Cricketfield Road. Boris Born

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Cricketfield Road - Boris Born

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mich ganz schwer zu machen, damit ich nicht wieder abhebe. Ich möchte mich beeilen. Ich winke einem Taxi. Es hält nicht. Der Fahrer lacht. Ein mattes, blaues Licht blendet mich. Ich verstecke das Gepäck in einem grünen Kasten mit Streusand. Drei Männer sitzen am Fenster eines Pubs und feixen. Sie zeigen mir ihre Brustwarzen.

      Aus der U-Bahn strömen immer mehr Menschen. Wie Viren schwärmen sie aus: zum Bus, in die Geschäfte, zum Geldautomaten an der Bank gegenüber. Sie infizieren alles.

      Endlich hält ein schwarzes Taxi direkt neben mir. Der Fahrer raucht. Während ich das Gepäck einlade, stelle ich mir vor, dass das Taxi ohne mich, aber mit dem Gepäck abfährt.

      Ich setze mich auf das weiche, kühle Leder. An den Scheiben des Taxis hängen große Rauchverbotszeichen. Ich kann kaum hinaussehen. Der Motor knattert im Stau. Der Auspuff fehlt. Ein doppelstöckiger, roter Bus taucht auf. Durch ihn werden Abgase durch die Klimaanlage ins Autoinnere gepumpt. Ich versuche den Atem anzuhalten. Aber es dauert zu lange, ich muss die hellblauen Gase einatmen. Ich bin stoned und versuche durch die Rauchverbotszeichen in die Sonne zu sehen. Aber die Sonne ist über dem Dach. Das Taxameter surrt laut und weckt mich wieder. Der Fahrer biegt nun in eine kleine Seitenstraße. Rechts und links, rechts und links.

      Beim Bezahlen habe ich große Angst, dass der Fahrer mit meinen Taschen davonfährt. Ich bezahle viel zu viel und stoße mir beim Ausladen den Kopf.

      An einem Schiebefenster im ersten Stock steht eine Frau, mit einer schlanken Gießkanne vor roten Blumen. Das Wasser tropft unten aus den Töpfen heraus auf das Fensterbrett der Kellerwohnung. Sie winkt. Ich erkenne sie nun, aber ich weiß ihren Namen nicht mehr. Ihr Mann sieht über ihre Schulter. Er winkt auch. Ich kenne ihn nicht.

      Er hilft mir, den dicken Rucksack durch einen engen Flur ein paar Treppen nach oben zu zwängen. Ich habe hochhackige Schuhe an, die sanft in dem weichen Teppich versinken. Das ist sehr angenehm. Dann sind wir in der Wohnung. Hier breche ich mit jedem Schritt Löcher in den morschen Parkettfußboden. Die Sonne durchflutet die Wohnung. Ich blinzele. Der Mann ist viel zu groß für die kleinen Räume. Ich breche wieder zwei Löcher in das Parkett und bleibe nun lieber stehen. Der Mann stellt meine Sachen hin und setzt sich in einen mintgrün gestrichenen Korbflechtsessel. Seine Zähne bürsten ein Unterlippenbärtchen.

      An den Füßen des Mannes sind braune, spitze Schuhe, die er nach vorne streckt.

      Die Frau kommt zu mir, umarmt und küsst mich auf die Wangen.

      „Willkommen in London, Lena“, sagt sie und strahlt. Aus einer Kompaktstereoanlage kommt argentinische Tangomusik. Das gelbgrüne Hemd des Mannes beißt sich mit dem mintgrünen Sessel. Mit seiner kleinkarierten Hose auch. Die Fenster sind alle hochgeschoben. Autolärm. Kreischende Kinder. In der Mitte des Zimmers steht ein Glastisch. An einer Ecke ist ein Stück Glas abgeplatzt. Auf dem Glastisch steht eine gelbgrüne Vase. Auf der Wasseroberfläche schwimmen pinkrote Glockenblüten, aber nur die Blüten, ohne Stiele. Das Wasser riecht verfault. Ich stehe immer noch bewegungslos da. Ich lächele verlegen. Die kleine metallene Gießkanne macht einen Wasserrand auf das Parkett. Die Frau holt Gläser voll mit Eiswürfeln. Ihre Augen funkeln schwarz und tief. Sie hat schwarze, lange Haare. Ihr pastellblaues Kleid beißt sich mit der Farbe des Korbsessels und mit der des Hemdes. Sie beugt sich zu ihm runter und küsst ihn etwas. Dann krault sie sein Bärtchen. Ihre goldbraunen Füße tragen Birkenstocksandalen. Sie holt eine Flasche mit goldgelbem Orangenwein. Die Eiswürfel knacken entsetzt in der klebrigen Flüssigkeit. Der Geruch von Orangenaroma durchströmt den Raum. Ich ziehe die Schuhe aus, lasse sie in den Löchern stecken.

