen. Er parkt den Lieferwagen ordnungsgemäß auf der vorgeschriebenen Parkfläche.
Im weitläufigen Raum für den Kundenservice sieht Reuss von seinem Schreibtisch hoch. Mehmet, Fidelitas im Schlepptau, betritt die Sparkasse.
Sein Bayerisch ist nicht vom urigsten und auch nicht der Tölzer Region zuzuordnen. Könnte eher München-Solln sein oder vielleicht doch vom Hasenbergl.
Der Nichtbayer muss dazu wissen, was viele original echte Bayern meist nicht wissen: Bairisch ist nicht gleich Bayerisch. Ein g´scherter Augsburger tut
sich möglicherweise hart im oberfränkischen Bamberg, ein Regensburger in Rosenheim. Und selbst in München ist die dialektische Vielfalt zwischen den Ortsteilen Obermenzing und Giesing derart unterschiedlich, dass nur wenige Eingeweihte in diesem Sprachgewirr rausfinden, wo der Betreffende herkommt, ob er ein Hiesiger oder ein Doiger ist.
„Grüß’ Eahna Gott, Herr Reuss. Schon wieder frisch und munter bei der Arbeit nach langer Nacht?! Brav. Die Kontoauszüge und noch zweihundert Euro
Wechselgeld. Bitt´schön.“
Reuss ist peinlich berührt, um es bayerisch zu sagen: zefix saumäßig wütig, ist er, weil, die werden immer frecher, die Zuwanderer. Der Feinkost Yüksel ist zwar lange schon ein guter Kunde und sein Laden hat der Sparkasse einiges an Gewinn eingebracht in den letzten Jahren, nicht zuletzt weil die Zinsen von Yüksels Überziehungskredit nach wie vor hoch sind, viel zu hoch, nämlich im zweistelligen Bereich, und dennoch werden sie ohne Widerspruch vom Geschäftskonto abgebucht. Ein bisschen Häme kann sich der Filialleiter deshalb nicht verkneifen.
„Ist schon wieder eng auf eurem Konto. Was macht der Umsatz, Mehmet?“
„Umsätze sind nicht wichtig, Herr Direktor“, antwortet Mehmet frech. „Auf den Gewinn kommt’s an, gei! Is´ genau wie beim Poker, Herr Reuss, vastengans?!“
Schon hat Reuss wieder Sodbrennen, er schiebt Mehmet die Bankauszüge rüber, der zeigt sie lächelnd Fidelitas.
„So schaut´s aus, wenn man k e i n Geld hat, Kollege.“
„Siebzehntausend“, liest Fidelitas ab.
„Ja, aber im Soll“ grinst Mehmet.
„Im Soll?“ Fidelitas scheint nicht zu verstehen.
„S c h u l d e n, sagt der Herr Reuss. Nix wie Schulden habt ihr!“ Und dann äfft er einen Satz des Filialleiters nach, den Reuss offenbar immer wieder gebraucht hat. „Mein Gott, einmal möchte ich erleben, dass die Beträge in eurem Auszug hinter einem Pluszeichen stehen!“
Fidelitas studiert konzentriert den Auszug, biegt ihn hin und her, sieht auch auf die Rückseite und sagt dann, sich verlegen unter der Wollmütze kratzend.