Kindsjahre. Sebastian Liebowitz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kindsjahre - Sebastian Liebowitz страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Kindsjahre - Sebastian Liebowitz

Скачать книгу

eine „erschlichene Übergabe unter Vorspiegelung falscher Tatsachen“, denn bis heute ist für diese Transaktion kein Geld geflossen. Neu in einer Gegend zu sein kann eben auch seine Vorteile haben.

      Die niedlichen Häschen mit ihrem flauschigen Fell mussten natürlich erst einmal stundenlang gestreichelt werden. Dann machten wir uns daran, ihnen einen Namen zu geben.

      „Gusti“ für das Männchen und „Gerti“ (nach unserer Tante) für das Weibchen fanden allgemeine Zustimmung. Leider wurde die Zuordnung der Namen etwas dadurch erschwert, dass wir keinen blassen Schimmer hatten, wer von den beiden denn nun das Männchen und das Weibchen war. Eine Unterscheidung nach Geschlechtsmerkmalen wäre zwar theoretisch möglich gewesen, aber ganz im Sinne der Gleichberechtigung verzichteten wir auf diesen erniedrigenden Akt. Schliesslich einigten wir uns darauf, dass das Häschen mit den langen Wimpern das Weibchen sein musste. Ich konnte zwar keinen Unterschied feststellen, meine Schwestern waren sich da aber ganz sicher. Nachdem wir die beiden mit viel Brimborium getauft hatten, verfrachteten wir sie für die Nacht im Stall. Dort hatten sie nun genügend Zeit und Gelegenheit, das zu tun, was, so Mama, Hasen nun mal so tun, nämlich „rammeln wie die Hasen“. Was auch immer das heissen mochte.

      Der nächste Tag hatte kaum gegraut, als wir freudig aus den Betten sprangen und unseren Häschen einen Besuch abstatteten. Diese hatten wenig Freude daran, so früh aus ihren Schlaf gerissen zu werden und knabberten, nachdem sie ein paar Mal kräftig gegähnt hatten, recht unaufgeregt an den mehreren Kilo Grünzeug, die vom Vortag noch übrig waren. Auch sonst gab es wenig Aufregendes zu berichten, denn anstelle süsser Hasenbabies lagen bloss muffige Hasenköttel im Stroh.

      Ernüchterung machte sich breit.

      Wir hatten uns die Kleinviehzucht so ähnlich wie die Hühnerzucht vorgestellt. Die zierten sich schliesslich auch nicht und legten jeden Tag ein Ei, aus dem ratzfatz ein niedliches Küken schlüpfte. Zudem häuften sich die Anzeichen, dass es zwischen den beiden wohl noch nicht so richtig gefunkt hatte. Statt in trauter Zweisamkeit das Grünzeug zu verdrücken, hatte sich nämlich jeder in seine eigene Ecke verzogen und drehte dem anderen dabei seinen behaarten Hintern zu. Sogar unsere Versuche, die Dienstverweigerer mit einem Aphrodisiakum aus saftigen Löwenzahnblättern zu einem Schäferstündchen zu verführen, schlugen fehl. Verzweifelt grübelten wir über weitere Möglichkeiten, unsere Kleinviehzucht in Gang und die beiden, wie es Mama ausgedrückt hatte, zum „Rammeln“ zu bringen.

      Bloss, wie wollte man das anstellen?

      Meine Schwester Karoline, die diesen Vorgang schon einmal bei Kühen beobachtet hatte, konnte hier ihren fachmännischen Rat beisteuern.

      „Ich glaube, dazu muss der Kuhmann.., oder heisst das ‚Küherich‘? Auf jeden Fall muss der von hinten so auf die Kuhfrau draufspringen.“

      Diese Erklärung wollte mich nicht so recht überzeugen.

      „So richtig auf sie draufspringen? Ist das nicht zu schwer für die Kuhfrau?“

      „Schon nicht ganz. So eher schräg, so. Also eher mit dem Vorderteil nur.“

      „Und dann?“

      „Dann gehen sie ein paar Schritte zusammen, der Kuhmann springt wieder runter und gut is.“

      Das klang logisch.

      Ich packte Gusti am Kragen und setzte ihn Gerti auf den Rücken. Die schwenkte kurz ihr dickes Hinterteil und plumps, lag der Tölpel rücklings im Stroh.

      „Ob das wohl reicht?“ wollte Cornelia wissen, während wir Gusti dabei zusahen, wie er sich wieder auf die Füsse rappelte.

      Karoline kratzte sich am Hinterkopf.

