Cricketfield Road. Boris Born

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Cricketfield Road - Boris Born

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      Eine Leiter auf einem Autodach. Ein Fahrrad auf einem Dachgepäckträger. Wieder eine Leiter, diesmal auf einem roten Wagen. Ein rotes Schiebedach auf einem schwarzen Wagen.

      Ich sehe von oben in eine Fahrerkabine. Der Fahrer raucht, legt den Rückwärtsgang ein, die roten Löckchen zurückgeworfen, hin und her gesehen.

      Ich gehe hinunter in die Gemeinschaftsküche.

      Ein strenger Geruch, eine Mischung aus gärendem Obst und verdorbenem Fleisch. Alles ist sehr braun. Rote, alte Soße klebt am Tischbein. Auf dem Herd schwimmt braunes Öl. Schimmel, Brotreste, Zahnbürsten. Eine braune Nacktschnecke ist in der Kühlschranktür eingeklemmt. Kellerasseln und eine Wespe zerlegen sie.

      Ich durchsuche die Schränke nach benutzbarem Geschirr. Dabei fällt ein Becher auf den Teppich. Er bleibt ganz. Weil er pekig ist, stelle ich ihn zurück.

      „Wenn du was kaputt machst, musst du es beim Auszug bezahlen“, keift Jennifer, schrill und mit kanadischem Akzent. Ihre Haare leuchten karottenrot. Sie sitzt da und spricht gleichzeitig mit mir und dem beigen Telefon. Sie schafft es kaum, ihre dicken Schenkel übereinander zu schlagen. Die Zigarette, an der sie saugt, ist streichholzdünn.

      „Andrew?“ rufe ich, „was ist mit der Waschmaschine los?“

      Da kommt er schon. Barfuß, mit mehligen Waden. Ein Zehnagel ist entzündet. Er hat nichts außer einem neckischen ockerfarbenen Body an.

      „Was ist mit ihr?“ fragt er.

      „Es läuft hier ein Kochwasch-Programm, aber es ist nichts drin.“

      „Ja, sie hat gestunken. Ich habe Bleiche reingekippt“, sagt er und rennt zurück in sein Zimmer.

      In einem alten, roten Sessel sitzt Steven und blättert in Andrews Schwulenmagazinen. Zwischendurch stöhnt er gelangweilt.

      Ich sehe ihn nicht an und sage auch nichts. Aber sein Schweigen ist stärker als meins.

      „Oktavio ist nett. Ist es was Ernstes?“ frage ich also.

      „Weiß noch nicht. Er sieht gut aus“, erwidert er.

      „Wo kommt er her?“

      „Aus Mexiko“, sagt Steven.

      Ich ziehe den Stöpsel aus der Spüle. Das ganze dreckige Geschirr war unter Schaum versteckt. Vielleicht kann ich einen der hellblauen Teller einigermaßen sauber kriegen.

      Am Fenster wird mir kalt. England ist halt nicht Mexiko.

      Steven steht auf und stellt sich dicht hinter mich. Er ist klein und hinkt. Er trägt Militärstiefel. Die offenen Schnürsenkel tanzen mit jedem Schritt durch den Dreck. Was will er jetzt von mir?

      Er beäugt meinen Hals. Dieser fiese Giftzwerg.

      „Du musst noch Miete bezahlen“, zischelt er.

      „Gebe ich dir nächste Woche“, erwidere ich.

      „Spätestens“, sagt er.

      „Kann ich eine Dusche nehmen“, wechselt er das Thema, „oder brauchst du hier unten noch länger heißes Wasser?“ Er geht in den Flur und stellt sich auf die erste Stufe der Treppe.

      „Lena, was ist nun? Kannst du jetzt aufhören? Ich will duschen!“

      „Ich wasche erst das Geschirr, das ich zum Kochen brauche. Bin gleich fertig - okay?“ sage ich gereizt.

      Er schmeißt sich wieder in den Sessel.

      Andrew kommt auch wieder. Er hat jetzt einen langen, grauen Strickrock an. Hastig nimmt er einen Becher mit kaltem Kakao und kippt ihn in die schwarze Mülltüte. Dann reißt er eine neue Packung Instantkakao auf und schmeißt den Karton in die Mülltüte.

