Blutgefährtin 1. Thomas M Hoffmann
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Manchmal liege ich deswegen vor Sorgen wach. Ich bin die einzige, die sich noch um ihn kümmern kann. Mein Vater ist schon lange tot, Tante Anna lebt am anderen Ende der Erde und ich bin seine einzige Enkelin. Ich will ihn nicht alleine lassen, er braucht mich und ich brauche ihn. Aber ich will auf keinen Fall, dass dieses Weingut, das uns so unerwartet zugefallen ist, wieder verkommt. Meine Großeltern haben so viel Mühe hereingesteckt, die Erfolge haben sie unter so viel Arbeit erreicht, das soll nicht umsonst gewesen sein.
Außerdem ist hier mein zu Hause, wo ich glücklich sein kann nach der Hölle von San Diego.
Ich verdränge meine grüblerischen Gedanken, die Sonne strahlt und der Duft der Felder, die in voller Blüte stehen, steigt mir in die Nase. Ich hole tief Luft, es riecht nach Lavendel, Weinreben, Holz und Sommer. Ein Kichern steigt in mir hoch, weil ich an diesen Traummann von eben denken muss, da ist kein Platz für unangenehme Erinnerungen.
Als ich zu Hause ankomme, ist noch etwas Zeit bis zum Abendessen. Ich rufe Catherine, unserer Haushälterin, die nach dem Tod von Großmutter die volle Kontrolle über den Haushalt übernommen hat, ein kurzes Hallo zu und laufe auf mein Zimmer, um mich umzuziehen. Anschließend gehe ich noch ins Büro, um die Post durchzusehen. Großvater, als ehemaliger Banker, prüft zwar alle Umsätze und Rechnungen noch selbst, hat mir aber den Großteil der Buchhaltung überlassen, damit ich lerne, wie so ein Betrieb funktioniert. Um diese Zeit des Jahres haben wir etwa dreiviertel der Produktion verkauft und das deckt bereits die Kosten des Jahres.
Wir stehen ganz ordentlich da.
Der Hauptgrund dafür ist, dass wir mit einer unserer Lagen eine Bronzemedaille errungen haben. Das hat es uns ermöglicht, einen größeren Kundenkreis zu erreichen. Großvater arbeitet eifrig daran, auch noch eine Silbermedaille zu erhalten, aber meiner Einschätzung nach wird das ziemlich schwierig werden. Das Weingut war eben zu lange vernachlässigt und nicht bewirtschaftet worden.
Als Catherine zum Abendessen ruft, bin ich mit der Post durch, habe Rechnungen und Zahlungseingänge geprüft und alles abgeheftet. Ich gehe ins Esszimmer und sehe, dass Großvater bereits in seiner Zeitung blätternd am Tisch sitzt.
«Hallo Großvater», sage ich, umarme Großvater und gebe ihm einen Kuss auf seine rauen Wangen.
«Hallo Trish, mein Schatz», sagt Großvater und drückt mich. «Wie war die Schule?»
Ich verziehe das Gesicht. «Nichts Besonderes, außer dass die Lehrer jetzt, wo die Prüfungen bald anstehen, versuchen, versäumten Stoff nachzuholen. Das macht gehörig Stress.»
Man stelle sich das mal vor. Prüfungen in zwölf Fächern und in allen werden die Prüfungsfragen zentral vorgegeben. Wenn ein Lehrer in nur einem Fach mit dem Stoff nicht durchgekommen ist, fehlt der ganzen Klasse das Wissen, um die Prüfungen zu bestehen. Dummerweise haben so einige Lehrer die Zügel schleifen lassen. Was sie jetzt versuchen aufzuholen.
«Arme Trish. Musst Du noch etwas für die Schule machen?»
«Nein, ich konnte alles am Nachmittag erledigen. Nur nächste Woche schreiben wir eine Arbeit in Bio, da muss ich dann wohl auch abends noch etwas vorbereiten. Aber heute Abend gehe ich noch fix zu Morelle.»
Morelle ist mein Pferd, das bei unseren Nachbarn steht, die einen geeigneten Stall haben. So oft ich kann, gehe ich zu ihr und kümmere mich um sie. Zum Ausreiten komme ich dabei meist nur am Wochenende. Seit ich in der Oberstufe bin, hat die Schule so viel Raum eingenommen, dass das das Einzige ist, was mir vom Reiten noch geblieben ist.
«In Ordnung, Trish, tue das.»
«Und wie war dein Tag?»