      „Ach, ich weiss doch auch nicht. Vielleicht hätte er ein bisschen länger draufbleiben müssen. Setz ihn besser nochmals drauf, sicher ist sicher.“

      Also setzte ich Gusti ein zweites Mal auf Gertis Rücken. Dort hielt er sich tapfer für gut zwei Sekunden, bevor er wieder in das Stroh rutschte. Grad ein Macho war er wohl nicht, der Gusti, was auch daran gelegen haben mag, dass er eigentlich Gerti war und umgekehrt. Nach einigen weiteren Versuchen mit ähnlichem Ergebnis gaben wir auf und zogen uns frustriert ins Haus zurück, wo das karge Frühstück unsere Laune nicht zu heben vermochte.

      Die nächsten zwei Wochen verbrachten wir mit unzähligen Verkuppelungsversuchen, die sich alle als erfolglos herausstellen sollten. Sogar unsere kargen Brotrationen spendeten wir zum Wohle der Fortpflanzung, denn wie sich mittlerweile herausgestellt hatte, waren die beiden keine Kostverächter. Eine deutliche Zunahme des Bauchumfangs der beiden, die wir bereits als Zeichen einer Schwangerschaft deuteten, entpuppte sich bei näherer Untersuchung jedoch nur als Folge einer beginnenden Fettleibigkeit, was für weitere Frustration sorgte. Nach einigen Tagen mit ähnlichem Resultat hielten wir es daher für angebracht, Mama über den enttäuschenden Stand des Projekts „Kleinviehzucht“ zu informieren.

      Diese zeigte sich wenig überrascht.

      „Ja, ihr müsst schon ein wenig Geduld haben“, schob sie unsere Sorgen beiseite. „So eine Hasenzucht baut man sich nicht von einer Woche auf die andere auf. Das kann gut und gern ein paar Monate dauern.“ Sie drückte jedem von uns eine trockene Brotscheibe in die Hand und zeigte auf den Küchentisch, wo eine Kanne Zichorienkaffee bereitstand. „Aber wenn alles gut läuft, dann gibt es schon in ein, zwei Jahren Hasenbraten satt, ihr werdet schon sehen.“

      Hasenbraten.

      Allein der Gedanke daran liess uns das Wasser im Munde zusammenlaufen, während wir mit knurrendem Magen das Brot in den dünnen Zichorienkaffee tunkten. Aber wozu ein paar Monate warten, wenn man die Grundzutat für einen feisten Hasenbraten (oder sogar zwei) quasi schon in Reichweite hatte? Der Reiz der Hasen, die ja doch nichts anderes taten, als den ganzen Tag zu fressen, war längst verflogen. Zudem hatte sich herausgestellt, dass sich die beiden nur ungern streicheln liessen. Im Gegenteil, wenn es irgendeine Gelegenheit gab, unseren Zuwendungen zu entkommen, ergriffen sie die undankbaren Viecher mit Freude und hoppelten sich in Sicherheit. Papa schien ähnliche Gedanken zu hegen. Plötzlich wurde er still, starrte eine Weile in Leere und schnalzte mit der Zunge.

      In dieser Nacht konnten wir unsere Eltern noch lange diskutieren hören. Da sie sich normalerweise bloss anschwiegen, verhiess dies selten Gutes. Wir versuchten vergeblich, den Gesprächsfetzen zu folgen, und es muss wohl bereits um Mitternacht herum gewesen sein, als wir endlich einschliefen.

      Am nächsten Morgen wehte für einmal nicht der Duft von dünnem Zichorienkaffee, sondern der herrliche Duft von gebratenem Fleisch durch das Haus. Und als wir am Mittag vor einer grossen Schüssel Hasenragout sassen, langten wir kräftig zu. Das Ende unserer Kleinviehzucht kam zwar unerwartet schnell, dafür umso schmackhafter, wie auch Papa fand, als er sich gesättigt zurücklehnte und seinen Gürtel lockerte.

      „Also ganz im Ernst, Mama“, sagte er und hob sein Weinglas, um ihr zuzuprosten, „du hast dich wieder mal selbst übertroffen. So ein gutes Hasenragout habe ich selten gegessen.“

      Diese Worte sollten uns noch lange in Erinnerung bleiben.

      Von nun an war nämlich Schmalhans Küchenmeister.

      Plumpsklo-Bouquet

      Unser neues Heim mitten im Wald bot viele Vorteile. Einer davon war, dass man tun und lassen konnte, was man wollte. Unser einziger Nachbar war ein Doktor aus Zürich nebst Ehefrau, die nur an den Wochenenden ihr schmuckes Einfamilienhäuschen bewohnten.

Скачать книгу