      „Schön das du jetzt hier bist“, sagt die Frau auf Deutsch mit einem lustigen Akzent.

      „Prost“, erwidere ich und wir nippen an den schweren Gläsern. Der Wein ist quietschig süß.

      In der Küche fängt ein Kessel an zu heulen und der Mann steht auf, um Expressokaffee zu kochen. Es riecht nach ausströmendem Gas.

      Barfuß laufe ich herum. Das Zimmer zum Garten raus ist in grellem Orange gestrichen, auch an der Decke. Durch die Sonne glüht der Raum wie ein Kamin. Auf einer Fensterbank wachsen Sonnenblumen. Die meisten Blüten hat der Wind abgeknickt. Viele kleine Bücher stehen unordentlich auf einem verzinkten Regal.

      Die Frau kommt zu mir und zeigt mir Hochzeitsfotos. Ich bin überrascht, dass sie verheiratet sind.

      Auf dem Foto sind nur die beiden zu sehen. Ein verschnörkeltes, weißes Eisendach - das Standesamt. Er trägt ein zu kleines Jackett und der Bauch hängt etwas über die Hose. Sie hat ein schwarzweißes Kleid an.

      „Die Town Hall ist auf der Rosebery Avenue in Islington“, sagt sie, „es ist nun fast vier Jahre her. Es ist unser großes Geheimnis, wir haben es bisher noch nie jemandem erzählt.“ Sie zeigt mir eine Heiratsurkunde. Ich lese ihre Namen: Monserrat und Kurt.

      Wieder wach. Es ist schon dunkel. 6 Uhr. Druck. Dumpf. Schweiß. Die Lichter der Autos tanzen an der rosa Wand. Gebündelte Geschwindigkeiten. Lichtfluten. Lärmfluten.

      Gehupe. Komisches Fiepen – der Schwarzweißfernseher! Na, komm – gib nicht auf! „Police Kamera Action“ fängt an: Beinahezusammenstöße, eine Frau mit einem Rollstuhl auf der Autobahn und reale Verfolgungsjagden. Dann: „Builders from Hell“. Pfusch auf dem Bau und was für Unfälle passieren können. Alles Unsinn. Das Licht anknipsen? Nein. Alles Unsinn.

      „Pete, laß uns ein Bier trinken gehen“, rufe ich die Treppe hinauf.

      „Ist gut, ich komme gleich runter.“

      Wir trotten die Cricketfield Road entlang. Die Reifenhandlung hat sonntags zu. Das Werkzeug- und Tapetengeschäft, die Post mit nur zwei Schaltern, die Bäckerei mit den schlechtesten Brötchen der Welt haben auch zu.

      Der Friseur, der Makler mit einem Fotokopierservice für vier Pence die Kopie, der karibische Imbiss, der kurdische Schlachter, der Gemüse- und Lebensmittelladen sind offen. Wir grüßen ein paar Leute. Vier Häuser weiter ist eine Autowerkstatt. Drei Häuser daneben der Pub ‘Cricketer’. Die Tür geht schwer. Lärmende Reggaemusik. Drei Jamaikaner spielen Billard.

      Im Fernseher läuft ohne Ton: „Animals in Uniform“ - Polizisten dressieren Hunde für den Einsatz.

      Der jamaikanische Wirt zapft uns ein Lagerbier. Ein alter Mann sitzt am Tresen und liest Zeitung.

      Die deutsche Ehefrau des Wirts stellt das Bier auf ein Handtuch. Ohne Schaum und lauwarm.

      „Wie geht’s“, fragt sie mich auf deutsch.

      „Ach gut“, antworte ich, „viel Arbeit, wie immer.“

      „Was machst du noch mal?“ Sie hat es vergessen!

      „Ich gebe Deutschstunden.“

      „Das ist doch super. Ich muss jetzt weitermachen.“ Sie hat Tränen in den Augen. Ihr Mann trinkt zu viel.

      Wir gehen mit dem Bier an einen Tisch. Wir haben ganz vergessen, dass sonntags Striptease ist.

      Eine blonde Frau tritt aus einem Hinterzimmer und tanzt in einem pinkfarbenen Schürzchen zu einem Lied von Madonna. Am Schluss räkelt sie sich auf dem Billardtisch. Sie spielt mit den Kugeln an sich herum. Die schwarzen Männer, deren Spielkonstellation zerstört ist, sind genervt. Sie telefonieren mit ihrem Handy, bis es vorbei ist.

      Im Fernseher läuft tonlos „Hollyoaks“, eine Teenieseifenoper.

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