EIN HIMMLISCHER JOB. Til Erwig
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Wie viele junge Menschen mit ausländischen Wurzeln die im schönen Bayernland und anderswo geboren werden und aufwachsen, hat auch Mehmet ein ganz persönliches Problem: er findet keine zu ihm passende Frau.
Oder wenigstens eine nette Freundin. In der türkischen Community geht es selbst nach jahrzehntelangen Integrationsversuchen immer noch streng konservativ zu.
Man heiratet traditionell untereinander, die Cousine, die Nichte, manchmal auch, wenn die Not groß ist und der innere Druck steigt, die eigene Tante.
Mehmet leidet unter dieser konservativen Einstellung seiner Landsleute.
Er würde gerne einiges verändern, wenn er nur wüsste wie es anfangen.
Selbst bei der Auslieferung der türkischen Spezialitäten, die sein Vater in aller Herrgottsfrühe mit Allahs Hilfe herrichtet und verkaufsfertig zusammenstellt, denkt er immer wieder darüber nach. Er gibt sich Mühe, will tolerant sein nach allen Seiten, ist dem entsprechend überall beliebt, redet ohne Ende, flirtet ohne Ende, lässig, cool, oberflächlich, manchmal auch etwas großspurig, ein klassischer deutscher Halbstarker – wenn auch mit den sprichwörtlich türkischen Wurzeln.
„Achtung, der Loser kommt!“ schreit er zum offenen Fenster seines Lieferwagens hinaus, um es gleich wieder hochzukurbeln, denn sonst zieht der Fahrtwind herein und das könnte der Ware, den auszuliefernden türkisch / arabischen Spezialitäten und Leckereien, am Ende schaden.
Heute gilt es einen neu eröffneten Supermarkt zu beliefern. Der Laden gehört zu keiner der großen Lebensmittelketten, will trotzdem im stark umkämpften Markt bestehen und bietet deshalb spezielle Ware an: Homemade, wie das in gängigem neudeutsch genannt wird. Altdeutsch und wortreich diskutiert Mehmet mit dem Geschäftsführer, einem Landsmann und Erdogan Verehrer aus dem fernen Anatolien. Wer das Geld für die Neueröffnung gegeben hat, kann er nicht sagen, Betriebsgeheimnis. Mehmet will sich die Ausreden und Sprüche des Kollegen nicht länger anhören. Eine neue Geldwaschanlage, denkt er, wie in den EU Ländern immer häufiger zu finden, zumeist allerdings in Großstadtlagen und dort bevorzugt in Friseur Geschäften oder Spielhallen etabliert. Er muss weiter, sein Business, ruft Mehmet und tauscht geballte ´Five` mit dem Geschäftsführer. Gleich hat er einen treuen Privatkundenhaushalt zu versorgen. Die ´Grüne Witwe` aus Tölz, ein politisch seltenes Exemplar im katholischen Bayern, bestellt immer wieder neu, und viel, aber ansonsten läuft gar nichts. Dabei hat er die Frau immer wieder getröstet, wenn die in Bayern dominierende CSU bei Kommunalwahlen wieder die absolute Mehrheit geschafft hat, ohne Hintergedanken natürlich, unpolitisch, rein platonisch, einfach nur väterlich, sozusagen. An der Tankstelle, der nächsten Lieferstation, gibt es Ärger. Mehmet nennt es ´gamen`, er kennt das, seit er den Außendienst in Yüksels Firma übernommen hat spielt er das Spiel gerne mit.
„Pack das Zeug wieder ein, Mehmet!“ sagt der Tankwart. „ Ist doch alles schon an gegammelt. Dass ihr Türken immer bescheißen müsst …!“
Mehmet gibt sich cool, das gehört zum Spiel, gähnt ostentativ.
