Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe. Peter Urban

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe - Peter Urban страница 28

Автор:
Серия:
Издательство:
Marattha König Zweier Welten Gesamtausgabe - Peter Urban

Скачать книгу

»Kleine Lady, natürlich ist es zynisch, was ich dir gerade erzähle, und es gab eine Zeit in meinem Leben, da war ich verbittert und enttäuscht und habe hinter jedem Baum und jedem Strauch einen üblen Menschen vermutet, der mir Böses wollte. Was den Zynismus betrifft, hast du zwar immer noch recht, aber alles andere ... das ist vorbei, das legt sich, wenn man ein bisschen älter wird, ab und zu über den Zaun sieht und feststellt, dass nicht alles so furchtbar düster ist, wie man es sich einbildet.«

      »Was hast du dann getan?« erkundigte Charlotte sich interessiert. Wesley hatte das Gefühl, dass es eine gute Sache gewesen war, einen Teil seines gewohnten Schutzpanzers abzulegen und ein paar Karten offen auf den Tisch zu legen. Vielleicht würden seine Ehrlichkeit und Offenheit Charlotte davor bewahren, auf die schmerzhafte Art und Weise erwachsen zu werden.

      »Ich habe versucht, meinen Kopf zum Denken zu benutzen und nicht nur, um einen Zweispitz durch die Gegend zu tragen. Dein Vater hat gestern Abend etwas sehr Kluges gesagt, über das Rad des Lebens, an dem man selbst nur fleißig drehen muss ... Ich hab mich gewehrt, hab nicht mehr alles ergeben hingenommen und bin zu der Einsicht gelangt, dass man nur vernünftig an alles herangehen muss, dann erledigen die Probleme sich irgendwann von selbst.«

      »Ist das wirklich so, Arthur?«

      »Ja! Ein Teil deines Ärgers und deiner Sorgen verschwindet. Glaub mir, kleine Lady. Sicher, manche Dinge sind zäh und nur schwer zu bekämpfen, aber irgendwann sieht man kleine Fortschritte und hat das Gefühl, dass sich mit der Zeit und mit ein wenig gutem Willen auch hier alles einrenken lässt ... Und dann gibt es immer wieder mal ein kleines Wunder, bei dem man viel von seinem verlorenen Glauben zurückgewinnt oder die Niederlagen und Enttäuschungen vergisst, die einem trotzdem noch begegnen ...«

      »Bist du sicher?« fragte Charlotte in einer Mischung aus Misstrauen und Hoffnung.

      Der junge Offizier zog die Knie unters Kinn und grinste das Mädchen an. »Was dich betrifft, kleine Charlotte? Ja, hundert Prozent. Was mich betrifft? Vielleicht, vielleicht auch nicht.«

      »Warum?«

      »Hör mal, für eine durchwachte Nacht reicht es jetzt, sonst erschlägt dein Vater mich noch, weil er seine Tochter im Bett eines fast unbekleideten Mannes findet. Lasse uns ein andermal weiterreden und verschwinde brav zurück in dein Zimmer.«

      Folgsam erhob Charlotte sich von der Bettkante und ging zur Tür, die auf die Veranda führte. Als sie fast schon im Freien war, drehte sie sich noch einmal um. »Versprich mir, dass du Papa um Erlaubnis fragst.« »Ich verspreche es. Du hast mich überzeugt«, erwiderte der Kommandeur des 33. Infanterieregiments Seiner Majestät.

      Kapitel 6 Zu fernen Ufern

      Es geschah genauso, wie Sir Edwin Hall es angekündigt hatte: Der britische Generalgouverneur in Kalkutta, Sir John Shore, befahl Oberst Wesley an einem Sonntag dringlich nach Fort William. Das Gespräch fand nicht, wie ansonsten üblich, unter vier Augen statt: Arthur stand vor sechs Männern – den sechs wichtigsten Männern in Britisch-Indien. Nach einigen sehr förmlichen einleitenden Worten des Generalgouverneurs nahm Arthur seine Befehle in Empfang. Er hatte nicht nur in der Sache des Nachrichtendienstes gesiegt, er hatte die Gentlemen auch von seinen Vorschlägen überzeugt, was die Artillerie betraf. Vor allem aber hatten sie seinem Plan für einen Militärschlag gegen Spanisch-Manila zugestimmt.

      Es war so viel auf einmal, dass dem jungen Offizier schwindlig wurde. Nur mit äußerster Selbstbeherrschung gelang es ihm, auf butterweichen Knien weiter vor den sechs Männern strammzustehen und mit ernstem Gesichtsausdruck zu erklären, dass er seine Befehle verstanden hatte und genau auszuführen gedachte.

