Club Suizid. Jo Thun
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Читать онлайн книгу Club Suizid - Jo Thun страница 8
Etwas später stand sie am Gepäckband schräg gegenüber und winkte mir zu. Mein Nachbar stand neben mir, als ob er zu mir gehörte. Etwas spät, um anhänglich zu werden. Ich drehte ihm den Rücken zu und war froh, dass mein Koffer zuerst ankam. Leider holte er mich dann an der Zollschlange wieder ein und wir kamen dann mehr oder weniger gleichzeitig in der Empfangszone an. Ich blieb etwas ratlos stehen und versuchte mich zu orientieren. Da bemerkte ich, dass eine extrem attraktive, schick angezogene Frau mit langen, lockigen, rotbraunen Haaren direkt auf mich zusteuerte und mir ihre Hand entgegen streckte. Was war das jetzt? Gab es Liebe auf den ersten Blick? Hatte sie mich gesehen und gleich gewusst, dass ich der war, auf den sie schon immer gewartet hatte?
„Herr Matzat? Ich bin Frau Köhler vom Konsulat.“
Ich war so entzückt über ihre herzliche Art, da machte es auch nichts, dass sie meinen Namen ganz falsch aussprach. Ich nickte dankbar, und Frau Köhler nahm gleich noch ihre andere Hand und hielt jetzt die meine in ihren beiden.
„Mein herzliches Beileid! Es tut mir so leid. Ich schlage vor, wir fahren direkt in Ihr Hotel, es sei denn, sie wollen die Identifizierung Ihrer Frau gleich jetzt vornehmen. Ich richte mich da ganz nach Ihnen.“
Ich hörte nur, dass Frau Köhler sich ganz nach mir richten und am liebsten direkt mit mir ins Hotel fahren wollte! Ja, das wollte ich auch! Von hinten näherte sich eine Stimme und sagte: „Gab es denn noch eine Tote bei dem Unfall?“ Es war Herr Griesgram, den ich, wie ich langsam zu begreifen begann, doch lieber Herrn Todtraurig hätte nennen sollen.
„Ja, also, ich heiße Mattheus. Und ich wollte eigentlich nach Copa Caba weiterfliegen.“ Frau Köhler ließ meine Hand los und wandte sich, nachdem sie mir einen bedauernden Blick zugeworfen hatte, an den richtigen Herrn Matzat. Ich schlich mich davon. Wie hatte ich auch nur eine Sekunde lang glauben könne, Frau Köhler interessierte sich für mich? Als ich endlich die Information fand, stand da schon jemand, den ich kannte: die Frau mit den Bananen. Anscheinend hatte sie sich nach einem Flug erkundigt, denn die Dame hinter dem Fenster sagte in schönstem Barbados-Englisch: The flight to Copa Caba leaves at 3:30 from gate 8.“
Damit war meine Entscheidung gefallen, ich würde nach Copa Caba fliegen!
Kapitel 8
Wir hatten noch über drei Stunden Zeit und beschlossen, gemeinsam etwas essen zu gehen. Es standen Hamburger zur Auswahl oder karibische Delikatessen. Natürlich wählte meine neue Bekannte die karibischen Delikatessen. Sie bestellte gegrillten Flying Fish, ich nahm Schwarzbauchlamm mit gebratenem Maniok. Dazu nahmen wir beide einen Caipirinha. Inzwischen hatte ich auch ihren Namen erfahren: Rana. Aber ich hatte noch nicht gefragt, was genau sie in Copa Caba tun wollte. Sie hatte mich auch noch nicht gefragt, womit ich mein Geld verdiente. Das gefiel mir. Diese Frage war mir immer peinlich, dabei hätte ich doch einfach sagen können: Unternehmer. Oder Geschäftsinhaber. Aber das klang so angeberisch.
