Götzenbild. Dietrich Novak
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»Das tue ich seit Jahren, wie sie mir bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit unter die Nase reibt.«
»Tja, da musst du jetzt durch … komm, Lars, auf nach Friedenau!«
Valerie ging zähneknirschend in die Pathologie, wohl wissend, dass sie sehr frostig empfangen werden würde, in zweifacher Hinsicht sogar.
»Was willst du denn hier? Ich kann nicht hexen«, blaffte sie Tina an, woraufhin das Gesicht von Tinas Kollege, Knud Habich, in etwa dieselbe Farbe wie seine rotblonden Haare annahm. Dem jungen Mann war es immer wieder aufs Neue peinlich, Zeuge der Reibereien zwischen den Freundinnen zu sein, die einmal sehr zärtlich miteinander umgegangen waren.
»Ich will ja auch nicht hetzen. Wir wissen jetzt, wer die junge Frau ist. Ihre Eltern haben sie vor zehn Tagen als vermisst gemeldet. Sie war übrigens erst dreiundzwanzig.«
»Mit dem Alter habe ich mich nicht festgelegt, wie mit allen anderen Fakten auch nicht.«
»Macht ja nichts. Wenn du mir später den Todeszeitpunkt nennst, wissen wir mehr über den Täter. Zum Beispiel, ob er seine Opfer zuvor gefangen hält oder schon am ersten Tag umbringt.«
»Du sprichst im Plural. Gehst du davon aus, dass es sich um einen Serientäter handelt?«, fragte Tina, etwas weicher in der Stimme.
»Glaubst du, einer macht sich nur einmal die Mühe, und das war’s?«
»Das herauszufinden ist dein Job, meine Liebe.«
»Du hast da am Fundort so eine Andeutung gemacht bezüglich der Präparationsmethode …«
»Ja, es hat sich bestätigt, dass es sich bei dem Verfahren, das der Täter angewandt hat, nicht um eine Plastination im herkömmlichen Sinne handelt wie bei den Exponaten dieses „Künstlers“ mit seinen Körperwelten und die Lehrobjekte zur anatomischen Ausbildung. Normalerweise ersetzt man das Wasser in den Zellen durch Kunststoff, Polymere wie Silikone, Epoxidharze, Polyesterharze. Die dauerhaften Präparate kommen dadurch den natürlichen Gegebenheiten sehr nahe. Oberflächen und Strukturen bleiben erhalten, lediglich die Farben gehen verloren und müssen künstlich wiederhergestellt werden.« Tina war wieder in ihrem Element und verlor sich beinahe, aber schließlich kam sie doch auf den Punkt. »Hier hingegen haben wir es mit einem Alternativverfahren zu tun, der Polyethylenglykol-Methode. PEG ist wasserlöslich, deshalb kann man auf ein Zwischenmedium verzichten. Da PEG allerdings hygroskopisch ist, werden die Präparate nie ganz trocken, wie selbst dir aufgefallen ist. Beide Verfahren haben gemeinsam, dass zuvor die Fixierung in Formalin erfolgen muss, damit das Gewebe stabilisiert und dadurch die Schrumpfung minimiert wird. Die Fixierung verhindert den Zerfall des Gewebes bei der Präparation.«
»Das heißt, der Täter hat umfangreiche Kenntnisse von alldem, ein Labor zur Verfügung und jede Menge finanzielle Mittel«, sagte Valerie. »Das Material muss doch teuer sein.«
Tina winkte ab. »Die PEG Methode ist ein einfaches und billiges Verfahren. Im Internet kannst du fünf Kilogramm Polyethylenglycol für etwa einhundertzwanzig Euro plus Versand erhalten.«
»Dann müssen wir uns also die Tierpräparatoren vornehmen. Einer von denen muss irgendwo ein größeres Labor unterhalten. Vielleicht auf einem stillgelegten Fabrikgelände.«
»Ja, macht mal, viel Spaß.«
»Apropos Spaß, willst du nicht am Wochenende zu uns zum Essen kommen? Ben hast du das letzte Mal gesehen, als er drei war, glaube ich.«
»Ich denke, das ist keine so gute Idee …«
»Komm, Tina, gib dir einen Ruck, der alten Freundschaft wegen …«
»Ich werde darüber nachdenken, verspreche aber nichts …«
Hinnerk und Lars kamen in der Schmiljanstraße an und liefen auf einen typischen Altbau in verblasstem Beige, aber mit imposanten weißen Säulen rechts und links vom Eingang zu. In dem Moment kam ein Radfahrer mit atemberaubendem Tempo auf dem Gehsteig auf sie zu. Hinnerk stellte sich ihm in den Weg.
