Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

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Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe - Peter Urban

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er dem erschöpften Tier Sattel und Zaumzeug abnahm, rannte er zum Wohnhaus der Halls, klopfte dreimal an die Tür, die von der Veranda zu Miss Charlottes Zimmer führte, und eilte dann in den Stall zurück. Währenddessen hatte sich der Kommandeur des 33. Regiments in einen nicht besonders auffälligen Einheimischen verwandelt, seine rote Uniform samt Waffe ins Stroh geworfen und zwei gesattelte, durchschnittliche Pferde in den Hof geführt. Bereits eine halbe Stunde später überquerten zwei Reiter die Brücke über den Hoogley und bahnten sich ihren Weg durch die überfüllten Straßen von Howrah in Richtung Kaschmir-Serai.

      Charlotte fand das neue Spiel sehr aufregend. Arthur fand es anstrengend, denn er schaffte es nicht, einem Tag mehr als vierundzwanzig Stunden abzuringen. Als er sich in die bunt bestickten Kissen im Salon von Lutuf Ullah fallen ließ und sich unter dem aufmerksamen Blick einer bis über die Nase verschleierten Frau mit den Fingern eine große Portion Reis und fettes Lammfleisch – »rogan josh« – in einen »chappatti« legte, entfuhr es ihm auf Hindustani: »Dem Himmel sei Dank für das gastliche Haus meines geschätzten Freundes Lutuf und die nahrhafte Küche seiner Sahibaa Huneefa! Nie ist mir ein köstlicheres Mahl serviert worden als hier unter deinem Dach, und glücklich ist der Mann, der dich zum Weib hat!«

      Lutufs Hauptfrau errötete leicht unter ihrem Schleier. Der junge britische Offizier hatte zwar einen grauenhaften Akzent, aber sie hatte ihn nun schon so oft Hindustani sprechen hören, dass sie ihn trotz seiner holperigen Aussprache ausgezeichnet verstand. Charlotte lachte schallend, und der Kabuli brummte gerührt: »Wesley-Sahib lernt schnell. Hör ihn dir an, Weib! Wenn er nicht mein Freund wäre, würde ich ihn für dieses unziemliche Schäkern mit der Sahibaa eines strenggläubigen Muslims erschlagen. Schließlich bin ich ein >hadji<, der den Weg nach Mekka schon zweimal gemacht hat.«

      Huneefa verschwand kichernd hinter den Vorhängen ihrer Küche. Charlotte kreuzte die Beine und bediente sich nun gleichfalls aus der großen Kupferschüssel. »Haan! – Du hast Recht, Lutuf! Er lernt schnell. Wenn wir uns ein bisschen Mühe geben, machen wir aus diesem >gorah-log< noch einen echten >pahari<.«

      Während Arthur sich seinen leeren Magen mit mehreren großen Portionen Hammelfleisch und Reis füllte und dazu Tasse um Tasse starken Kaffee trank, berichteten der Pferdehändler aus Kabul und Charlotte von der erfolgreichen Entsendung Rajendrah Singhs nach Penang. »Und du kannst mir glauben, Wesley-Sahib. Dieser Mann ist so geschwätzig, dass die Gerüchte eures bevorstehenden Angriffs bis zu den >heresi< nach Paris durchdringen werden, falls die Schiffe der Spanier schnell genug segeln, bevor der Monsun einsetzt.«

      »Das wäre phantastisch, mein Freund. Aber so weit müssen die falschen Informationen gar nicht vordringen. Mir reicht es schon, wenn die Spanier davon überzeugt sind, dass wir Truppen von Osten her anlanden und dass nur Schiffe aus Kalkutta gegen Penang in See stechen ... Sag mal, warum nennt ihr die Franzosen >heresi<?«

      Der alte Kabuli wischte sich die fettigen Finger an seinem Kaftan ab und rülpste genüsslich. Er war mit dem Mahl zufrieden, das Huneefa zubereitet hatte, und die Frage, die sein britischer Gast ihm gestellt hatte, gefiel ihm, denn er erzählte leidenschaftlich gerne von seinen weiten Reisen über den Subkontinent. Das Interesse an den »heresi«, den Franzosen, gab ihm nun Gelegenheit, von einem Winter im Maharastra zu berichten.

      »Wesley-Sahib, was weißt du über den Süden?« leitete er seine Erzählung mit einer rhetorischen Frage ein.

      Charlotte bediente sich genüsslich von einem silbernen Teller mit »gulab jamun«, »sandesh« und »gajar ka halwa«. Sie kannte die Geschichte, doch ihr war es lieber, dass der Kommandeur des 33. Regiments sie aus dem Munde von Lutuf Ullah vernahm. Es fiel ihr schwer einzuschätzen, ob die Trikolore über dem Palast des Sultans von Mysore eine Bedeutung für Britisch-Indien hatte.

