Cricketfield Road. Boris Born

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Cricketfield Road - Boris Born

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Noch während es zischt ärgere ich mich, dass ich mich nicht für die Litschis entschieden habe. Vorsichtig biege ich den scharfen Dosendeckel zurück und suche einen Löffel. Dann haue ich mir gegen die Stirn. Klar, die hat alle Steven mit in sein Zimmer genommen. Also nehme ich eine Gabel und esse. Die Ananas ist gelb und schön kühl. Vielleicht etwas zu süß. Die Litschis ... .

      Au! Au! Au! Jetzt hab’ ich mich aber gebissen! Meine arme Zunge. Es blutet und wie es blutet. Das muss ich mir im Spiegel ansehen. Au weiha, die halbe Zunge ab! Nicht ganz! Müsste bestimmt genäht werden. Vielleicht auch nicht. Nein, nein, nein. So ein Pech! Typisch! Es hört einfach nicht auf! Und es tut weh! Es tut höllisch weh! Ist eine Ader getroffen? Nein, nein, halb so wild, wird wieder werden.

      Es dämmert schon! Startschuss für den Berufsverkehr. Lastwagen und Busse wälzen ihr Gewicht über den Asphalt. Es ist obszön! Es ist so obszön! Ich mache kein Licht an. Es ist sowieso hell im Zimmer. Gelb beleuchtetes Rosa. Das ergibt ein dreckiges Violettbraun. Die Scheinwerfer wandern die Wände entlang. Die Autos rauschen wie eine Brandung. Aber diese Brandung ist nicht beruhigend. Diese Brandung ist widernatürlich, sie stört. Sehnsucht Meer. Das Herz pocht in der Zunge. Ganz dick. Abwarten. Bei Bussen zittert es in der Wunde. Wie soll ich dabei schlafen?

      Außerdem! Außerdem? Was ist mit dem 5 Pfund Kerl? Wo bleibt er? Überhaupt, hatte er nicht glasige Augen? Ist er nicht betrunken gewesen? Zu betrunken, um Auto zu fahren? Na, das wär‘ was.

      Große Balken. Riesige Nägel ragen aus den Balken heraus. Ich trage die Balken, wie Jesusdarsteller das Kreuz in amerikanischen Filmen tragen. Ich breche dauernd zusammen, bis ich alle Balken, ungefähr zehn, endlich auf der Kreuzung vor meinem Fenster gestapelt habe. Dann fahren viele Autos in den Balkenberg. Es knallt, Glas splittert, Reifen platzen, Wagen verkeilen sich. Ich winke hinaus und schwenke eine Fahne. Ich stehe am Fenster und lache.

      Eine Autobahn. Ich sitze am Steuer, kuppele, bremse und gebe Gas. Ich verpasse eine Abfahrt. Ich rauche am Steuer eine Zigarette. Der Rauch geht in mein Auge. Er frisst sich tiefer. Das Auge tränt. Ich stehe im Stau. Alle steigen aus und spazieren herum. Dann geht es endlich weiter. Nach ein paar Kilometern ist wieder ein Stau. Mein Auge tränt immer noch. Ein Schneesturm kommt auf. Endlich löst sich auch dieser Stau auf. Ich drücke mit den Fingern auf das Jochbein und die Augenbraue. Das Auge fällt heraus. Es ist ein Glasauge. Ich nehme auch das andere heraus. Es ist auch aus Glas. Ich sehe mich vom Rückspiegel aus an und erschrecke vor meinen Augenhöhlen. Ich steige aus. Der Schnee ist nun meterhoch. Ich kann ihn nicht sehen, aber er ist überall, unter mir, neben mir, über mir. Ich grabe mich durch die kalten Massen.

      Ich fahre mit einem dunkelblauen VW Käfer durch Berlin. Ein alter Schulfreund hat ihn mir geliehen. Ich kuppele dauernd und schalte. Kuppeln und schalten. Kuppeln und schalten. Verkrampft halte ich das Lenkrad, das mir zu groß vorkommt. Ich fahre ganz langsam. Ich krieche kleine Straßen entlang. Ich habe Angst, das Auto zu beschädigen. Ich suche eine Parklücke, die für das Auto groß genug ist. Ich sehe eine, aber ich weiß, dass ich niemals einparken kann, da ich gar nicht Auto fahren kann. Ich fahre weiter. Aber ich kann das Fahren einfach nicht bremsen, da ich gar nicht Auto fahren kann. Dann kann ich nicht lenken, da ich gar nicht Auto fahren kann.

      Wach. Liege wach. Bin es. Zungenweh. Wäre es still, so wäre es in Ordnung. Ohne Lärm wäre alles erotisch. Die Stille würde mich gesund und schön machen. Bremsen. Anfahren. Die Motoren heulen, als hätte man die Seelen hunderter Pferde in sie gepresst. Sie wiehern. Mopeds schluchzen wie Giraffenseelen. Giraffen? Giraffen, das sind schöne Tiere. Giraffen heulen bestimmt herzergreifend, vielleicht wie Mopeds. An der Zimmerdecke wehen graue Reste von Spinnweben.

