Ego - oder das Unglück, ein Mann auf dem Mars zu sein. Till Angersbrecht

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Ego - oder das Unglück, ein Mann auf dem Mars zu sein - Till Angersbrecht

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der Frau. Du weißt doch, man spricht auch von „Missionarsstellung”, weil der Mann auf Gaia – der, der lag dann ja oben – weil er eben der Frau auf diese Weise das Patriarchat aufzwang.

      Ego wurde abwechselnd rot und blass im Gesicht. Die Worte purzelten ihm nur noch stammelnd und regellos aus dem Mund.

      Du weißt doch, Dir ist doch sicher, das musst Du doch wissen. Es ist strafbar! Meine Karriere...

      Es hat wenig Sinn, dass wir diesem Gestammel folgen, denn die Tatsachen sind ja ohnehin jedem bekannt, der mit den Errungenschaften der jungfräulichen Zivilisation auf dem Mars einigermaßen vertraut ist. Die Holden haben die Missionarsstellung ausdrücklich verboten, und zwar in einem Artikel des Grundgesetzes. Selbst das Wort ist verpönt. Keine der Frauen hätte es in den Mund genommen, ohne dabei vor Ärger und Scham zu erröten. Schon in den Lehrbüchern, aus denen die jungen Mädchen sich auf ihr künftiges Leben vorbereiten, wird das Thema abgehandelt und geschichtlich “bewältigt”. Es heißt dort, dass die Männer die Frauen auf diese Art zur Unterwürfigkeit „missionieren“. Diese abscheuliche Stellung, bei der die Frau sozusagen nach Art eines Pferd geritten und vom Manne dressiert wird, gilt in Marsopolis als Beweis und sichtbares Zeichen für Tausende Jahre der Unterdrückung durch eine verabscheuenswürdige Phallokratie.

      Daher die auf Marsopolis selbstverständliche Sitte, dass der Mann sich bei einem erotischen Treffen sofort auf den Rücken legt, um der weiblichen Über-Legenheit so von vornherein seinen Tribut zu zollen. Und dementsprechend gilt es als die schlimmste aller Beleidigungen, wenn der Mann eine Frau in die Stellung der Unter-Würfigkeit zwingt. Im selben Moment hätte sie aufgeschrien und auf das Gewissen gezeigt. Die Regierung hätte dann umgehend die sogenannte Zucht-und-Tugendbrigade losgeschickt – lauter kräftige Frauen mit roter Armbinde und lauten Schellen, die durch die Gänge eilen, die Tür zur Wabe aufreißen und den Sünder auf der Stelle verhaften. Anschließend wird dieser dann den Gerichten in der Verwaltung des Glücks ausgeliefert.

      Derartige Fälle kommen aber auf Marsopolis praktisch kaum vor, die Sitten haben sich mit der Zeit veredelt und geläutert. Ganz auszurotten scheint das Laster dennoch niemals zu sein. Zwei oder drei Fälle dieser betrüblichen Art sind in den Annalen der Stadt verzeichnet. Natürlich wurden die sündigen Quotenmänner umgehend verhaftet und dem hohen Gericht vorgeführt.

      Auf diese historischen Hinweise kann der Berichterstatter nicht verzichten, da der Leser andernfalls nicht verstehen würde, wie sehr Ego erschüttert wurde, als Ella mit langem Zeigefinger gerade auf diese Stellung wies: auf K37b.

      Du weißt doch, jammerte er, dass wir Menschen uns von den Tieren vor allem durch unsere gehobenen Sitten unterscheiden.

      Es nutzte nichts. Alle Schüchternheit ihres Wesens schien auf einmal wie fortgeblasen. Sie gebärdete sich wie ein kleines Kind. Sie hatte ihm mit schneller Hand bereits den Mund verschlossen und nun legte sie sich schon auf das Bett und zog ihn zu sich herab.

      Ihr verängstigten Phallokraten, lachte sie, ihr seid doch ein kraft- und mutloses Geschlecht. Aber siehst du, ich will euch gerade so wie ihr seid, mein kleiner Ego. Du bist ein Tier, gewiss, als Männchen bist Du den Tieren natürlich viel näher verwandt als wir Frauen. Das sieht man schon an dem Pelz auf Deiner Brust und sogar hier auf den Armen und Beinen. Du siehst aus wie die Verwandten auf Gaia – die Affen, nicht wahr, so heißen sie doch?

      Sie lachte, schäkerte, zog ihn jetzt mit beiden Händen ganz eng an ihren Körper.

      Aber gerade ein solches Tier, wie du es bist, will ich nun einmal - und dabei schaute sie ihn mit blitzenden Augen an, und er wusste, dass er dieser Frau nicht widerstehen würde, koste es, was es wolle. Das Wort “Phallokrat” donnerte und pochte allerdings in seinem Kopfe. Obwohl er in diesem Augenblick kurz davor stand, in seine Dienstpflichten einzutreten, war sein Denken doch immer noch nicht vollständig abgeschaltet. Insgeheim seufzte es in ihm:

      Wie grausam die Frauen doch manchmal sind, wie mitleidslos und pervers! Wenn die Holden mich in dieser Stellung sehen, dann schicken sie mich in die Unterwelt. Er warf einen verstohlenen Blick auf das Gewissen. Immerhin, glücklicherweise war es vollständig mit einem schwarzen Tuch verhängt.