„So, Rana, was ist das für ein Name?“
„Hey, das war ein Rekord. Immerhin 40 Minuten, bis die Frage kam. Die meisten Leute warten nicht so lange.“
„Ach so, na ja, ist auch egal, musst du mir nicht erzählen.“
„Nein, ich habe kein Problem damit. Ist ein arabischer Name, bedeutet Die Liebliche, Schöne.“
„Aha, dann passt’s ja.“
„Und, weitere Fragen?“
„Ne, ne, keine weiteren Fragen.“
„Ich erzähl’s dir trotzdem, du willst es ja wissen. Vater Deutscher, Mutter aus Syrien. Okay?“
„Erzählst du mir alles, was ich wissen will? Dann hätte ich doch noch ein paar Fragen: Geburtsjahr, Ausbildung, Beruf, Notendurchschnitt, Geschwister, Familienstand, Anzahl der Beziehungen, Hobbys, Krankheiten. Und was sonst noch wichtig ist.“
„Schön, aber das erzähl ich dann erst im Flugzeug, dann vergeht die Zeit schneller.“
Dazu kam es dann aber nicht, denn das kleine Propellerflugzeug bewegte sich in der Luft wie eine betrunkene Möwe: hoch und runter, stotternd, schaukelnd und spuckend. Es dauerte nicht lange, da spuckte ich auch. Ich klammerte mich mit der einen Hand an meine Armlehne, mit der anderen musste ich die Kotztüte festhalten. Bei einer besonders heftigen Ruckelbewegung beschloss ich, dass ich, sollte ich wider Erwarten in Copa Caba landen, auf jeden Fall das Angebot der Klinik annehmen würde, nur damit ich nie wieder in ein Flugzeug steigen musste.
Der Gedanke, dass dies mein letzter Flug sein würde, tröstete mich ein wenig. Nach einiger Zeit hatte der Pilot sein Gefährt auch wieder besser im Griff und ich klebte die Tüte zu und stellte sie auf den Boden. Glücklicherweise hatte ich eine Flasche Wasser gekauft, die die barbadischen Sicherheitsbeamten nicht konfisziert hatten. Es schmeckte merkwürdig süß, aber das hatte wohl eher mit dem schlechten Geschmack in meinem Mund zu tun.
Rana sah mich mitleidig an und bot mir einen Zwieback an.
„Das ist ein Grund, mich sofort in dich zu verlieben!“ dachte ich, sagte es aber nicht. Stattdessen fragte ich nur: „Was ist denn sonst noch in deiner Tasche, Mary Poppins?“
Sie lächelte: „Notfallration, falls wir irgendwo bruchlanden müssen, ein aufblasbares Boot, Ein-Mann-Zelt, Regencape, Stricke, Harpune, Schokolade, ein paar Bücher, Walkie-Talkies, alles was man halt so braucht.“
„Gut, dann weiß ich ja, an wen ich mich halten muss. In welchem Hotel wohnst du eigentlich? Oder kennst du jemanden auf Copa Caba?“
„Nein, ich kenne niemanden da. Es gibt da so ein Hotel, das heißt das Verlorene Paradies. Und du, wo wohnst du?“
Ich war wie erstarrt. „Meinst du The Lost Paradise? Wieso das denn?”
“Willst du da auch hin? Wieso denn du? Du machst doch einen ganz fröhlichen Eindruck?“
„Ja, täusch dich da nicht! Aber du, jemanden wie dich hätte ich da jetzt nicht erwartet.“
Wir schienen uns beide gegenseitig geschockt zu haben und saßen still da. Ich dachte daran, dass ich irgendwo gelesen hatte, dass Menschen, die einen Suizid planen, durch den eigentlichen Plan zu neuer Gelassenheit und Ruhe finden, so dass die Umstehenden denken, jetzt ist die schlimme Phase vorbei, es geht wieder aufwärts. Und dann Wumm, und das war’s.
Aber warum sollte Rana sich umbringen wollen? Litt sie vielleicht an einer unheilbaren Krankheit? Oder war sie manisch-depressiv und ich erlebte sie gerade in der manischen Phase? Und was dachte sie jetzt über mich? Ich hatte mich bemüht, einen coolen Eindruck zu machen, der war ja jetzt wohl weg.
Bis zur Landung sagten wir nichts mehr, was aber auch damit zu tun hatte, dass ich jetzt auch noch ihre Kotztüte in Anspruch nehmen musste. Als das Flugzeug endlich gelandet und ausgerollt war, goss ich mir das restliche Wasser aus meiner Flasche über den Kopf. Das war erfrischend. Als die Flugzeugtür aufging, kam wundervolle, frische, kräftige Abendluft herein, die nach tropischen Verlockungen roch.
Rana neben mir strahlte, und ich tat es wahrscheinlich auch, so dass ich mich sehr