Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht

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kann, von Erbsen- auf Elefantengröße auf. Ich bin gespannt, ob Mike und Dr. Strasser auf ihn reinfallen.“

      Philipp konnte dem Gedanken, dass Babsi Abteilungsleiterin werden könnte, zumindest heute absolut nichts Positives abgewinnen, da er seit dem Gespräch mit Erich seine eigene berufliche Zukunft in den düstersten Farben vor sich sah. Irgendwo tief drinnen war Philipp Traditionalist, auch wenn er es nie zugegeben hätte. Der Mann hatte das Einkommen zu sichern und die Frau war für den Haushalt zuständig, so gehörte es sich, so hatte er es in seiner eigenen Kindheit mitbekommen. Bewusst würde er solche Ansichten nie vertreten, wäre auch niemals auf die Idee gekommen, aus Babsi ein Hausmütterchen machen zu wollen, was ohnehin nicht möglich wäre. In Situationen wie jetzt wirkte aber die Kindheit nach und machte die Vorstellung, von Babsi ausgehalten zu werden, weil sein eigener Job den Bach runter ging – und sollte es auch nur für kurze Zeit sein – , vollkommen unerträglich für ihn.

      Nach etwa zehn Minuten erreichten sie das Lokal. Babsi bestellte sich eine Pizza Capricciosa und dazu schwarzen Tee, eine etwas ungewöhnliche Zusammenstellung, aber das hatte ihr noch nie etwas ausgemacht. Philipp nahm einen Cappuccino. Er musste sich noch längere Zeit alle möglichen Erlebnisse der letzten beiden Tage anhören und fragte auch immer, wenn die Erzählung es erforderte oder Babsi es von ihm zu erwarten schien, freundlich nach, was dann so klang wie „Und was hat er darauf gesagt?“ oder „Tatsächlich, das hat er sich gefallen lassen?“. Als ihr Mitteilungsbedürfnis etwas nachließ, da sie alle Ereignisse der letzten Zeit zu ihrer Zufriedenheit aufgearbeitet hatte, rückte Philipp mit seinem Problem heraus. Einerseits wollte er ihr reinen Wein einschenken, da sie ja immerhin zusammen waren, andererseits schloss er nicht ganz aus, von ihrem Rat profitieren zu können.

      „Ich muss dir was sagen, Babsi“, begann er zögernd, „ich werde vielleicht meinen Job verlieren.“ Babsi sah ihn verwundert an und er erzählte ihr die ganze Geschichte, wie sie ihm sein Chef heute in der Firma mitgeteilt hatte, so detailliert wie möglich. Merkwürdiger Weise schien das Ganze, so wie er es schilderte, für Babsi nicht wirklich ein Problem zu sein.

      „Ist vielleicht gar nicht so schlecht“, entgegnete sie, „offensichtlich brauchen sie dich nicht mehr, können dich aber wegen deines Kündigungsschutzes nicht rausschmeißen. Überleg’ doch, in was für einer idealen Position du bist. Irgendwann werden sie dich wegen einer einvernehmlichen Lösung oder so was kontaktieren. Dann hast du sie in der Hand und holst alles raus, was möglich ist. Wenn du clever bist, geben sie dir einen ‚Golden Handshake’ mit dreifacher Abfertigung. Und zwei Monate später beginnst du bei einer anderen Bank. Mit deiner Erfahrung im Kreditbereich kann das doch kein Problem sein.“

      Das Statement von Babsi war für Philipp einigermaßen überraschend. Eigentlich hatte er erwartet, bedauert oder bemitleidet zu werden. Wenn es auch auf eine gewisse Weise tröstlich war, dass jemand die ganze Sache so positiv sah, sträubte sich sein Innerstes doch mit aller Macht gegen eine solche Sicht der Dinge.

      „Das sagst du so leicht, weil es dich nicht betrifft. Aber du würdest genauso reagieren wie ich, wenn du mir nichts dir nichts erfahren würdest, dass die Firma, in der du seit 20 Jahren gearbeitet hast, dich wegwirft wie einen alten Waschlappen, wenn sie dich nicht mehr braucht“, erwiderte er mit vorwurfsvollem Ton.

      „Jetzt bleib‘ aber am Boden.“ Babsi ließ sich in ihrer Einstellung zu seinem „Problem“ nicht beirren. „Sie haben deine Abteilung verkleinert, das kommt vor. Du bist einer von denen, die nicht mehr gebraucht werden, auch gut. Was willst du jetzt? Trübsal blasen? Dich im Selbstmitleid baden und einreden, dass die ganze Welt furchtbar gemein zu dir ist und alle gegen dich sind? Merkst du nicht, wie krank das in Wirklichkeit ist? Diese übertriebene Loyalität, verbunden mit falschen Erwartungen nach Wertschätzung, Anerkennung und Dankbarkeit für die geleistete Arbeit ist der Grund dafür, dass die mit den meisten machen können, was sie wollen“, bemerkte sie mit Nachdruck.