      Lutuf Ullah streckte sich bequem in seinen weichen Kissen aus und rülpste noch einmal. Für Wesley war dieses Verhalten befremdlich, für Huneefa, die Hauptfrau des Kabuli, ein Ausdruck äußerster Zufriedenheit mit einem opulenten Abendmahl und zugleich ein Befehl, ihrem Herrn und seinen Gästen eine weitere Kanne mit Kaffee zu servieren. Hinter den Teppichen, die ihre Küche vom Wohnraum abtrennten, huschte sie diensteifrig hervor. Zuerst schenkte sie ihrem Gemahl aus einer schlanken, hohen Kupferkanne das heiße, aromatische Getränk ein. Dann bediente sie die beiden Gäste.

      »Gesell dich ein wenig zu uns, Weib!« knurrte Lutuf ihr freundlich zu. Seine Hand wies auf ein Kissen hinter Charlotte. Obwohl der Kabuli seine Frau liebte und achtete, musste sie – nach den Gesetzen seiner strengen Religion – doch an ihrem Platz bleiben. Und der war weit hinten, außerhalb des Sichtfelds der Geladenen.

      Charlotte dagegen war eine Mamsahib, eine weiße Frau. Darum galten für die Tochter des höchsten britischen Justizbeamten in Indien andere Spielregeln. Lutuf hatte während seiner Jugendjahre als Geisel von Warren Hastings viel über die »firanguis« – die Europäer – gelernt. Auf ein Zeichen des Pferdehändlers schenkte seine Frau sich ebenfalls Kaffee ein, und ein anderes, tief verschleiertes Geschöpf brachte ihr demütig und mit gesenktem Haupt einen kleinen Teller voller orientalischer Süßigkeiten.

      Als seine erwartungsvollen Zuhörer gut versorgt und die junge Nebenfrau wieder in der Küche verschwunden war, begann der Paschtune zu erzählen. Charlotte kannte ihn gut. Sie wusste, dass es eine lange Nacht werden würde, denn vor den aktuellen Ereignissen, die den Süden erschütterten, würde Wesley eine ausführliche Exkursion in die Geschichte des Maharastra über sich ergehen lassen müssen.

      »Ah, meine Freunde! Ich führte ein unbeschwertes und leichtes Leben zwischen den Bergen meiner Heimat und den endlosen grünen Ebenen dieses Landes. Meine Jahre in Kalkutta, während ich die Gastfreundschaft des großen Hastings-Sahib genießen durfte – möge Allah sich seiner Seele annehmen, er war ein tapferer Krieger –, hatten mir eine zufriedene und treue Kundschaft unter den >pardesi< geschaffen. Ich brachte meine Pferde auf den Markt von Bhawanipur und anschließend, nach einer weiten Reise durch Orissa und den Karnataka, auf den Pferdemarkt von Chennai im Süden. Mit jedem Handelsunternehmen wurde ich reicher und angesehener. Immer wenn ich von meinen Abenteuern nach Hause zurückkehrte, stellte ich erfreut fest, dass mein Weib Huneefa mir wieder einen gesunden Sohn geschenkt hatte. Eines Tages beschloss ich, mein Weib an einer meiner Reisen nach Chennai teilhaben zu lassen. Also verbrachten wir, nachdem ich – Allah ist gütig – einhundert Pferde verkauft hatte, ruhige, beschauliche Tage in Fort St. George. Huneefa besuchte die Märkte der Stadt und kaufte feine Seidenstoffe und duftendes Santal ein. Ich selbst trank zufrieden Tee mit meinen Freunden, und wir unterhielten uns lange und ausführlich über die Geschäfte des vergangenen Jahres.« Er hielt kurz inne und seufzte.

      »Genau in diese guten Tage an der Küste des heißen Meeres, das man auch den Golf von Oman nennt, fiel eine erschütternde Neuigkeit: Hyder Ali, der Herrscher von Mysore, ließ seine raubenden und plündernden Horden wieder auf den Karnataka los. Bis an die Zähne bewaffnet, unbeugsam und unbesiegt, bedrohten seine Maisuri-Krieger nicht nur das Landesinnere, sondern auch die Küste und Chennai – Fort St. George!«

      Lutuf trank einen großen Schluck Kaffee und stopfte sich »lukkum« in den bärtigen Mund. »Schreckliche Tage erwarteten uns alle! Oh, ich muss es gestehen! Hyder Ali war ein großer Mann – tapfer, wagemutig und ohne Furcht. Ein wahrer Herrscher, den die >heresi< sich zum Freund und Verbündeten gemacht hatten. Der Sultan von Mysore verfolgte einen alten Traum seines Volkes: das Land unter einer Hand zu einen und wieder so stark zu machen wie in den glorreichen Tagen der Moguln ... Die >heresi< aber verfolgten einen anderen Traum – Indien und insbesondere den reichen Süden des Landes den >inglis< zu entreißen und wieder jene Vorherrschaft zu erringen, die Clive-Sahib ihnen so grausam entrissen hatte. Für die >heresi< war

      Hyder Ali nur eine Schachfigur in ihrem neuen großen Spiel gegen die >inglis<. Mit jedem Schlag der Trommeln und Zimbeln kam der Schatten des Krieges näher und näher. Bald schon konnte man in Chennai am fernen Horizont den Rauch brennender

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