Teilzeitküsse. Nancy Salchow
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Mir wird schlecht.
Mit ungeschickten Schritten laufe ich in Richtung Hügel, doch nirgends ist auch nur die Spur von ihm zu sehen.
„Neeeeeeoooo!“
Mein Hals schnürt sich langsam zu, mir wird heiß und kalt zugleich. Doch wie ich es auch drehe und wende: Ich muss es Jan sagen, bevor es noch schwieriger wird, den Hund zu finden. Auf seine Rufe wird Neo hören. Ganz sicher.
Kapitel 6
Der Blick, mit dem er die Wagentür hinter sich zuschlägt, lässt mich für einen Moment erstarren. Klar, er ist um Neo besorgt, doch in diesem kurzen Augenblick überkommt mich zum ersten Mal eine Ahnung, wie es sein muss, wenn er wirklich wütend auf mich ist.
„Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.“ Er schaut mich nur flüchtig an und lässt seinen Blick sofort in Richtung Feld schweifen.
„Bekommst du jetzt Ärger auf der Arbeit?“, frage ich nervös.
„Wo genau ist er dir denn abgehauen?“, ist seine einzige Reaktion.
„Ähm.“ Ich nicke zum Weg herüber. „Da vorne. Plötzlich hatte ich das Hundegeschirr in der Hand. Ich … ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte.“
„Du musst es falsch angebracht haben“, antwortet er hektisch. „Das Geschirr, meine ich.“
Ich möchte etwas antworten, doch es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden.
Er tritt auf das Feld und schiebt seine Finger in den Mund. Ein greller Pfiff erstreckt sich über das Feld.
„Neeeeeeooooo!“, ruft er und schiebt danach sofort wieder die Finger in den Mund.
Noch ein Pfiff – und noch ein Schwung Schuldgefühle, der mich wie ein Tornado überkommt.
„Jan, ich …“
„Wo bleibt sie denn bloß?“ Er schaut auf seine Uhr.
„Wer?“
„Na, Katja. Ich habe sie angerufen. Neo kennt unsere beiden Stimmen nun mal am besten. Es macht am meisten Sinn, wenn einer von uns hier am Weg bleibt, wo er entlaufen ist und der andere auf dem Feld nach ihm sucht.“
Ich schlucke mein Erstaunen herunter. Sicher hat er recht, aber ist ihm nichts Besseres eingefallen, als mich vor seiner Ex dermaßen bloßzustellen?
Doch mir bleibt keine Zeit, mich mit der Situation vertraut zu machen, denn schon im nächsten Moment sehe ich ihren roten Polo am Straßenrand parken.
Mit hastigen Schritten kommt sie auf uns zu gerannt.
„Oh mein Gott“, sie legt ihre Hände an Jans Arme. „Habt ihr ihn schon irgendwo gesehen?“
„Bisher noch nicht“, antwortet Jan.
„Und er ist dir hier weggelaufen?“, fragt sie mich mit einem Blick, in dem sowohl Entsetzen als auch Verzweiflung mitschwingen.
Ich nicke. „Ich dachte, du bist auf Dienstreise.“
„Nur eine Ganztags-Fortbildung in der Stadt“, stellt sie richtig. „Ich bin sofort losgefahren.“
Pah! Als ob Jan den Hund nicht ohne sie finden würde.
„Neeeeeeeeooooo!“, ruft er erneut.
„Neeeeeeeeooooo!“, steigt nun auch sie in die Rufe ein.
„Ich dachte, es wäre das Beste“, sagt er schließlich zu Katja, „wenn du in Richtung Feld gehst und ich hier den Weg entlanglaufe.“
Alles klar. Und die Hundegeschirr-Versagerin starrt in der Zwischenzeit ihre Schuhe an.
„Ich denke, dass er bald wieder auftauchen wird“, sagt Jan mehr zu Katja als zu mir. „Er wird nicht lange mit dem Reh mithalten können.“
Katja seufzt. „Ich hoffe, du hast recht.“
„Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte“, mische ich mich kleinlaut ein. „Es tut mir wirklich so leid.“
„Wir werden ihn schon wiederfinden“, sagt Jan, schaut mich aber noch immer nicht an.
Ist er wütend auf mich?
Oder einfach nur nervös?
„Es wäre wohl doch von vornherein besser gewesen, wenn ich die Fortbildung abgesagt hätte“, sagt Katja. „Dann wäre das nie passiert.“
Der indirekte Vorwurf macht mich rasend vor Wut. Am liebsten möchte ich sie bitten, so schnell wie möglich zu ihrer ach so wichtigen Weiterbildung zurückzukehren, doch im letzten Moment beiße ich mir auf die Unterlippe. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt für Aufmüpfigkeit, immerhin ist es meine Schuld, dass Neo weg ist – so wie es meine Schuld sein wird, wenn ihm irgendetwas passiert.
Schnell wische ich den Gedanken beiseite. Jan wird ihn finden. Ganz sicher.
Katja geht ein Stück aufs Feld hinaus. Jan folgt ihr, während ich wie ein ungebetener Gast hinterherschlurfe.
„Neeeeeeoooo!“, rufen sie nun gemeinsam. „Neeeeeeeoooo.“
„Warum hast du sie nur mit ihm gehen lassen?“, fragt sie ihn so leise, dass sie glaubt, ich könne es nicht hören.
„Sie wollte es nun mal. Und warum auch nicht? Ich habe mir nichts dabei gedacht.“
„Was dabei rauskommt, sieht man ja.“
Er murmelt irgendetwas, das ich nicht verstehen kann. Doch es spielt keine Rolle.
„Sag mal, glaubst du etwa, ich habe das mit Absicht gemacht?“, fauche ich sie von hinten an. „Ich habe auf ihn aufgepasst wie auf meinen Augapfel. Aber dann …“
„Wenn Wild auftaucht, herrschen einfach andere Gesetze“, sagt Jan schlichtend, vermutlich weil er ahnt, dass ein Streit zwischen zwei aufgebrachten Frauen in der Luft hängt.
„Genau deshalb muss man eben doppelt so gut aufpassen“, antwortet Katja, ohne sich zu mir umzudrehen. „Wenn du dich mit Hunden auskennen würdest, dann wüsstest du das.“
„Ja natürlich, du bist ja die Einzige, die weiß, wie man mit Tieren umgeht. Ich vergaß.“
Jan bleibt stehen. „Anna, bitte.“
„Anna, bitte?“ Meine Stimme zittert. „Nimmst du sie etwa in Schutz?“
„Ich nehme niemanden in Schutz. Ich will einfach nur Neo finden, okay?“ Er klingt nervös.
„Ich dachte, du wolltest am Weg bleiben“, sagt Katja zu Jan. „Ich kann auch allein weitergehen.“