Ego - oder das Unglück, ein Mann auf dem Mars zu sein. Till Angersbrecht

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Ego - oder das Unglück, ein Mann auf dem Mars zu sein - Till Angersbrecht

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Geschichte unserer Stadt eine hervorragende Rolle spielten. Im alles entscheidenden Moment der Revolution haben sie sich nämlich gegen ihre Geschlechtsgenossen auf die Seite der Frauen gestellt. Deswegen bekleiden sie in Marsopolis auch einen ganz besonderen Rang.

      Die Revolution aber hat sich auf folgende Weise ereignet: Auf einem der vielen unter dem Patriarchat üblichen barbarischen Feste, bei dem die Männer die Frauen zusammen trieben, um ihre Begierden in wüsten Ausschweifungen zu stillen, wurden sie von den Genies überlistet. Genauer gesagt, haben diese die Bierkrüge mit einem von ihnen ersonnenen Zusatz vergiftet und auf diese Weise “die Köche” betäubt, woraufhin diese in einen Zustand der Wehrlosigkeit fielen. Diesen einzigartigen Moment nützten die Frauen, um die Barbaren in die Unterwelt zu verschleppen, die schon zuvor als Gefängnis diente. So war der Herrschaft der Männer von einem Moment auf den anderen das lang herbeigesehnte Ende gesetzt!

      Seit diesem Tage nannte man die Genies auch die Gründerväter, denn mit diesem denkwürdigen Tag beginnt die Geschichte der Frau auf dem Mars und das Geschick des Menschen nahm eine andere Wendung. Die wenigen Männer, die jetzt noch geduldet wurden, waren nicht länger gebürtig, sie krochen nicht einfach mehr ungeplant aus dem Bauch von Frauen, die sich bei der Geburt in Schmerzen winden mussten, sondern wurden nach wissenschaftlichen Grundsätzen von den Genies entworfen und in eigenen Laboratorien (oben im Vierten Reif) hergestellt. Der Leser weiß bereits, dass Ego eines dieser nach streng wissenschaftlichen Maßstäben entworfenen Männchen war.

      Auf dem Weg zu den Niagaras

      Mit dem Geländewagen fuhr Ella in Richtung durch die rötliche Sandlandschaft auf die Hügel zu, die auf halber Höhe zwischen der Stadt der fünf Reife und den Niagaras liegen.

      Wie schön Ella ist!, bewunderte sie das Quotenmännchen an ihrer Seite. Er bewunderte sie nicht nur aufgrund seiner intimen Kenntnis der überaus abwechslungsreichen Geographie ihres Körpers. Deren Hügel, Täler sowie die erogenen und sonstigen geheimen Zonen hatte er ja schon kennengelernt. Jetzt offenbarte sich ihm noch eine weitere Eigenschaft Ellas, die er der schüchternen Frau gar nicht zugetraut hätte. Sie jagte nämlich in voller Fahrt mit dem Rovi über den Sand; rosa Staubwolken stiegen in ihrem Rücken wie große, aufgeblasene Ballons in die Höhe.

      Dieser Rovi war das Werk GKs, dem erfindungsreichsten unter den Genies von Marsopolis. Zu seiner eigenen Belustigung erfand er fortwährend neue Apparate und komplexe Maschinen, darunter diesen Wagen, der über eine eigene Luftversorgung verfügte, so dass frau während der Fahrt keinen Helm tragen musste. Hätte Ella den Wagen mit ihrem wüsten Dahingekurve allerdings zum Kippen gebracht und ein Stein die Fenster durchbohrt, dann wäre das Schicksal von Ego und Ella auf der Stelle besiegelt. Auf dem nackten Sand sahen sie ohnehin die blassen Skelette der Unglücklichen liegen, die an Sauerstoffmangel erstickt, von der Hitze ausgedörrt und von den heftigen Marswinden bis auf die Knochen blank geputzt worden waren.

      Ach, die Frauen auf Marsopolis, lieber Leser, glaube nur nicht, dass sie weniger Mut als die Männer hätten. Mit dem Ausdruck lächelnden Spotts, denn am Steuer hatte sie wirklich alle Schüchternheit verloren, warf Ella dem neben ihr sitzenden Männchen ab und an amüsierte Blicke zu. Sie schien seine Befürchtungen zu erraten und sich daran so recht zu ergötzen.

      Dabei wurde sie wirklich übermütig.

      Ego, mein Lieber, sagte sie, was hast du nur für ein wahnwitziges Glück! Im Grunde deines Wesens bist du erstaunlich harmlos. Weder Machtmensch noch Macho. Einfach ein liebes kleines Spielzeug in Männergestalt, mein persönlicher Schoßhund!

      Das war keineswegs boshaft gemeint. Sie lachte ihr helles klingendes Kinderlachen, aber natürlich konnte sie es nicht unterlassen, ihrem Begleiter zur gleichen Zeit doch noch einen kleinen Stich zu versetzen.

      Aber wehe, fügte sie hinzu, wenn dir dieser Vorzug zu Kopf steigt.