«Ich habe heute die Ostlage inspiziert. Dort sind ein paar Pflanzen etwas kümmerlich und haben braune Blätter. Ich bin mir noch nicht sicher, mit was wir es hier zu tun haben. Aber ich habe vorsorglich mal ein paar Proben zu Doktor Chavier geschickt.»
«Meinst du, wir müssen die Stöcke herausnehmen?»
«Ich hoffe nicht, aber wir werden sehen.»
Jetzt setzen sich auch Jules und Catherine zu uns und wir beginnen mit dem Essen. Früher haben die Angestellten separat gegessen, aber seit Großmutter gestorben ist, war mir das zu einsam. Deshalb habe ich Großvater überredet, wenigstens diese beiden einzuladen und das hat sich bewährt. Mit Catherines mütterlichen Art und Jules ungezügeltem Optimismus können wir die Abwesenheit von Großmutter verdrängen, auch wenn ich immer das Gefühl habe, als müsste sie jeden Augenblick hereinkommen und sich lachend zu uns setzen. Ich glaube, Großvater empfindet das genauso. Manchmal, in bestimmten Situationen, schaut er plötzlich gedankenvoll und traurig auf den Platz, wo sie immer gesessen hat.
Bestimmt vermisst er sie schrecklich, so wie ich auch.
Aber ich darf mir nichts anmerken lassen, denn ich muss Großvater helfen, damit ihn dieser Verlust nicht überwältigt.
Nach dem Essen schwinge ich mich wieder auf mein Rad und fahre zu den Nachbarn. Ich verbringe eine Stunde damit, mit Morelle zu reden, ihren Stall sauber zu machen, sie zu bürsten und ihr ein wenig an der Lounge Bewegung zu verschaffen. Es ist bereits dunkel, als ich mich endlich mit dem Heather Graham Roman, den ich gerade lese, in den Sessel in meinem Zimmer kuscheln kann. Es ist ein wunderschöner Liebesroman mit einer leidenschaftlichen Heldin, einem gutaussehenden, wenn auch etwas widerspenstigen Helden und einer verwickelten Geschichte. Ich hoffe, sie kriegen sich am Ende.
Da klingelt mein Handy, es ist Chloé.
Seufzend lege ich das Buch beiseite um mir die Erlebnisse des Abends von Chloé anzuhören. In den letzten Monaten hat sie bei solchen Gelegenheiten hauptsächlich über Frank geredet. Nicht dass das nicht interessant wäre, aber schließlich ist er nicht mein Freund und die Geschichte von Heather Graham ist definitiv interessanter.
Freundinnen können ja manchmal so anstrengend sein.
Am Ende ist es mir dann doch gelungen, noch ein paar Seiten aus meinem Roman zu lesen, aber nur weil ich Chloé versprochen habe, dass wir uns am nächsten Tag nach der Schule in ein Café setzen, um ein wenig zu tratschen. Das hat auch den Vorteil, dass Inès dann dabei ist. Um nicht alles zwei Mal erzählen zu müssen, hat sich Chloé kurz gefasst. Wobei mir einfällt, dass ich sie darauf aufmerksam gemacht habe. Aber Chloé musste einsehen, dass ich Recht habe.
Nun ja, so konnte ich noch lesen, wie die Heldin ihrem Angebeteten den ersten Kuss abnehmen konnte. Innerlich muss ich grinsen, der arme Kerl hat gar keine Chance, er weiß es nur noch nicht. Leider wird es schnell zu spät und ich muss mich schlafen legen. Meine Träume sind gefüllt mit Bildern von Schönheiten und heißer Liebe.
Die Idee, nach der Schule noch ein wenig zu tratschen, findet Inés klasse und so sitzen wir am Nachmittag in dem größten Café von Lorgues. Genießerisch schlürfe ich meinen Milchkaffee, denn pur ist mir der französische Kaffee viel zu bitter. Ich habe keine Ahnung, wie die Franzosen dazu kommen, schwarzen Kaffee gut zu finden, vermutlich muss man hier geboren sein, um sich an so etwas zu gewöhnen. Chloé trinkt ihn so, sie behauptet immer, dass die Milch den Kaffee verwässert. Aber Milch nimmt der Bitterkeit die Spitze und rundet den Geschmack richtig gut ab. Das ist zumindest meine Meinung.
Inès hat mit Kaffee gar nichts am Hut. Sie behauptet, Kaffee würde die Haut unrein machen und man würde später Falten davon bekommen. Ich bin zwar der Meinung, dass es das Alter ist, was die Falten erzeugt, aber davon will sie nichts wissen. Also trinkt sie Mineralwasser, denn ein Saft oder gar eine Cola hat viel zu viele Kalorien.