»Warum benutzen Sie nicht den Radweg, der nur einen Meter neben Ihnen verläuft?«, fragte er.
»Fick dich, du Hurensohn!«
Hinnerk hielt den unverschämten Kerl an der Jacke fest. »So, absteigen und ausweisen! Da bist du an den Falschen geraten«, sagte er böse und zückte seinen Dienstausweis.
»Bist du heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden oder hat dich deine Alte nicht rangelassen? Hat die Kripo keine anderen Sorgen?«
»Klappe halten und den Ausweis zeigen, aber dalli! Das gibt eine Anzeige wegen Beamtenbeleidigung, damit das klar ist.«
Der Radfahrer wies sich widerstrebend aus, und Hinnerk notierte seine Personalien. Als er weiterfuhr, zeigte er Hinnerk einen Vogel. Lars hielt den Kollegen fest, als der dem Kerl hinterher spurten wollte.
»Lass gut sein. Du hast ja die Personalien. Das gibt nur Ärger.«
»Verdammtes, dreistes Pack«, ereiferte sich Hinnerk. »Endlich habe ich mal einen erwischt.«
Lars drückte den Knopf neben dem Klingelschild mit dem Namen Feist, woraufhin fast unmittelbar der Summer ertönte.
Oben öffnete ihnen eine Dame um die Fünfzig mit fragendem Blick. Sie war sehr gepflegt und tadellos gekleidet, nur ihre Augen blickten traurig, fast leer.
»Frau Feist? Mein Name ist Lange, ich bin Hauptkommissar beim LKA. Und das ist Kommissar Scheibli. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
Hannelore Feist machte wortlos den Weg frei und schloss die Tür hinter Hinnerk und Lars.
»Sie haben sie gefunden, nicht wahr? Ist sie tot?«
Hinnerk nickte. »Es tut mir leid. Man hat die Leiche Ihrer Tochter heute Morgen im Volkspark Friedrichshain aufgefunden.«
»Ich habe es den ganzen Tag geahnt. Eine Mutter fühlt so etwas, wissen Sie!«
Frau Feist führte die beiden in das mit antiken Möbeln ausgestattete Wohnzimmer und bot ihnen einen Platz an. »Kann ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
Hinnerk verneinte dankend, und Lars winkte ab.
»Ich gehe davon aus, dass Ihre Tochter noch bei Ihnen gewohnt hat. Etwas ungewöhnlich mit Anfang zwanzig, finden Sie nicht?«
»Nein, überhaupt nicht. Die Wohnung ist groß genug. Da tritt man sich nicht so leicht auf die Füße. Und Nina hat in Ihrem Berufsleben nicht viel Glück gehabt. Da ist es schwer, eine eigene Wohnung zu finanzieren bei den heutigen Mieten. Momentan arbeitet sie in einem Callcenter, kein Job auf Dauer, wenn Sie mich fragen. Ausgerechnet in Neukölln, allein schon die tägliche Anfahrt … na, und die Gegend … aber es ist ja so schwer, etwas Vernünftiges zu bekommen, wenn man keine ordentliche Ausbildung vorzuweisen hat.«
»Warum hat Ihre Tochter keinen Beruf erlernt?«
»Sie wissen doch, wie die jungen Leute heutzutage sind. Sie hat ihr Studium abgebrochen, weil sie von einer Modelkarriere geträumt hat. Zu mehr als ein paar Werbefotos hat es