      „Wo ist eigentlich der Mülleimer?“ frage ich ihn. Andrew deutet aus dem Fenster. Die Mülleimer liegt auf dem Kopf hinten im Garten.

      „Da waren Maden drin“, sagt Andrew und zieht sich weiter an.

      Da haben wir’s. Aus kleinen Löchern sickert der Kakao. Ich verknote die Tüte und trage sie schnell raus.

      Steven donnert nun die Badezimmertür zu. Lautstark zermalmen seine Stiefel Rasierklingen und leere Shampooflaschen.

      Das Küchenfenster! Ein weiß gestrichenes Stahlgitter. Dann die drei Quadratmeter modriger Garten. Ein Edgar-Alan-Poe-Garten. Die Sonne scheint nie in diesen Teil. Ein totes Stück Land, ein Friedhof und dahinter: das Gegenüber! Ein grünes Küchenfenster. Eine helle Küche. Freundlich. Eine schwarze Frau kocht - einfach. Und dort, das schwarze Mädchen hat ein interessantes Haarteil aufgesteckt - steil nach oben. Sie bewegt sich nicht. Vielleicht unterhalten sie sich angeregt.

      Auf einmal ist alles ruhig. Alles aus Watte. Hat es geschneit? Kann nicht sein. Es regnet doch. Aber es ist kein Wind, kein Geräusch. Nur das Fenster. Schon verschwimmt alles im Kondenswasser.

      Eine Sirene ertönt. Es klingelt an der Haustür. Das Telefon klingelt.

      „Hey Pete, es ist für dich“, schreit Jennifer hoch in den zweiten Stock.

      Die Waschmaschine fängt an zu schleudern. Sie macht einen Satz. Sie bleibt mit einem fiesen Kreischen stehen. Eine feine Rauchfahne verbreitet den Geruch von versengten Kabeln. Kaputt gegangen.

      Andrew hat es gehört und kommt angerannt. Er klatscht wütend in die Hände. Er rennt zum Telefon und versucht den Reparaturdienst anzurufen. Heute ist aber Sonntag und es ist bestimmt schon zu spät. Außerdem ist die Maschine gemietet - die haben ihren eigenen Service - das kann dauern.

      Endlich. Grün. Spinat. Fein. Bloß schnell wieder hoch ins Zimmer!

      Die Kreuzung schnauft. So ist es gut. Kauen - sehen. Achtung, die Sahne fließt an der Gabel runter. Popeye und seine Kraft. Aber Popeye ist langweilig.

      Schon ganz dunkel. Satt und müde.

      Hinlegen? Nein! Die Federkernmatraze. Knarren und Schnarren und Quietschen. Ich habe blaue Flecken.

      Im Kopf ist nicht viel Platz. Wieviel Fläche ergibt es, wenn man alle Köpfe aufspaltet und nebeneinander legt? Wieviel Träume ergibt das? Schlafe ich?

      London. Die Themse. Soho und der Flohmarkt in Camden. Alles ist im Traum. Ich stehe in der U-Bahn. Ich steige aus.

      Ich habe viel Gepäck: einen moosgrünen Koffer, eine schwere Tragetasche, einen schwarzen Rucksack. Ich gehe gekrümmt. Vielleicht ist das Schlüsselbein schon gebrochen. Ich fange ein neues Leben an.

      Ich schwanke mit dem Menschenstrom. An einer Rolltreppe drückt man sich an mir vorbei. Manche berühren mich absichtlich, manche niesen mich an. Große Fahrkarten. Sie stecken harte DIN A4 Karten in eine große Maschine. Chrom. Spiegelungen. Blitze. Flop. Die Fahrkarten kommen wieder heraus. Sperren gehen auf. Sperren gehen zu. Ich gehe zu einem Mann in oranger Leuchtuniform. Er schließt mir eine Extratür auf. Die Station heißt Highbury Islington. Ich schere aus dem Strom aus und werfe alles hin. Dann hebe ich einige Meter vom Boden ab, weil ich nun so leicht bin. Ich sehe bei den Leuten im ersten Stock in die Fenster. Eine

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