Cricketfield Road. Boris Born

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Cricketfield Road - Boris Born

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Luft. Seine Trainingshose und seine Turnschuhe erinnern an den Geruch in Umkleidekabinen.

      Die nächste Stripperin trägt einen Krankenschwesterkittel und weiße Stiefel, die bis hinauf zu den Oberschenkeln gehen. Die Deutsche schlurft mit einem Glas zu jedem Gast und kassiert ein Pfund fürs Ausziehen.

      Ich klingele bei einer Frau mit einem großen Hund. Der Hund springt mich an und beißt mich. Ich verbinde mein Bein und frage, ob ich das Kind füttern darf. Als ich den Löffel zum Mund führe, ist es verhungert. Ich bin zu langsam gewesen.

      Die Frau stößt mich die Kellertreppe hinunter und schließt mich in der Dunkelheit ein. Ich ertaste plastikfurnierte Spanplattenmöbel und Automaten für Strom und Gas, in die man 1 Pfund Stücke werfen muss. Ich habe leider kein Geld. Nach einer Woche schiebt die Frau einen Umschlag durch die Tür. Im Licht des letzten Streichholzes, erkenne ich eine Rechnung von 80 Pfund. Es ist für eine Woche Miete.

      Die Tür ist nun nicht mehr verschlossen. Die Frau nennt mich: „Lodger“. Da ich das Licht nicht mehr gewohnt bin, stolpere ich, als ich in den Garten trete. Im Liegen esse ich einige Brennesseln. Der Hund springt mir ins Genick. Dann rennt er davon. Die Frau kommt in den Garten und gibt mir noch mehr Rechnungen: vom Finanzamt, für die Betriebskosten, für die Hypothek auf dem Haus, für gemietete Haushaltsgeräte, für unterlassene Dienstleistungen wie: kochen, waschen, bügeln und den Hund füttern.

      Nach ein paar Monaten gelingt es mir, die Frau mit überdüngten Karotten zu vergiften. Sie stirbt fast. Ich vergrabe sie noch lebendig im Garten. Hinterher bin ich müde und ihr Ehemann kocht mir einen Tee.

      Am nächsten Tag kaufe mir einen mintgrünen Korbsessel. Den stelle ich in den dunklen Keller und reibe meinen Rücken an der Lehne.

      Ich stehe vorm Spiegel und sehe hinein. Jetzt gerade habe ich gedacht, dass ich davor stehe und hinein sehe. Für einen Augenblick war ich doppelt, für einen Bruchteil einer Sekunde. Das war nicht das erste Mal. Es ist schwer gleichzeitig zu denken und zu sein. Bin ich es, oder sehe ich, was ‘ich’ sein soll? Sehe ich meine Ohren, die Stirn und die Augen? Oder sehe ich spiegelverkehrte Flächen, Licht und Farbe? Der Spiegel weicht alles auf.

      Ich werde darauf achten, nicht gut auszusehen. Nicht aussehen, das wäre phantastisch. Gesehen werden, aber nicht zu viel. Ideal wären flirrende Konturen.

      Was machen Menschen mittags? Was passiert?

      Ein schöner Bus. Jetzt ein Photo. Nicht da. Mit den Augen geknipst. Eine schöne Erinnerung.

      Die Autos werden gequält und sie quälen die Straßen im langen Tross. Das Fenster klappert. Ein kleiner Bus. Ein kleiner Wagen. Ein Motorrad. Ein Kleinbus. Ein Transporter - hellblau. Ein Silberner. Ein Weißer. Einer mit Megabassboxen, die das Haus erzittern lassen.

      Komische Fußgänger: Ein schwarzer Mann mit langen weißen Haaren. Eine Frau in weißem Kleid macht einen Morgenspaziergang mit einem Kind und einem Kinderwagen. Ein Bierbauchmann mit Leiter geht wie ein Bierbauchmann mit Leiter. Auf seiner Brust hat er eine rote Schleife.

      Ein weißer Radfahrer mit grünem Rucksack zwängt sein Rennrad an einem Lastwagen vorbei.

      Der Hackney Schulbus ist leer. Pink-karierte Sitze. Ein Motorroller - silbern, gelbes Nummernschild und ein rotes ‘L’, für ‚Learner‘. Mehr Dahingehende. Frühstückseinkäufer. Ungeputzte Zähne.

      Die Stimme im Radio ist schief.

      Die gelben Nummernschilder sind hinten. Schwarze Nummern. Nummern im Kopf. Nummern am Kopf. Hinaus. Hinaus. Die vorderen Nummernschilder sind weiß.

      Der Dicke schaut der Frau nach. Dem ist das Kind egal, wenn er phantasiert, dann hat sie kein Kind. Aber er würde es in den Schlaf wiegen, wenn es sein müsste.