      „Also, ich bin total gerührt, wie mitfühlend du bist. Es ist doch wohl selbstverständlich, dass man die Nerven wegschmeißt, wenn man merkt, dass es den, für den man sich täglich den Arsch aufreißt, einen Scheißdreck interessiert, was man eigentlich tut. Wenn es nach mir ginge, würde ich gleich morgen alles hinschmeißen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du wirklich so denkst.“ Philipps Reaktion überraschte ihn selbst. Normalerweise vermied er jede Auseinandersetzung mit Babsi, weil er wusste, dass sie bei solchen Gelegenheiten sehr verletzend werden konnte. Aber diesmal ließ ihn seine sonstige Selbstbeherrschung im Stich. Als er geendet hatte, hatte er kurz das Gefühl, er müsste sich ducken, um aus der Schusslinie von Babsis gerade vorbereiteter Retoursalve zu kommen.

      „Wen willst du mit dieser Kriecher-Scheiße beeindrucken? ‚Die Arbeit muss einem Sinn geben! Man muss merken, dass man dadurch etwas bewirkt!’ Soll ich dir wirklich meine Meinung dazu sagen? Diesen Mist kannst du dir in den Arsch stecken. Solche Sprüche zeigen nur, dass du überhaupt nichts kapiert hast. Du bist einer von denen, die sich voll pinkeln lassen und dann auch noch Danke sagen. Siehst du nicht, dass es keinen in deiner Bank auch nur einen Deut schert, wie’s dir geht oder was mit dir passiert? Wenn's nach denen geht, kannst du unter irgend einer Brücke verrecken.“

      Philipp unterbrach sie todesmutig: „Das stimmt so nicht. Es gibt Leute in der Bank, für die es sich zu arbeiten lohnt. Erich, mein unmittelbarer Chef, zum Beispiel, leidet genau so unter der jetzigen Situation wie wir alle und hat versucht, die Kreditabteilung aus allem raus zu halten, so gut es ging. Natürlich ist es ihm nicht gelungen. Man sagt in der Firma, er braucht psychische Betreuung, weil er es nicht auf die Reihe kriegt, dass seine ganze Arbeit den Bach runter geht.“

      Babsi ließ sich nicht beeindrucken. „Na Bravo, du kommst mir genau mit dem Richtigen. Für den lohnt es sich wirklich zu arbeiten. Und was hat er getan, als sie deine Abteilung zusammen geschnitten haben? Nichts, auf seinem fetten Hintern ist er gesessen, aber dafür geht er jetzt zum Psychiater! Soll ich dir erzählen, wie es bei uns zugeht?“

      Jeder Versuch, sie daran zu hindern, wäre wohl aussichtslos gewesen.

      „Ob einer gute Arbeit leistet, ist in meinem Laden so ziemlich das letzte, was einen interessiert, vor allem, wenn es um Beförderungen geht. Das einzige, worauf es ankommt, ist, ob du dich gut verkaufst, ob du die anderen blenden kannst, ob es dir gelingt, deine Konkurrenten im Job überzeugend schlecht zu machen. Wenn du darin gut bist, dann hast du Chancen bis zum Geschäftsführer. Wenn ich mir nur Mike ansehe, dieses intrigante Arschloch, dabei kann er nicht einmal .…..“

      Sie wurde vom Kellner unterbrochen, der den Tee und den Cappuccino brachte und bei dieser Gelegenheit die in der Mitte des Tisches stehende Kerze anzündete.

      Durch die Unterbrechung kam Philipp wieder zu Wort. „Das stimmt doch so nicht, Babsi. Was du sagst, hat sicher etwas für sich, aber meiner Meinung nach führt der Erfolg immer über gute Arbeit. Wenn man dazu auch clever ist und Chancen zu nutzen weiß, dann ist das natürlich zusätzlich von Vorteil, aber das Gerede, dass die Dümmsten die besten Positionen haben, weil sie nur die richtige Ellbogentechnik haben, ist doch Schwachsinn, und zumindest genau so einseitig, wie du es gerade von meiner Einstellung behauptet hast.“

      Seine letzte Äußerung trug nicht dazu bei, Babsi zu beruhigen.

      „Ich habe deine Einstellung nicht als einseitig bezeichnet. Ich halte sie schlicht und einfach für naiv und hirnlos. Das ist genau die Einstellung, die sich jeder Chef von seinen Mitarbeitern wünscht, damit sie brav arbeiten und nur keine Ansprüche stellen. Philipp, ich will mich nicht mit dir streiten und dich auch nicht beleidigen, aber meiner Meinung nach gibt es zwei Arten von Menschen auf der Welt, die, die kapiert haben, nach welchen Regeln das Spiel, bei dem wir alle mitspielen, läuft, und die, die in ihrer eigenen Welt leben, von Sinn und so weiter faseln und in Wirklichkeit keine Ahnung haben, was wirklich passiert. Das Schöne für die erste Gruppe ist, dass sie mit der letzteren machen kann, was sie will, wenn sie es nur richtig anstellt. Ich weiß,

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