      Als man Wesley aus dem Amtszimmer des Generalgouverneurs entließ, musste er sich erst einmal für ein paar Minuten in eine ruhige Ecke setzen, um seine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es war eine gewaltige Verantwortung, die innerhalb der kurzen Zeitspanne von nur fünfzehn Minuten – so lange hatte die Audienz bei Sir John gedauert – in seine Hände gelegt worden war. Das letzte Papier, das sie ihm feierlich überreicht hatten, war der Marschbefehl für Penang.

      Er ritt im Schritt und am langen Zügel zurück zu den Kasernen seines Regiments. Als die beiden Wachposten ihren Kommandeur begrüßten, konnte dieser in der Ferne bereits ausmachen, wie seine Männer exerzierten. Auch am Tag des Herrn gab Wesley ihnen nicht frei: Er selbst hatte nichts mit Gott im Sinn, und was seine Soldaten betraf, war er davon überzeugt, dass eine ordentliche Ausbildung ihnen auf dem Schlachtfeld mehr helfen würde als alle Stoßgebete.

      Er lenkte sein Pferd auf die lange Reihe im roten Rock zu. Als Sir John Sherbrooke den Freund bemerkte, befahl er laut: »Habt Acht! Der Kommandeur!«

      In einer einzigen Bewegung schlugen die Männer die Hacken zusammen und präsentierten die Gewehre. Arthur zügelte seinen Goldfuchs. Lange betrachtete er seine Soldaten schweigend. Die Männer verharrten regungslos. »Rühren!« befahl er ihnen leise. West, Shee, Sherbrooke und die anderen Offiziere mussten sich meist mit lauten Worten Aufmerksamkeit verschaffen. Arthur konnte flüstern – die Männer gehorchten.

      Jeder von ihnen hatte mehr als drei Dienstjahre im 33. Infanterieregiment hinter sich. Jeder erinnerte sich bis ins kleinste Detail an den grauenhaften Flandernfeldzug und daran, wie ein dreiundzwanzigjähriger Junge mit silbernen Schulterstücken sie wieder nach Hause geführt hatte: über die Weser, die Alle und die Ems, über die eisigen, verschneiten Ebenen Hollands, durch die feindlichen Linien hindurch, auf die Schanzen von Boxtel und schließlich in den rettenden Hafen von Ostende.

      Den Divisionskommandeur von Wesleys Brigade hatten die Männer während all der Schrecken nicht ein einziges Mal gesehen. Er hatte sich nicht darum gesorgt, ob sie aßen oder verhungerten, ob man für die Verletzten sorgte oder ob sie krepierten. Er hatte es nicht einmal für nötig befunden, sich darum zu kümmern, dass die Männer bis nach Ostende und lebend zurück nach England kamen. Nachdem man Frederick Augustus, Herzog von York und Albany, gemeldet hatte, dass der Tross und das Gepäck des Generalstabes in Sicherheit waren, hatte der Oberkommandierende sich erleichtert von seinem unglückseligen Kriegsschauplatz verabschiedet. Der dreiundzwanzigjährige Junge im roten Rock aber hatte die Männer nicht im Stich gelassen.

      Als sie krank und halb tot vor Hunger nach Irland zurückkehrten, stellte sich heraus, dass das 33. Infanterieregiment das Regiment mit den geringsten Verlusten war – und eines der wenigen, das mit einem kleinen Sieg nach Hause kam. Vor dem Flandernfeldzug hatten die meisten der rauen Gesellen im roten Rock den Jungen mit den silbernen Schulterstücken nicht ernst genommen: Ein feiner Herr, der ein bisschen Soldat spielen wollte. Doch seit dem Flandernfeldzug verehrten sie ihren Obersten. Sie wussten, dass dieser feine Herr aus gutem Hause ein wahrer Soldat war und die Seele eines Kriegers besaß. Er hatte Not und Elend, Kälte und Hunger mit seinen Leuten geteilt. Nie hatte er sich selbst mehr zugestanden als ihnen. Oft hatte er den Schwächeren von dem Wenigen gegeben, das er selbst besaß – ohne Rücksicht auf den Rang. Heute waren die Männer des 33. Regiments bereit, Oberst Wesley durch die Hölle zu folgen, falls er es von ihnen verlangte.

      Der Goldfuchs stand vollkommen regungslos, als Arthur den Marschbefehl nach Penang aus der Tasche zog. Mit ruhiger Stimme verlas er den Mannschaften und Offizieren, was sie in Kürze erwartete. »Ich weiß, dass ihr mich nicht enttäuschen werdet, Männer!« beendete er seine Ansprache – die längste, die Oberst Arthur Wesley vor seinem Regiment je gehalten hatte.

      Genauso langsam, wie er zu seinen Männern geritten war, ritt er nun wieder fort. Erst als er aus dem Blickfeld seiner Rotröcke verschwunden war, ging ein Murmeln und Raunen durch die langen Reihen. »Maul halten!« herrschte Major John Shee seine Kompanien an. »Ich bitte Sie, meine Herren!« versuchte Francis West, die Aufmerksamkeit seiner Soldaten zurückzuerobern.

Скачать книгу