Götzenbild. Dietrich Novak
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Читать онлайн книгу Götzenbild - Dietrich Novak страница 10
»Das musste ja früher oder später so kommen. Demenzkranke sind immer für eine Überraschung gut. Leicht hat sie es bestimmt nicht mit ihm. Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee war, deiner Mutter das aufzubürden.«
»Was sollte ich denn machen? Zurück zu seiner Geliebten wollte er nicht, ich kann mich auch nicht um ihn kümmern … und für ein Pflegeheim ist mir mein Vater zu schade. Ich dachte auch, Mama würde die neue Aufgabe guttun. Seit seinem Auszug wusste sie doch nichts mehr mit ihrer Zeit anzufangen.«
»Du vergisst, dass deine Mutter auch nicht mehr die Jüngste ist. Und zur körperlichen Belastung kommt noch die seelische. Sie macht das jetzt schon über fünf Jahre mit. Irgendwann ist die Kraft verbraucht.«
»Das weiß ich doch alles selber. Aber Menschen kann man eben nicht einfach so erlösen wie Haustiere. Hier in Deutschland jedenfalls nicht …«
»Weiß du was, fahr doch gleich mal bei ihr vorbei. Vielleicht haben sich die Wogen bis dahin schon halbwegs geglättet. Wir schaffen das schon alleine hier.«
»Und wenn der Alte nach mir fragt?«
»Dann bist du auswärtig ermitteln … wir sind eh damit beschäftigt, die Telefonliste des Callcenters genauer auszuwerten. Wenn wir Glück haben, findet sich unter einer der Nummern ein Tierpräparator … Lars und ich bleiben dran.«
»Na gut, wenn du meinst …« Valerie drückte Hinnerk einen Kuss auf, griff ihre Tasche und verließ das Büro. Ihre Zweifel, ob unter den möglichen Tierpräparatoren der Täter sein könnte, behielt sie vorerst für sich. Sie verstand zwar nicht viel von der Materie, aber stellte sich vor, dass da ganz andere Verfahren angewendet wurden. Schließlich hatte man die Leiche nicht ausgestopft.
Als Valerie in der Wohnung ihrer Eltern ankam, empfing sie Mutter Karen weinend. In der Wohnung roch es irgendwie seltsam, obwohl mehrere Fenster offen standen.
»Ich hätte nie gedacht, dass du dich so schnell loseisen würdest«, sagte Karen, und die Erleichterung in ihrer Stimme war unüberhörbar.
»Wie geht es Papa?«
»Im Moment schläft er. Frag lieber, wie es mir geht.«
»Das erzählst du mir gleich alles …«
»Willst du einen Kaffee? Kuchen habe ich aber keinen.«
»Ich bin doch nicht zum Essen hergekommen, Mama. Wenn du einen Kaffee fertig hast, gern, sonst eben nicht. Einen kochen musst du nicht extra.«
»Das ist doch keine Arbeit. Das macht ja die Maschine. Aber ich habe frisch gebrühten.«
Anschließend saßen die beiden Frauen im Wohnzimmer und tranken zunächst schweigend, bis Valerie das Wort ergriff.
