Anele - Der Winter ist kalt in Afrika. Marian Liebknecht

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Sein Gegenüber zeigte sich dennoch sehr erfreut über die Aussage und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass es hier in Österreich so viele wohlgesinnte Leute gebe, die an den Problemen der afrikanischen Staaten Anteil nahmen und die Bemühungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen unterstützten.

      Während die Worte an sein Ohr drangen, dachte Philipp an etwas ganz anderes. Ihn wunderte die Diskrepanz zwischen Aussprache und Wortschatz, die gerade bei Afrikanern bestand, wenn sie Englisch sprachen. Oft hörte sich die Aussprache so schlecht an, dass man an einen Sprachanfänger dachte, während sich beim Zuhören herausstellte, dass der Sprecher die Regeln des Englischen ziemlich perfekt beherrschte.

      „Have you already heard anything about our project?“, fragte der Afrikaner mit unverändert starkem Akzent schließlich weiter.

      Durch seine abgeschweiften Gedanken war Philipp etwas verwirrt.

      „No, I don’t know your country, but I hope to hear something today.“

      Wieder kam er sich etwas einfältig vor, aber Moses war außerordentlich erfreut über sein Interesse. Er wandte sich daraufhin an Bernhard, der kaum erwarten konnte, ihm über seine vor kurzem übernommene Patenschaft zu erzählen und zu betonen, wie sehr er die Arbeit von D.C. bewunderte und schätzte. Aus Sicht von Philipp trug er etwas zu dick auf.

      Schließlich entschuldigte sich Moses, da er weiter musste, um auch mit den anderen, mittlerweile hinzu gekommenen Gästen ein paar Worte zu wechseln.

      In den zehn Minuten, seit Bernhard und Philipp herein gekommen waren, hatte sich der Saal zusehends gefüllt. Die Leute standen in kleinen Gruppen umher und unterhielten sich, betrachteten die an den Wänden befestigten Bilder oder lasen die Prospekte, die sie in die Hand gedrückt bekamen.

      Ein paar Minuten nach der geplanten Beginnzeit stellte sich einer der österreichischen D.C.-Mitarbeiter auf das Podium und bat die Anwesenden, sich hinzusetzen. Er begann sehr blumig über die große Freude, dass eine Abordnung aus dem Projektgebiet in Swasiland nach Österreich gekommen sei, um hier aus erster Hand über die Fortschritte und Probleme des Projektes zu berichten. Er stellte die beiden Referenten des Abends kurz vor: Der eine war Moses, der Leiter von D.C. in Swasiland, der über die Mittelverwendung und den Fortschritt des Projektes berichten sollte. Die zweite, eine schlanke, sehnige Afrikanerin in einem farbenfrohen Kleid, die aussah, als könnte sie, wenn notwendig, auch kräftig zupacken, sollte die konkrete Arbeit im Projekt erläutern.

      Moses ging ans Pult und malte in seinem akzentbehafteten, perfekten Englisch, das von einem österreichischen D.C.-Mitarbeiter summarisch übersetzt wurde, ein lebendiges Bild vom Land und seinen Problemen.

      „Swasiland ist im Vergleich zu den umliegenden Staaten sehr klein“, begann er auf Englisch, „unsere Hauptstadt, Mbabane, hat nur etwa sechzigtausend Einwohner, und wir haben vielfältige Probleme, allen voran natürlich Aids, die Seuche, die den gesamten afrikanischen Kontinent zu entvölkern droht. Neben dieser Katastrophe scheinen alle anderen Probleme so unbedeutend und klein, dass sie leicht vergessen werden könnten. Aber gerade das wäre falsch. Mit Aids müssen wir leben, und es wird so bald nicht heilbar sein, jedenfalls nicht für die Menschen in Afrika. Aber das soll und kann uns nicht daran hindern, es mit den anderen Herausforderungen, wie unzureichender Schulbildung, Missernten, mangelndem Know How in so vielen Bereichen und vielem mehr, unter dem die Menschen unseres Landes leiden, aufzunehmen.“

      Nach der sehr blumigen Einleitung, in der einiges an Pathos mitschwang, kam ein etwas sachlicherer Teil, in dem Moses genauer auf die Projekte einging und auch von seinen Verbindungen zur Regierung des Landes erzählte, das eine konstitutionelle Monarchie mit einem weitgehend uneingeschränkt herrschenden König war. Dem entsprechend gestalteten sich sehr viele Vorhaben schwierig, da sie letztendlich immer vom guten Willen des Monarchen abhängig waren. Der Data-Projektor war zur Unterstützung der Worte bereitgestellt. Es wurden vor allem Statistiken gezeigt, aus denen man die positiven Wirkungen des Projektes ablesen konnte. Eine Statistik gab Philipp zu denken: die durchschnittliche Lebenserwartung betrug dort unten weniger als 36 Jahre. ‚Bei uns war das vielleicht irgendwann im Mittelalter so, wenn die Pest durchs Land zog’, ging ihm durch den Kopf.