„Ey, da ist gar nix vergammelt. Hat mein Vater heute früh erst zubereitet. Super
frische Ware, ehrlich…“
Der Tankwart schnüffelt an den Häppchen und belegten Brötchen – das gehört zum Spiel - und verzieht angewidert sein Gesicht. „Mann, du hast’ auch schon mal besser gelogen. Das riecht doch’ n Blinder mit Krückstock, dass die Ware stinkt! Wer soll’ n das fressen, hä …?“ Mehmet weiß, dass es wie immer nur um den Preis geht, aber er will den Kunden nicht verlieren und was er jetzt an Rabatt geben wird, hat er vorher schon draufgeschlagen. „Okay, zwanzig Prozent Abschlag, okay?!“ Der Tankwart schlägt grinsend ein, im Gegensatz zu dem Ziegenficker bin i c h jedenfalls kein Loser, denkt er, und legt das gut gefüllte Tablett in die gekühlte Truhe. Mehmet zählt mit tieftrauriger Miene das Geld nach, verlässt enttäuscht tuend die Tankstelle um sich grinsend in seinen Lieferwagen zu setzen. Ein ärmlicher arabischer Haushalt ist als nächstes auf der Liste. Seit Jahr und Tag Auflage und eine Art Spende vom Vater, das Essen ist zwar von gestern, aber unverdorben, immer noch gut genießbar. Mehmet juxt mit den zahlreichen Kindern der Familie herum und verspricht das Blaue vom Himmel, nämlich dass er bald wieder kommt und dann vielmehr Zeit mitbringt um mit den Kleinen zu spielen. Ruck zuck ist abgeladen bei einem etwas abseits gelegenen Kiosk, trotz gestenreicher Debatte mit dem türkischen Inhaber Mümin, alles ohne Problem. Im Altenheim dauert es etwas länger. Mehmet macht die Pflegerinnen an, flirtet, scherzt mit mürrischen, weil unterbezahlten Pflegern. Sie mögen ihn. Und man kann ja nie wissen. Draußen hat die Bewölkung stark zugenommen. Sieht fast nach Regen aus. Schnell vergangen, der langweilige Arbeitstag. ´Feierabend` ist ein Wort, das Mehmet beherrscht wie kein anderes. Der kleine Lieferwagen mit deutsch/türkischer Aufschrift „Feinkost Yüksel“ rast über die Landstraße. Aus dem Himmel über den Wolken löst sich eine Sternschnuppe und schlägt mit extrem lautem Knall in einer Baumgruppe ein. Die Wirkung der Explosion ist gewaltig. In der Stadt, in Bad Tölz etwa, wäre jetzt Panik ausgebrochen. Kein Wunder, die Menschen sind verängstigt, genervt, jede Detonation in dieser Größenordnung kann von einem Attentat kommen. London, Berlin, Brüssel, Paris - der ganze Orient, Nordafrika, alles gefährdet, trotz intensivster Bemühungen der internationalen Politik, der freiwilligen Helfer, der vielen Sicherheitskräfte vor Ort. Die Druckwelle lässt den Transporter schwanken, er gerät ins Schleudern, fängt sich. Mehmet hält auf dem Seitenstreifen, springt heraus, öffnet die Seitentür des Wagens und sieht nach der Ladung. Die Fress-Platten für die noch anstehende letzte Lieferung sind zu seinem Ärger durcheinander geraten.
„Mann, Scheiße …“
Eigentlich flucht Mehmet nie, naja, oder selten. Sein Vater darf es nicht hören, man tut es nicht, jedenfalls nicht in deutscher Sprache, das schadet dem Ansehen der Migranten, der Integration insgesamt. Yüksel ist einfach gestrickt, Mehmet hat immer wieder den Eindruck, dass sein Vater die Welt mit zwei gänzlich verschiedenen Augen sieht, einem türkischen und einem deutschen, und deshalb niemals objektiv sein kann. Im diesem Leben jedenfalls nicht.
Eilig ordnet er die Platten neu.
Am Straßenrand steht ein Anhalter in merkwürdiger Kleidung: dunkle Hose und hochgeschlossene Jacke (indisch), eine Turban ähnliche Strickmütze verdeckt langes Haar: Fidelitas ist gut gelandet, wenn auch mit spektakulärem Knall. Ihr winkendes Handzeichen ist für einen Anhalter eher untypisch.
„Keine Zeit, nächstes Mal“, ruft Mehmet dem Typen zu, steigt in seinen Transporter und rast davon.
Nach ein paar hundert Metern, im spärlichen Licht einer auch tagsüber brennenden Bogenlampe, steht schon wieder ein Anhalter. Sieht genauso aus, wie der von gerade eben. Gleiche Mütze, dieselbe Kleidung. Und macht wieder die Handbewegung, die für einen Anhalter untypisch ist. Könnte ein Gruß sein, oder eine Art Segen, ähnlich dem, wie ihn der Papst an Ostern im Fernsehen vorführt.
Aber Mehmet schüttelt nur bedauernd den Kopf. Der Typ kann ja nicht wissen was so ein Feinkost-Spezialitäten-Lieferant für Stress hat, wenn die Zeit drängt. Memet gibt Gas, der alte Motor heult gequält auf, die Karre schleudert um eine Kurve, biegt trotz Rot an der Verkehrsampel ab – und touchiert beinahe den jetzt auf einmal dort stehenden Anhalter. So ein Idiot! Im Rückspiegel sieht Mehmet, wie sich die Person unter einer Straßenlaterne niederlässt, die extrem flackert, nicht richtig ein oder ausgeschaltet ist.
*
Wo junge Leute anderen Orts gern in einen Club gehen, bezeichnet man im bayerischen Voralpenland diesen Platz der ungehemmten Vergnügungen gerne mit dem traditionsreichen Namen ´Tenne`. In der Tat sind bayerische Discos oft umgebaute alte Bauernhäuser oder ehemalige Wirtschaften mit großzügig angelegtem Biergarten, schattenspendenden roten oder auch