Vergeben und Vergessen. Jenny Kutzner
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Читать онлайн книгу Vergeben und Vergessen - Jenny Kutzner страница 7
»Was machst du denn hier?«, schoss es etwas barsch aus ihm heraus und ich musste schmunzeln. Es sah wirklich zu komisch aus, wie dieses 38 Jahre alte Muskelpaket, das die Sonnenbank liebte und fast täglich ins Fitnessstudio ging, mit seiner Lesebrille auf der Nase so dastand und las. Er legte die Zeitung weg und kramte nach etwas in der Schublade unter der Kasse.
»Hab ich dich etwa für die Schicht eingeteilt? Also wenn es so ist, dann tut´s mir echt leid, dass muss ein Fehler gewesen sein. Siehst ja selber, was hier los ist.«
»Ich weiß, ich bin heute zur Abwechslung mal hier, um deinen Umsatz ein bisschen anzukurbeln.« Marti hörte auf zu suchen und schaute mich eine ganze Weile an. Seine fragenden Blicke schienen mich zu durchbohren, als ich mich auf einen der Hocker am Tresen setzte.
»Hattest ´nen scheiß Tag, was?«
»Einen? Ne ganze Reihe!« Als ich mit dem Kellnern anfing, war eines der ersten Dinge, die mir Marti beibrachte, ein Gespür dafür zu entwickeln, wann es angebracht war, sich dem Gast als Gesprächspartner und Hobbytherapeut anzubieten und wann lieber nicht.
»Einen Whiskey Sour für die Dame?!« Ich nahm das Glas in die Hand und setzte es an. Den ersten Schluck nippte ich nur, um mir im zweiten Anlauf das komplette Glas die Kehle hinunterzustürzen. Ich konnte den Whiskey den ganzen Weg, bis hinunter in meinen Bauch, spüren. Kaum dort angekommen, schoss er mir in den Kopf, aber irgendwie genoss ich auch diese Wärme in mir. Es fühlte sich gut an und ich wollte mehr.
»Hey Marti, machst du mir noch so einen?«
Marti sah auf einmal besorgt aus. Ich kannte den Ausdruck auf seinem Gesicht von Peter und ich hoffte, dass er mir einfach nur meinen Drink bringen würde, doch ich wurde enttäuscht.
»Also, ähm...wenn du darüber...«
Mein Blick schien zu genügen und er sprach nicht weiter. Ich nahm ihm das neue Glas aus der Hand und überlegte, ob ich mich an einen der leeren Tische am Fenster setzen sollte – für den Fall, dass Marti weitere Fragen stellte. Doch ich blieb wo ich war. Ich genoss die Stille und meinen immer höher werdenden Promillewert und spielte immer und immer wieder das anstehende Gespräch mit Peter in Gedanken durch. Mir wurde klar dass, egal wie ich es ihm beibringen würde, es zwangsläufig in einer Katastrophe enden würde. Ich wollte gerade Marti rufen, um meine Rechnung zu bezahlen, als das Glöckchen über der Tür anfing einen Besucher anzukündigen. Aus Reflex drehte ich mich um.
In der Tür stand ein Mann. Er war groß und hatte braunes, mittellanges Haar, das ihm vom Regen nass im Gesicht klebte. Er schien einige Zeit draußen gewesen zu sein, denn sein Mantel fing an kleine dunkle Pfützen auf dem Holzboden zu hinterlassen. Als mir bewusst wurde, dass ich ihn anstarrte, drehte ich mich abrupt wieder weg. Marti, von der Glocke aus dem Kämmerchen gelockt, schaute den neuen Gast argwöhnisch an, als er sich mit zwei Hockern Abstand zu mir an die Bar setzte. Er zog seinen Mantel aus und legte ihn neben sich. Für diese Jahreszeit trug er ein viel zu dünnes Sweatshirt, das an den Schultern ebenfalls schon durchnässt war.
»Was darf´s denn sein?«
»Wodka!«
Marti holte ein Glas und eine Wodkaflasche aus dem Regal und goss dem neuen, wortkargen Gast ein. Er wollte gerade die Flasche zurückstellen und wieder in seine Kammer gehen, als sich der Fremde noch einmal zu Wort meldete.
»Noch einen!«
»Wie wär´s denn mal mit „Bitte“!«, brummte Marti halblaut in sich hinein.
»Noch einen...BITTE!«
Es war sonst nicht Martis Art sich wegen fehlender Umgangsformen aufzuregen, aber es war halt einer dieser Tage, an dem er auch wohl besser im Bett geblieben wäre. Marti schenkte ihm nach, blieb aber diesmal mit der geöffneten Flasche vor ihm stehen und wartete. Der Fremde trank auch das zweite Glas in einem Zug leer und Marti schenkte ein weiteres Mal nach, um die Flasche dann neben ihm stehenzulassen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ Marti wieder den Raum. Ich spürte, wie ich nervös wurde und rief nach Marti, um mir nachschenken zu lassen, aber nichts rührte sich. Also beschloss ich, mir meinen Drink selbst zu machen. Eine ganze Weile blieben der Fremde und ich schweigend nebeneinander sitzen. Nachdem er das fünfte oder sechste Glas geleert hatte, unterbrach er die Stille mit einem frustrierten Seufzen. Er rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und strich sich die noch immer nassen Haare zurück.
»Warum ist dieser Mistkerl nur so verdammt stur?!«
Ich wollte etwas darauf erwidern, doch stattdessen starrte ich ihn wieder nur an, bis sich unsere Blicke trafen. »Oh Gott, bitte entschuldige! Ich wollte dir keine Angst machen!«
Ich wollte ihm antworten, aber als ich ihn anschaute, fing er an zu lächeln und mir blieben die Worte im Halse stecken.
»Ich heiße John.« Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich zögerte einen Augenblick und stellte mir vor, wie sie sich wohl anfühlen würde. Ich beschloss es herauszufinden und legte meine Hand in seine.
»Hannah.«
Es fühlte sich wirklich gut an, sein Griff war fest und warm.
»Freut mich dich kennen zu lernen...Hannah!«
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor und ich betete, dass dieser Moment nie zu Ende gehen würde.
Doch dann löste sich sein Griff. Er stand auf, doch nur, um den Abstand zwischen uns zu verringern und setzte sich auf den Hocker direkt neben mir.
»Was tust du denn hier?«
»Arbeiten.«
Er schaute mich verwundert an.
»Wenn du das Arbeiten nennst... OK!«
»Also, normalerweise meine ich. Nicht jetzt. Heute trinke ich nur.« Ich kam mir blöd vor, wie ich da so rumstotterte.
»Ja, das erklärt dann auch die Erstürmung der Theke.« Kleine Fältchen umspielten seine Augen, als er lächelte und ich spürte, wie ich mich langsam entspannte.
»Und wer oder was hat dich dann heute zum Trinken gebracht?«
»Mein Mann.« Hörte ich mich sagen und wollte es sofort wieder zurücknehmen. Ich hatte eigentlich gerade überhaupt keine Lust mehr über meine Probleme mit Peter zu reden. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht einmal, dass John wusste, dass ich verheiratet bin.
»Hör zu John, sei mir nicht böse, aber ich will wirklich nicht darüber reden!«
Sein Lächeln erlosch und er wandte sich wieder seinem Glas zu. Vielleicht war es besser so. Ich würde austrinken und morgen mit Peter reden.
»Dann muss ich deinem Mann wohl dankbar sein.«
»Wie