      Nach Moses erzählte die Afrikanerin – sie hieß Dafina – von ihrer Arbeit. Was sie sagte, war interessant, teilweise aber – gelinde gesagt – erschütternd. Sie erzählte über die Verwendung von Patenschaftsgeldern, für viele Kinder die Grundlage ihrer Entwicklung, über den Bau von Schulen, aber auch über die Betreuung junger Aidskranker, die wissen, dass sie nicht mehr lange zu leben haben und nur noch kurz für ihre Kinder, oft kaum dem Säuglingsalter entwachsen, sorgen können. Die Bilder zu ihrem Vortrag waren noch anschaulicher als bei Moses, da hier Menschen und nicht nur Statistiken zu sehen waren. Dementsprechend war auch die Reaktion des Publikums. Nachdem sie geendet hatte, herrschte eine Zeit lang Schweigen.

      Nach einer kurzen Pause ergriff der österreichische Mitarbeiter, der Organisation, der eine Art Moderatorenfunktion wahrnahm, wieder das Wort und dankte für die Referate, worauf er sich an das Publikum wandte mit der Bitte, Fragen zu stellen.

      Philipp war durch das Gehörte und Gesehene etwas verwirrt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Veranstaltung hier wirklich Eindruck auf ihn machen würde. Er war aber seltsam betroffen, ja, mehr noch, das alles hatte ihn unmittelbar berührt. Deshalb war er bei den ersten Fragen aus dem Zuhörerkreis, die irgendwelche Details zu den Patenschaften betrafen, geistig abwesend. Erst als eine junge Frau fragte, ob auch Österreicher bei Projekten im Ausland vor Ort als Mitarbeiter der Organisation mitmachen könnten, wurde seine Aufmerksamkeit wieder geweckt. Die Antwort war sehr ausführlich. Demnach war die Organisation interessiert an neuen Mitarbeitern, da man ohnehin unterbesetzt sei. Es sei allerdings eine Arbeit, die sehr viel Idealismus verlange. Der Verdienst sei angemessen, reich werden könne man damit aber nicht. Als die Information beendet schien, war das Interesse von Philipp noch nicht gestillt.

      „Welche Anforderungen müssen Ihre Mitarbeiter erfüllen?“ fragte er.

      „Nun, idealer Weise sollte Erfahrung in bestimmten Spezialbereichen vorhanden sein, zum Beispiel Medizin, Wirtschaft, Kranken- und Altenpflege oder Bodenkultur. Wenn jemand mit einer derartigen Ausbildung oder Berufspraxis zu uns kommt und wir uns dafür entscheiden, ihn aufzunehmen, wird er ausführlich über das Land, in das er entsandt werden soll, und über das Projekt geschult. Wie sie sich denken können, ist der Anreiz, den wir bieten können, nicht unbedingt dazu angetan, allzu viele erfahrene Leute zu uns ins Boot zu holen. Deshalb kommen auch viele unserer Mitarbeiter vor Ort aus dem Land selbst. Aber wie ich schon gesagt habe, es ist eine Frage des Idealismus. Wenn jemand sich für die Arbeit in einem unserer Projekte entscheidet, tut er es, weil er es aus innerer Überzeugung möchte und nicht wegen finanzieller oder sonstiger Anreize. Wir freuen uns über jeden, der für uns arbeiten will. Sollten Sie Interesse haben oder jemanden kennen, der sich so etwas vorstellen kann, ersuche ich Sie, uns telefonisch zu kontaktieren. Die Telefonnummer ist im Prospekt abgedruckt.“

      Philipp war mit dieser Antwort sehr zufrieden, auch wenn ihm selbst noch nicht wirklich bewusst war, warum er das alles eigentlich wissen wollte. Er nahm auch an der weiteren Diskussion regen Anteil. Bernhard zeigte sich ganz überrascht, da Philipp vorher gar nicht den Eindruck gemacht hatte, sich für das Ganze besonders zu interessieren.

      Zum Abschluss der Veranstaltung gab die afrikanische Sängergruppe noch ein Lied zum Besten, dazu wurde die Trommel geschlagen. Es stellte sich als die Wiederholung immer derselben Tonfolge dar, auf- und abschwellend, mit monotonem Rhythmus. Der Reiz des Vortrags lag in der Hingabe der afrikanischen Musiker, die mitklatschten, während sie ihren ganzen Körper im Rhythmus bewegten, und vor allem in der stetigen Steigerung der Spannung und Intensität des Gesangs, der die Zuhörer immer stärker mitriss. Es hielt sie nicht mehr auf ihren Stühlen, mehr und mehr standen auf und begannen mitzuklatschen und das, was sie hörten, mitzusingen, auch wenn sie kein Wort davon verstanden. Auch Philipp

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