      Wie konnte ich nur! Wie konnte ich nur diesem Mann 5 Pfund geben? Wieso habe ich Ananas gegessen? Augen zu!

      Der Lärm. Der Lärm. Die Ohren krümmen sich. Sie knicken ab, wie Sonnenblumen im Sturm. Sie winden sich. Sie versuchen der Nacht und dem Tag zu entkommen. Ich liege hier und es ist laut. Ich bin verletzt und es ist laut. Ich halte die Ohren fest. Halte sie zu! Umklammere sie! Schütze sie! Verstopfe sie! Reiße sie ab!

      Ein Schnurrender. Ein Bretternder. Ein Pfeifender. Ein Kaputter. Ein Röhrender. Ein Holpernder. Ein Singender. Ein Balzender. Ein Niesender. Ein Knurrender. Einer mit Ketten im Getriebe. Eine Sirene. Brummen. Summen. Beben. Zittern. Quietschen. Zirpen. Singen. Kreischen. Schreien. Schüsse. Explosionen. Hirsche. Meerschweinchen im Schwitzkasten. Bellende Hunde. Die Straße balzt um sich selbst. Der Asphalt raschelt. Der Asphalt klebt. Der Asphalt macht sie heiß.

      Eine Sekunde. Eine Sekunde. Eine Sekunde.

      Nichts. Elend. Mürbe. Trübe. Reißen. Reißen. Rupfen. Schubsen. Treten. Gewalt. Gewalt. Ich will zerstören. Ich habe kein Auto! Ich habe nicht mal einen Führerschein! Ich will nichts führen. Ich will keine Spur. Ich will nicht dabei sein. Ich folge nicht den Schildern. Ich kenne die Zeichen nicht. Ich kenne keine Regeln, keine Symbole. Aber schon ist ein Fuß ein Symbol und eine Hand ist eine Regel. Ich will nicht dieses lärmende Nichts. Es quält mich. Es reißt mich an sich, als sei ich das Nichts. Aber schon ist ein Bein ein schwarzes Loch und ein Ellbogen ist aus Mondgestein. Dunst. Morgendunst. Wach. Wach liegen. Aufstehen! A u f s t e h e n !

      Die Beine sind stackig, giraffig. Wo ist die Hose? Da. Rotes Sofa. Rotes Sofa. In den Ritzen werde ich alle Dinge finden, die ich verloren habe. Alles werde ich in diesem Sofa verlieren. Frühstücken. Wird nichts. Nicht mit dieser Verletzung. Warum bin ich so früh auf? Kopfschmerzen? Feuer im Mund. Dickes Feuer.

      Die Post! Bestimmt ist das Geld dabei. Ich fahre mit der Hand durch den Briefkastenschlitz.

      Es ist nicht dabei! Bestimmt hat er erst die Frau ins Krankenhaus gebracht, dann war die Geburt und er bringt das Geld im Laufe des Tages. Oder es kommt morgen mit der Post.

      Aus dem Mund kommt nur noch Grunzen. Kein „Hallo“! Kein: „Bitte geben Sie mir ein...“! Kein Mucks! Was mache ich nun?

      Als erstes muss ich mich krank melden. Wie? Am besten schreibe ich kurze Briefe.

       „Dear Mr. Connell. Unfortunaly I had an accident and now I can’t work, because I hurt my tongue... .“

      Nächsten:

      „Dear Gerd, ... .“

      Und:

      „Dear Evelin, ... .“

      In Umschläge damit. Fertig.

      Kassensturz. Ungefähr noch 100 Pfund. Wieviel Instantsuppen sind das? Dieser Unfall wird eine Überlebensfrage. Man bin ich wütend.

      Also muss ich sparen. Die CD von David Bowie und den chinesischen, blauen Minirock werde ich nicht kaufen. Neben dem Bett liegt noch Kleingeld. Ein Pfund 34 Pence. Na ja. Die Miete wird ein Problem.

      Im Fernseher stehen 4 Experten um einen Tisch. Auf ihn sind Bäume und Gras geklebt. Es stellt die Schlacht von Waterloo nach.

      Ein Ex-General erklärt an Zinnfiguren, wie die Schlacht anders verlaufen wäre, wenn... wenn... Die Anderen haben andere Theorien und schimpfen. Sie verrücken die Figuren, eine Reihe fällt um. Kleine Kanonen werden auf einen nahen Hügel geschoben.

      Kriechen, kriechen, kriechen.

      Wenn ich jemals wieder sprechen kann, werde ich alles Unwichtige weglassen. Ja, ich werde auch das Sprechen nur noch sparsam benutzen. Abgemacht? Abgemacht!

      Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gräbt eine Frau einen Vorgarten um. Dann verlegt sie

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