Der Zarewitsch. Martin Woletz
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Читать онлайн книгу Der Zarewitsch - Martin Woletz страница 16
Der Mann schluckte, als er den Kreideumriss und das Blut am Boden sah. Ich sprach weiter russisch mit ihm.
„Ich werde Ihnen jetzt einmal die Situation erklären, in der Sie sich befinden. Und hören Sie damit auf so zu tun, als würden Sie mich nicht verstehen. Sie verstehen mich ausgezeichnet und ihre einzige Chance hier zu bleiben, ist mit mir zu reden. Ihr Freund da draußen glaubt jetzt bereits, dass Sie zum Verräter geworden sind. Da nützt es Ihnen gar nichts, dass ich Sie ausgetrickst habe.“ Der Mann blickte mich mit dunkelbraunen Augen traurig an. Ich hatte ihn gebrochen.
„Na sehen Sie, das ist ein Anfang. So ist es gut.“ Ich hatte den ersten Durchbruch geschafft. Die Männer sprachen also russisch und verstanden mich. Ich war auf die weiteren Erklärungen der Kollegin gespannt, die mir von einem kurzen Gespräch zwischen den Männern erzählt hatte, bevor ich am Tatort eingetroffen war. Eigentlich hatte nur der große Mann gesprochen, der kleine, mit dem ich gerade sprach, hatte nur genickt. Ich hoffte nur, dass die Beobachtungsgabe der Kollegin besser war, als ihre Ausdrucksweise.
„Dann sagen Sie mir jetzt, woher Sie kommen.“ Ich sah, wie der Mann mit sich kämpfte, entdeckte Angst und Verzweiflung in den Gesten des Mannes. Er würde bald reden. In diesem Moment war für mich nur die Information wichtig. Nicht die Motive, die dahinter steckten. Nicht, dass es mich völlig kalt ließ, aber es war in diesem Moment nicht entscheidend. Ob Angst, Verzweiflung, Gier, Neid, Rache oder ein psychischer Defekt - für mich waren diese Motive im Verhör nur Mittel zum Zweck. Wenn ich dann hatte, was ich wollte, überkamen mich ab und zu leichte Zweifel, ob ich zu weit gegangen war.
„Tschetschenien.“ Der Mann flüsterte das Wort.
„Ich komme aus Tschetschenien.“
„Wie heißen Sie.“
„Boris.“
„Boris, wie sind Sie hierhergekommen?“
„Schiff.“
Korelev wurde hellhörig. Mit dem Schiff waren seit einigen Jahren keine Flüchtlingsgruppen mehr gekommen.
„Wie sind Sie mit den Schleppern in Kontakt gekommen?“
„Vadim hat das gemacht.“ Der Mann deutete zum Boden.
„Vadim? Der Tote?“
Der Mann nickte.
„Vadim ist mein Bruder.“
„Und der andere Mann?“
Der Junge zuckte mit den Schultern.
„Weiß nicht. Er hat uns vom Schiff hierher gebracht.“
„Waren noch andere Leute am Schiff?“
„Nein.“
„Woher kannte Vadim den Mann.“
„Vadim und ich hatten Schulden bei dem Mann, weil er unsere Schwester nach Europa gebracht hatte. Sie musste vor ihrem Mann fliehen, weil sie studieren wollte. Der Mann hat Vadim und mir dann angeboten, einen Auftrag zu übernehmen. Damit wären wir die Schulden los gewesen.“ Der Mann sprach leise und abgehakt, als hätte er Angst, dass ihn der andere Mann hörte. Und er hatte ganz bestimmt Angst.
„Was für ein Auftrag ist das?“
„Das hat er nicht gesagt.“
„Solltet Ihr jemanden töten?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wie hoch waren die Schulden?“
„Zehntausend Dollar.“ Der Mann flüsterte jetzt fast.
„Haben Sie Vadim getötet?“
„Nein, warum sollte ich!“ Jetzt war die Stimme des Mannes laut und fest.
„Hat der andere Mann Vadim getötet?“
„Ich habe geschlafen. Ich weiß es nicht. Ich bin erst aufgewacht, als die Polizei hier war.“
„Novotny!“, brüllte ich in den Flur. Eine Sekunde später stand der Uniformierte im Türrahmen.
„Ja, Chefinspektor?“
„Haben Sie ein Telefon oder ein Handy oder Funkgerät hier gefunden?“
„Nein, Herr Chefinspektor!“
Dann wandte ich mich wieder an Boris.
„Kommen Sie Boris.“ Ich winkte ihn mit einem freundlichen Lächeln zu mir. Als Boris neben mir stand, legte ich den Arm um seine Schultern. Für den anderen Mann, der uns im Flur sehen konnte, musste der Eindruck entstehen, dass Boris alles ausgeplaudert hatte und derjenige war, der den Jackpot gewonnen hatte. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die Reaktion des Mannes auf die Szene und war zufrieden. Der Mann stieß einen wütenden Schrei in Richtung Boris aus und versuchte vergeblich die Handschellen abzustreifen. Ich ließ Boris auf einem Sessel im Raum Platz nehmen. Dann ging ich zu dem vor Wut schnaubenden zweiten Russen. Der war wirklich groß, kräftig gebaut und ein Kämpfer. Er sah mehr aus, wie ein Soldat und würde sicherlich nicht leicht zu knacken sein. Zumindest nicht mit bloßen Fragen.
„Novotny, kommen Sie her!“ Kaum hatte ich den Satz ausgesprochen, stand der Beamte neben ihm.
„Ja, Chefinspektor?“
„Novotny, nehmen Sie Boris und fahren Sie mit ihm ins Präsidium. Stecken Sie ihn in die gleiche Zelle wie Schweiger und achten Sie darauf, was die beiden tun. Vielleicht ist das noch wichtig.“
„Und soll ich Ihnen das dann sagen oder einen Bericht schreiben?“
„Novotny, wissen Sie, was einen guten Polizisten ausmacht?“
„Nein?“ antwortete der Beamte fragend, als wüsste nur ich die korrekte Antwort.
„Das sehe ich auch so. Fahren Sie jetzt endlich los. Berger!“
„Ja, Herr Chefinspektor?“
„Sie bleiben noch einen Moment hier bei unserem erregten Freund.“
„Und was soll ich tun, wenn er ausrastet?“
„Berger, was sind Sie? Polizist oder Hausmeister? Bringen Sie ihn dazu, dass er sich benimmt. Ist das machbar für Sie?“
Berger tippte wieder an die Mütze.
„Natürlich, Herr Chefinspektor. Ich wollte nur sicher gehen.“
Ich