Götzenbild. Dietrich Novak
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»Wenigstens sind Sie ehrlich und streiten es nicht ab.«
»Nein, ich bitte um Verzeihung. Andererseits schien es mir, Sie wären derlei Blicke gewohnt und wirkten sogar etwas gelangweilt.«
»Das haben Sie ganz richtig erkannt. Einmal habe ich einen festen Partner und zum anderen finde ich Männer, die sich angesichts sexueller Reize wie ein hechelnder Hofhund verhalten einfach widerlich.«
»Das war deutlich, aber es handelt sich hier um ein Missverständnis. Auch ich bin in festen Händen und dabei äußerst treu. Mein Interesse galt Ihnen aus beruflichen Gründen. Ich bin nämlich Fotograf und beliefere seriöse Magazine mit meinen Arbeiten, um es gleich vorwegzunehmen.«
»Der Trick ist so abgedroschen, dass ich schon wieder geneigt bin, Ihnen zu glauben.«
»Können diese Augen lügen?«, sagte er und lüpfte für einen Moment seine Sonnenbrille, um seine blassblauen Augen zu zeigen.
Ihr Lächeln zeigte ihm, dass er gewonnen hatte. »Ich müsste lügen, wenn ich sagte, an künstlerischen Fotos nicht interessiert zu sein«, meinte sie. »Nicht dass ich finanziell darauf angewiesen wäre, aber welche Frau fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn man sie in günstiges Licht setzt, wie es eben nur ein Profi kann. Für welche Magazine arbeiten Sie, wenn ich fragen darf?«
»Zum Beispiel für die deutsche Vogue, Cosmopolitan, Elle und Glamour, um nur einige zu nennen.«
»Respekt, aber sind die nicht ausschließlich auf professionelle Models aus?«
»Nicht ausschließlich. Es gibt immer einen Markt für die schöne Unbekannte von nebenan. Von der Siegerin der Castingshow Germanys Next Topmodel, die alljährlich das Cover der Cosmopolitan ziert, hatte zuvor auch niemand etwas gehört.«
»Nun, ich glaube, als Aushängeschild auf solch einem Cover zu prangen, wäre nicht so mein Ding. Aber künstlerische Fotos für den Privatgebrauch könnten mir schon gefallen. Könnte man einige Arbeiten von Ihnen sehen?«
»Ja gerne, wenn Sie Zeit haben, nehme ich Sie kurz in mein Atelier mit und könnte auch schon erste Probeschüsse machen. Natürlich nur, falls Sie Lust haben.«
Habe ich dich doch wieder an der richtigen Stelle erwischt, du eitles Luder, dachte er und hätte sich am liebsten die Hände gerieben.
»Etwas Zeit hätte ich schon. Ist es weit von hier?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur der berühmte Katzensprung. Ich fahre Sie selbstverständlich auch wieder hierher zurück oder woandershin. Oder sind Sie motorisiert?«
»Schon, aber ich bin mit der S-Bahn gekommen. Weil dieses Freibad direkt neben den Gleisen liegt. Man weiß ja nie, ob man einen Parkplatz bekommt.«
»Das stimmt. Ich musste auch etwas weiter vorne in der Hussitenstraße parken. Also, wollen wir?«
»Gut, wir treffen uns gleich vor dem Eingang. Aber endlos Zeit habe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Für eine erste Information wird es reichen.«
Als er wenig später vor dem Ausgang im Park wartete, dachte er für einen Moment, sein Opfer hätte es sich anders überlegt, aber schließlich kam sie mit einem leichten Sommerkleid und ihrer Badetasche auf ihn zu.
Vor seinem Kleintransporter angelangt, half er ihr galant beim Einsteigen und fuhr dann Richtung Bernauer Straße los.
»Fahren Sie immer mit einem so großen Fahrzeug durch die Gegend?«, fragte sie.
»Ich habe kein anderes. Außerdem ist es sehr praktisch, weil ich stets meine Ausrüstung dabei haben kann.«
»Ja, das leuchtet mir ein.«
Die weitere Fahrt verlief schweigend, erst als immer mehr Zeit verging, wurde die Badeschöne unruhig.
»Wohin fahren wir eigentlich?«, fragte sie nervös. »Sie meinten doch, es wäre nicht weit.«
»Haben Sie bitte noch einen Moment Geduld. Weit ist in Berlin relativ. Ein günstiges Objekt, in dem man ungestört arbeiten kann, findet man nicht um die Ecke. Ich bin nicht gewillt, den Mietwucher mitzumachen – nicht dass ich es mir nicht leisten könnte – aber seitdem die Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain en vogue sind, verlangt man unbeschreiblich hohe Mieten. An mir sollen sich die Miethaie nicht gesundstoßen.«
Sie sah ihn einen Moment intensiv von der Seite an, was ihm nicht entging, aber er lächelte entwaffnend.
Wenig später bog er in eine Durchfahrt ein und fuhr im Schritttempo bis auf den Hof. Dort stand ein etwas heruntergekommenes Gebäude mit ockerfarbenen Klinkern und blinden Scheiben.
»Wenig Vertrauen erweckend«, sagte sie misstrauisch.
»Innen ist es ganz schnuckelig, Sie werden sehen. Eine prachtvolle Fassade lockt nur zwielichtiges Gesindel an.«
»Ich habe auch gar kein Firmenschild gesehen, ich meine, als professioneller Fotograf mit eigenem Studio …«
»Es ist nicht besonders groß. Sie haben es bestimmt übersehen. Die wichtigen Leute, um die es geht, finden mich schon. Kommen Sie, gleich gibt es eine Erfrischung.«
Widerwillig betrat sie durch eine rostige Eisentür einen mittelgroßen Flur, von dem eine Treppe nach oben führte. Der schmale Raum war nur spärlich beleuchtet und wirkte wenig einladend.
»Einen Moment, ich mache gleich mehr Licht, dann sieht alles etwas freundlicher aus«, sagte er und verschwand in einer Kammer unter der Treppe.
Bei ihr schalteten sich plötzlich alle Alarmsirenen ein. Hier stimmt etwas nicht, dachte sie und lief auf die Ausgangstür zu.
In dem Moment ging das Licht aus. Es fiel nur noch spärliches Tageslicht durch die blinden Scheiben auf den oberen Podesten. Fast gleichzeitig spürte sie seinen heißen Atem in ihrem Nacken.
»Aber, aber, wer wird denn gleich die Flucht ergreifen? Jetzt, wo das Spektakel erst losgehen soll?«, flüsterte er und drückte ihr einen Wattebausch auf Mund und Nase, woraufhin sie fast unmittelbar gnädige Finsternis umhüllte.
»Ich glaube zwar nicht, dass dieser Hinterhofcasanova Jörn Ritter unser Täter ist, aber überprüf bitte zur Sicherheit, ob ein Fahrzeug auf seinen Namen angemeldet ist, Schmidtchen. Er behauptet zwar, keinen Führerschein zu besitzen, aber …«, sagte Valerie gerade, als das Telefon läutete. »Voss, was gibt’s …?«
»Ich weiß, dass es gerade nicht passt, aber ich brauche deine Hilfe«, sagte eine klägliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
»Ach, Mama, du klingst so seltsam. Was ist denn los?«
»Ich werde einfach nicht mehr fertig mit deinem Vater. Etwas muss geschehen, und zwar schnell.«
»Wir besprechen das heute Abend, ja? Ich komme auf jeden Fall nachher vorbei. Bis dahin bewahre ruhig Blut …«
»Das sagt sich so einfach. Wenn du nicht kommst, weiß ich nicht, was ich tue …«
»Versprochen, Mama, bis später.«