Cricketfield Road. Boris Born

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Cricketfield Road - Boris Born

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Und ich will einfach keinen Krach mehr. Eigentlich sollte ich mir die Trommelfelle durchstoßen. Ich bin den Verrückten in ihren Blechhaufen sowieso schon näher gekommen. Denn ohne Sprache bin ich abgeschnitten, wie sie. Jetzt brauche ich eine Zeichensprache, wie sie. Kommunizieren heißt jetzt Zeichen werfen, wie sie.

      Ist die Zeichensprache eigentlich international oder in jeder Sprache verschieden? Schere.

      Taub ja, aber stumm? Nein, nein, ich will wieder Lärm machen können. Wie alle anderen auch. Und ich will küssen können. Oh, beinahe hätte ich das Küssen vergessen!

      Ab morgen werde ich die englische Taubstummensprache lernen. Instantsuppen sind schrecklich. Isst man eine, isst man zwei oder drei. Dann ist einem übel.

      Im Supermarkt sehe ich mich um. Die Instantsuppen gefallen mir gar nicht. Sie sind voller Konservierungsstoffe. Ich gehe zu den Konserven. Ein Angestellter spioniert hinter einem anderen Angestellten her. Ich stelle ein paar Dosen mit Makrele in den Stahlkorb. Dann gehe ich in die Abteilung, wo auch die Zahncreme ist und entdecke desinfizierende Halspastillen. Ich lese den Beipackzettel und lege sie auch in den Korb. Drei kleine schwarze Gören bewerfen mich an der Kasse mit Bonbons. Dann sieht es die Mutter und verteilt Ohrpfeifen.

      „Lasst ihr das wohl!“ schreit sie dabei. Aber die drei rennen davon und lachen. Sie beschmeißen nun auch andere Leute an den Kassen.

      Endlich wieder zu Hause. Ich gehe kurz rauf zu Pete, aber er ist schlecht gelaunt und schweigt sich aus.

      Im Flimmerkasten kommt „Neighbours at war“. Es geht um eine Frau, die immer nachts die Pflanzen im Vorgarten einer anderen Frau ausreißt. Sie ist tagsüber immer ganz nett und zuvorkommend. Aber Frau A ist ganz pfiffig und lässt eine automatische Kamera auf dem Dach installieren. So gelingt es ihr, die böse Frau B beim Ausreißen zu filmen. Sie ist eifersüchtig auf den Garten von Frau A. Resümee: Kameraüberwachung ist eine gute Sache und auch im privaten Bereich durchaus empfehlenswert.

      Ein kühler Wind. Ich setze meine Mütze auf und gehe schnell.

      Ich überlege, wo der 5 Pfund Mann sein könnte? Vielleicht auf der Graham Road - nein eher in der Hackney Downs Road - auch nicht. Auch nicht.

      Vielleicht ist es noch zu früh? Nein, genau elf, genau wie gestern. Vielleicht bei Mc Donalds. Oder weiter oben bei Abbeys Bank? Nein! Wahrscheinlich ist es aussichtslos. Zwecklos. Ohne Sinn sowieso. Vielleicht in den Kneipen. Railway Tavern – nein, nein, elf Uhr – die haben alle schon zu. Der da hat noch offen. Na, das ist ja erstaunlich. Der macht bestimmt gleich zu. Ich lasse es auf einen Versuch ankommen und überquere die Straße. Gute Musik. Ein bisschen laut vermutlich. Übertönt aber die Riesenkreuzung an der der Pub liegt. Pembury Tavern steht dran. Drei Eingangstüren, alle offen, jede zu einer anderen Straße hin. Die mintgrüne Farbe platzt von den Wänden, draußen wie drinnen, in großen Flatschen. Rotes und blaues Licht - es tanzt gespenstisch und grell um meine Augen. Schweiß und Rauch. Billardtisch, Dartscheibe, Fernseher, 15 Meter lange Theke - alles wie in jedem Pub, nur größer - eine kleine Halle.

      Der 5 Pfund Mann? Nein. Hier sind kaum Leute. Vereinzelte Pärchen hocken in den Ecken. Fast alles Frauen! Eine Lesbenbar. Fest umschlungen tanzen sie zu der ohrenbetäubenden Musik. Manche küssen sich leidenschaftlich. Eine Frau hat ihren Kopf unter die Bluse einer anderen gesteckt.

      Ich gehe an die Bar. Eine männliche, muskulöse Frau mustert mich. Eine rundliche, elegante ignoriert mich. Ich lächele einer stark geschminkten zu.

      Eine Karaokeveranstaltung fängt an. Die Frauen singen abwechselnd zu Popsongs. Auf einem Computer erscheinen die Texte. Eine Kurzsichtige stellt sich mit dem Mikro dicht vor den Bildschirm und singt mit verkniffenen Augen.

      Eine Pause. Spannung. Zittern, Flimmern. Flittern. Eine weiße Frau springt auf die Bühne, sie trägt ein weißes Kleid. Eine schwarze Frau in hautengem, roten Kleid setzt sich auf die Bühnenkante. Sie dreht langsam ihre Beine auf das Podest und steht vorsichtig auf. Gesehen - unter dem Kleid hat sie nur etwas ganz Knappes an. Sie singen ein Duo. Dazu stellen sie sich gegenüber auf und singen sich ihre Parts zu. Die schwarze Frau hat einen Männerpart. Das enge Kleid spannt bei jedem Luft holen.

      Alle anderen Frauen tanzen wild los. Sie pfeifen und schreien. Ein betrunkener Opa steht von seinem Barhocker auf und gibt „standing ovations“. Sein Holzstock fällt dabei hin. Ich hebe ihn auf und halte ihn ihm entgegen. Weil er nicht kapiert hat, dass es eine Lesbenbar ist, will er mich begeistert küssen. Aber ich reiße mich los, wirbele auf die Tanzfläche und hampele unkontrolliert herum.

      Außer Atem und mit starken Schmerzen in der Zunge setze ich mich auf ein biergetränktes, blutrot gepolstertes Höckerchen. An einer Seite quellen seine fusseligen Innereien heraus.

      Auf dem arabischen Tischlein steht eine dunkle Pfütze. Das Bierglas hat einen Fettfilm. Wie das Bier brennt. Es wird schwarz in meinem Kopf. Ich würge, aber das Bier läuft über meine Jacke. Enttäuscht gebe ich das Biertrinken auf.

      Eine Frau mit einem kurzen Röckchen und einem weißen Schürzchen singt ein irisches Lied. Sie singt sehr falsch und grinst mich dabei an. Ich blicke böse zurück.

      Der Opa mit dem Stock und sein Kumpel melden sich am Mischpult für einen Song an. Sie haben ihn ewig aus einem Katalog ausgewählt.

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