»Also, was ist los?«
»Das Übliche, ich kann es nur langsam nicht mehr ertragen. Daran, das dein Vater ständig ins Bett macht und bei mir die Waschmaschine Tag und Nacht läuft, habe ich mich leidlich gewöhnt, aber jetzt pinkelt er auch in die Schränke … zwischendurch will er mich aus der Wohnung werfen, weil er mich nicht erkennt … und waschen will er sich auch nicht lassen … überall wirft er das Essen auf den Boden oder verschüttet etwas …«
»Das macht er doch nicht mit Absicht.«
»Da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher. Wenn ihm etwas nicht schmeckt … gestern kann er es noch gerne gegessen haben … ach, es ist nicht zum Aushalten.«
»Aber waschen soll ihn doch der ambulante Pflegedienst. Du kriegst doch Papa nicht alleine hoch …«
»Das ist es ja eben. Abgesehen davon, dass der Pfleger immer in Eile ist, weil er zum Nächsten hasten will, reicht die Zeit gerade dafür, Papa seine Spritze zu geben und einen Waschversuch zu machen. Der scheitert dann kläglich, weil Papa sich nicht von Fremden waschen lassen will. Manchmal auch nicht von mir.«
»Vielleicht geht der Mann nicht energisch genug mit ihm um. Ich meine, das ist doch sein Beruf …«
»Was soll er denn machen, wenn Papa ihm den Waschlappen aus der Hand schlägt und ihn anschreit, er solle die Wohnung verlassen? Nein, wir müssen eine Lösung finden. Für mich ist der Gedanke, meinen Mann in ein Pflegeheim zu bringen, auch unerträglich, doch da kümmert man sich wenigstens um ihn. Die haben doch viel mehr Erfahrung mit diesen Kranken. Von mir aus besuche ich ihn täglich, sogar zweimal, aber hier kann er beim besten Willen nicht bleiben. Ich hasse mich schon selbst dafür, nicht die nötige Geduld mit ihm aufbringen zu können. Wenn ich manchmal grob zu ihm bin, schäme ich mich hinterher entsetzlich. Ich will nicht so sein, wie ich durch ihn geworden bin.«
»Du bist eben auch nur ein Mensch, Mama. Mach dir nicht zu viele Vorwürfe.«
Karen schnäuzte in ihr Taschentuch und griff nach einem Glas, in dem sich bernsteinfarbene Flüssigkeit befand.
»Trinkst du etwa wieder, Mama?«, fragte Valerie besorgt.
»Ohne ab und zu einen Schluck hätte ich das schon längst nicht mehr ertragen.«
»Ach, Mama, das darf doch nicht wahr sein. Du warst so schön darüber hinweg.«
»Ach, Mama, ach, Mama«, äffte Karen ihre Tochter nach. »Weiß du, wie so ein Tag für mich aussieht? Du bekommst davon doch so gut wie nichts mit. Neben all dem Dreck, den ich ständig hier wegwischen muss, bin ich ständig in Sorge, was er jetzt wieder anstellt. Eines Tages zündet er noch die Wohnung an. Wenn ich mal für einige Minuten wegdämmere, steht er auf dem Balkon und ruft um Hilfe. Die Nachbarn grüßen mich schon nicht mehr, weil sie denken, ich kümmere mich nicht genug um deinen Vater. Die sollten das alles mal selbst durchmachen …«
Valerie nahm ihre Mutter in den Arm. »Komm mal her, ich habe ja nicht geahnt, wie schlimm es inzwischen ist. Du hast dich nie sehr beklagt. Aber wenn es nicht mehr geht, müssen wir eben den unvermeidlichen Schritt tun. Hinnerk und ich werden uns nach einem geeigneten Platz für Papa umsehen. Und falls du es alleine finanziell nicht schaffst, helfen wir dir natürlich.«
Plötzlich stand Christoph Voss in der Tür. Er trug keine Unterhose und die Windel baumelte seitlich an ihm herunter.
»Was macht die fremde Frau hier? Schmeiß sie sofort raus«, sagte er böse.
Valerie stand auf und lief auf ihren Vater zu. »Die fremde Frau ist deine Tochter Valerie, Papa. Morgen weißt du es wieder. Und es ist ziemlich unschicklich, sich vor zwei Frauen halbnackt zu zeigen. Also zieh dir wenigstens eine Unterhose an.«
»Ich konnte keine finden. Die räumt sie ja immer alle weg.«
»Die ist deine liebe Frau Karen, Papa, die sich aufopferungsvoll um dich kümmert. Also mach es ihr nicht so schwer.«
Christoph schien einen Moment zu überlegen, drehte sich um und ging wortlos zurück ins Schlafzimmer. Als Valerie ihm nachging, wollte er sich gerade vor dem geöffneten Schrank erleichtern. Valerie riss ein Handtuch heraus und hielt es ihrem Vater vor den Unterleib.
»Komm, das ist nicht der rechte Ort dafür! Siehst du, dort wo die Kacheln an den Wänden sind, macht man das. Ich setzte dich jetzt auf die Brille, und dann kannst du loslegen.«
Als ihr Vater wieder im Bett lag, ging Valerie