      Was ist heute? Montag ist immer schlimm, da wollen sie mit gemeinsamer Kraft den Sonntag aufarbeiten. Freitag ist am schrecklichsten, da ist durchgängig Stau. Mittwoch ist alltäglich, gewöhnlich. Und Samstagabend? Da sind die Sensationssüchtigen unterwegs! Da beherrschen die schier unzähligen Einsamen die Straße. Jeder mit einer megabassverstärkten Stereoanlage auf der Rückbank. Techno oder Reggae donnernd. In Fetzen, manchmal länger, je nachdem, wie die Ampel an der nächsten Kreuzung gerade geschaltet ist. Die Ampelschaltung ist die Zeit.

      Jetzt ist wieder Stau. Ein Knoten auf der Kreuzung.

      Alle wieder weg, aber ein neuer Knoten entsteht. Parcel Force in knallrot. Eine Schirmmütze lugt aus dem Seitenfenster. Skeptische Blicke. Gehupe. Also doch Gehupe! Sie hupen also doch! Ach so, der Bus. Stimmt, ein Bus ist rot und hat immer Vorfahrt. So was sollte man bedenken. Fahren Sie Bus und Sie haben Vorfahrt! Blödsinn.

      Ein gelber Strich am Seitenrand. Die Markierungen in der Mitte sind weiß.

      Einer macht die Warnblinkanlage an. Bleibt einfach stehen. Entladen? Will der den grünen Stromkasten abbauen? Nein, er zieht eine Kiste vor. Komische Kiste. Eine Bombe? Wie schön wäre so eine Bombe. Ein kurzer Rums, eher ein lauter Knall, vielleicht verliert man das Leben oder die Trommelfelle oder Schlimmeres. Aber anschließend ist Ruhe. Zumindest für kurze Zeit wäre absolute Stille.

      Stimmt das überhaupt? Sind dann nicht gleich Sirenen zu hören? Kommen nicht gleich Helfer gelaufen, die schreien und rufen? Schreien da nicht sofort Verletzte? Schrecklich! Nein, nein. Weg! So was sollte ich nicht denken.

      Überall Uniformen. Gleichmacher! Smartdress, Schuluniformen, Kindergartenuniformen, Polizei- und Feuerwehruniformen, Imbisskettenangestelltenuniformen, Bauarbeiteruniformen, Glaseruniformen, Sicherheitsbeamtenuniformen. Aber jeder ist trotz seiner Uniform anders. Ich meine die von der selben Sorte. Die meisten Uniformen sind abgeranzt, getragen, haben etwas erlebt, mitgemacht, aber alle haben ein kleines stolzes Detail: ein Wappen, ein Abzeichen, einen persönlichen Anstecker. Waren da nicht Schülerinnen in Knabenuniformen? Waren da nicht Schülerinnen mit wilden Haaren? Es wird getauscht, vermengt, gewurschtelt, geknotet, damit, was gleich machen soll, sich bei genauerem Hinsehen doch unterscheidet. Damit man wieder man selbst ist.

      Zum Beispiel die Uniform eines Conductors, sie ist meist dreckig und eigentlich nicht mehr tragbar. Darin unterscheidet er sich nicht von seinen Kollegen. Aber vielleicht hat er einen hennarot überfärbten weißen Bart, oder einen Turban, oder hat komische Schuhe an, zum Beispiel Klocks, oder ist barfuß, oder hat große Flecken auf der Jacke, oder hat eine viel zu weite graue Hose an.

      Schneller sehen. Schneller sehen. Nur wer schnell genug sieht, ist der Gewinner, der Mobilste, der Automobilste, der Mobilisierteste, der Krieger, der Tramp, der Häuptling in der Asphaltwüste. Selbst der alte Mann raucht am Steuer. Der Taxifahrer winkt, kommuniziert in einer Zeichensprache mit einem anderen Fahrer. Blech- und Glaskästen. Stumme Menschen, taube Menschen, taubstumme Menschen, durch die Fortbewegungskrücke behindert, aber schneller, stärker, mutiger als die anderen, als die kleinen Würmchen, die dazwischen herumhopsen auf ihren Fahrrädern oder zu Fuß. Zu Fuß zählt ja gar nicht. Die gehen ja auf ihren eigenen Wegen, die sind nicht dabei, die sind der Freiwildpark.

      Computercap. Hä?

      Ein Hund alleine, streunt mitten hinüber. Aber der kennt das schon, schaut sich um und huscht im rechten Moment hinüber, läuft weg in eine ruhigere Seitenstraße.

      Reifen quietschen, - fast, fast.

      „Fuck! Fuck!“ schreit einer aus dem Fenster.

      Sprache! Es spricht.

      Wieder

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