      Sie nahm ihre rechte Hand vom Steuer und schlug Ego mit schnippischem Schlag auf die Wange. Denk immer daran, mein Lieber, dass du von jetzt an nur mir gehörst. Wenn du mir untreu wirst, jage ich dich zu den Köchen!

      Ach, der boshafte Refrain. Wie gut Ego ihn kannte! Das war ja die eigentliche Waffe der Frauen gegen den Quotenmann. Sie wussten genau, dass es keine schlimmere Drohung für jeden von ihnen gab als dieses einzige, furchtbare Wort: die Köche, denn das sind die entmachteten, die elenden, schmutzigen, verachteten Männer unten im Bauche der Stadt. Ego wusste natürlich, dass Ella die Worte ihm nur im Spaß entgegenwarf, aber trotzdem brannten sie ihm wie eine Ohrfeige im Gesicht. Erinnerte sie ihn denn nicht daran, dass er in der Oberwelt nur geduldet war, ein Gast, den man jederzeit nach da unten verbannen konnte?

      Der Wagen rüttelte heftig auf dem steinernen Weg. Zu Fuß konnte man den Quell des Himmlischen Lichts in vier, fünf Stunden erreichen; von der Stadt trennten ihn an die dreißig Kilometer. Die meisten Bewohner hatten sich schon nachmittags auf den Weg gemacht; es ging darum, rechtzeitig zur Festrede der Ersten Holden einzutreffen.

      Ich brauche nicht hinzufügen, dass der Tag der Revolution natürlich nur von den Bewohnern gefeiert wurde. Die Sklaven im Bauch der Stadt waren zwar ausnahmsweise von ihrer täglichen Arbeitsfron befreit, aber das Licht der Sonne durften sie seit der Revolution nie mehr sehen. Endgültig und mit lautem Knall war damals das Tor zur Oberwelt hinter den Verdammten ins Schloss gefallen. Homo communis sollte nie wieder imstande sein, die Frauen mit seiner Gewaltsamkeit und angeborenen Wildheit zu quälen.

      Die bis dahin flache Piste führte mittlerweile an kleineren Sandhügeln vorbei, die sich wie Riegel zwischen die Stadt und die Niagaras schieben. Bald brausten die beiden Ausflügler auch an einigen Nachzüglern vorbei, die den Weg zu Fuß zurücklegten. Die meisten Frauen waren aber schon sehr viel früher aufgebrochen, um die Niagaras bei Dämmerungsbeginn zu erreichen. Die vier Stunden zu Fuß waren für alle beschwerlich, da sie trotz großer Hitze den Helm tragen mussten und die kleine Sauerstoffflasche sich schon nach einer Stunde unangenehm in den Rücken eingrub. Die beiden Insassen des Rovi mussten jetzt einen Umweg einschlagen. Sie konnten das Ziel nicht auf kürzestem Weg ansteuern, weil dieser durch eine enge Schlucht in den Hügeln führte. Deswegen fuhren sie östlich an den Hügeln vorbei. Nur einige andere Rovis, darunter stattliche Gefährte benutzt von den Holden des Fünften Reifs oder von den Frauen aus der Verwaltung im Dritten, trafen sie ebenfalls auf der Piste an.

      Etwa fünfundzwanzig Kilometer von der Stadt entfernt, legten sie eine Pause ein. Es war ein historischer Ort.

      Wer sich den Niagaras im Rovi nähert, lässt sich diesen Halt nur ungern entgehen. Unvergesslich ist nämlich der Anblick, der sich jedem Besucher bietet, der die wenigen Dutzend Meter auf den nördlichen Ausläufer der Hügel erklimmt. Allerdings erlebt man die wahre Pracht unserer Stadt erst bei Anbruch der Nacht und dieser Moment war noch nicht gekommen.

      Ich sage Pracht, die aber mit bloßer Größe nicht zu verwechseln ist. Nein, das möchte ich gleich zu Anfang richtig stellen, um keine falschen Erwartungen zu erwecken. Marsopolis ist nicht im Entferntesten so groß wie die Metropolen auf Gaia. Dort herrschten, wie jeder weiß, unglaubliche Zustände. Auf engstem Raum vegetierten Hunderttausende, ja Millionen von Menschen, wie Sardinen in enge Dose gepresst. Die Wohnsilos, die sie auf Gaia neben-, über- und untereinander bewohnen, reichen bis zu den Wolken. Vor solchen Steingebilden empfinde ich, ehrlich gesagt, ein Gruseln und Grauen. Wie sollen Menschen einander kennen und schätzen lernen, wenn sie wie die Ameisen und Termiten aus sämtlichen Poren, Winkeln und Schächten ihrer Behausungen quellen?

      In Marsopolis, dem heutigen Zentrum des Alls, ist alles anders: die Stadt licht und übersichtlich. Sie besteht nur aus einem einzigen kuppelartigen Gebäude, in dem etwa dreitausend Menschen leben, die einander persönlich kennen und lieben. Fast alle von ihnen sind, wie schon beschrieben, wohl gestaltete Frauen und außer ihnen noch etwa

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