      Das Eigenartigste an Egos Begegnung mit der traumlieben Ella war jedoch, dass ihre offenkundige Perversität ihm selbst Schauer der Wollust über den Rücken jagte. Das erste Mal in seinem ganzen Mannesleben ließ eine Frau ihn über sich thronen, so als wäre er ein höheres oder auch nur ein gleichwertiges Wesen. Er fühlte sich hin und her gerissen zwischen Gefühlen der höchsten Lust, die ihn – ganz unprofessionell – überfielen und einer ihn anspringenden Schuld, denn er kam sich gleichzeitig vor wie ein schmutziger Macho, einer von denen, die in früherer Zeit den Frauen das Leben auf Gaia zur Hölle machten.

      Du Phallokrat, höhnte ihn die Stimme, du heilloser Macho, du Vergewaltiger! Selbst auf dem Höhepunkt und nachdem er sich schließlich ganz auf Ella hinabgleiten ließ und dann regungslos auf ihr verharrte, ließ ihn die Stimme nicht los, und das schreckliche Bild drängte sich herrisch in sein Bewusstsein, das Bild, das sich der Zeichner für die Patriarchenstellung „K37b“ ausgedacht hatte. Ein Mann mit stieren Augen ist dort zu sehen, eine affige Gestalt mit wulstigen Armen, einem hässlichen Bart und einem dichten Pelz auf der Brust – kurz eine Gestalt wie ein Gorilla, der einen zarten, weißhäutigen Engel nahezu ganz unter seinem bulligen Leib begräbt.

      So in jeder Hinsicht erregt und in Aufruhr, befand sich Ego in einem gewaltigen Konflikt mit sich selbst. Er begriff nicht - denn die Männer sind ja überall auf der Welt recht schwer vor Begriff -, er begriff nicht, dass Ella keineswegs bloßem Mutwillen gehorchte, sondern einem viel tieferen Gefühl: Sie hatte Mitleid mit diesem Männchen, diesem traurigen, armen Wesen, das auf Marsopolis eine so geringe, von vielen verachtete Stellung einnahm. Dass aus ihrem Mitleid schon Liebe geworden war, hätte sie selbst sich in diesem Moment freilich noch gar nicht eingestanden, die Sache war ja von vornherein viel zu unwahrscheinlich. Echte Liebe zwischen Mann und Frau gilt auf dem Mars als undenkbar und scheint deswegen auch unmöglich zu sein.

      Nun, der Verfasser des vorliegenden Berichts kennt natürlich den weiteren Verlauf der Geschichte. Er weiß daher mehr als die beiden Protagonisten. Er dar sich dieses Worts daher schon jetzt ohne Vorbehalte bedienen.

      Als beide den uralten Ritus in seiner per Gesetz streng verbotenen Form beendet hatten und glücklich über die eben begangene Sünde waren, kam es schließlich dazu, dass Ego doch endlich zu begreifen begann. Und er tat, was Männer eben so tun, wenn sie gerührt und ergriffen sind: Er wurde geschwätzig, erzählte aus seinem Leben.

      Major Trippschitz, ging es ihm durch den Kopf. Er erzählte Ella, wie er einmal aus lauter Verzweiflung darüber, auf dieser Welt nur ein nichtswürdiges Männchen zu sein, beinahe Hand an sich selbst gelegt hätte.

      Die Selbstkastration des Major Trippschitz

      Im Zustand der Ermattung, die sich wie in jedem kräftezehrenden Beruf in dem eines Qotenmannes gleich nach der Erfüllung der Pflicht einstellt, also geradezu vorhersehbar ist, lässt der Mensch sich gerne gehen. Das Gewissen ist, wie wir sahen, ohnehin ausgeschaltet, aber auch das kritische Über-Ich ist in diesem Fall mattgesetzt, weil zwischen Ego und Ella ein Gefühl aufgekeimt ist, dass die Ermattung zu einer seligen macht. Ego ließ sich also sehr gerne gehen - und diesem Umstand verdanken wir es, dass wir jetzt von der schrecklichen Geschichte Major Trippschitzs erfahren, die auf Geheiß der Holden in den Annalen der Stadt bis heute verschwiegen wird.

      Major Trippschitz, ein Gebürtiger aus Gaia, der mit der letzten Rakete und einer Mannschaft von zwanzig anderen Männern im Jahr 13 p. M. ( = 2058 n. Chr.) auf unserem Planeten gelandet war, Major Trippschitz hatte es gewagt. Er wollte einfach so sein wie die anderen, wie all die Frauen, die ihn nach seiner

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