Liebe findet immer einen Weg. Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Liebe findet immer einen Weg - Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski страница 3
kleine Büchlein wie einen wieder gefundenen Schatz in meinen Händen. Mir ist, als wäre ein singender Zugvogel wieder in mein Herz zurückgekehrt. Plötzlich verfliegt meine Müdigkeit, und ich mache es mir noch einmal zu fortgeschrittener Stunde auf der Couch gemütlich. Ich schlage richtig neugierig das Album auf und finde die ersten Eintragungen meiner verstorbenen Eltern vom Weihnachtsfest 1951. Die Briefe, die meine Eltern mir früher mal geschrieben haben, besitze ich leider nicht mehr. Aber nun blättere ich Seite um Seite um, und es spricht und singt mir förmlich aus allen Buchstaben entgegen.
Der Eintrag meines Konfirmators in mein Poesiealbum
Dieses kleine Büchlein habe ich bei all den vielen Umzügen immer mitgenommen. Damals war es ein inniger kindlicher Weihnachtswunsch von mir, auch so ein Poesiealbum zu bekommen, denn viele Mitschülerinnen hatten mir schon ihr Album zum Einschreiben mit nach Hause anvertraut. Außer meinen Eltern haben mir auch meine vier Geschwister jeweils einen lieben Spruch zur Beherzigung hineingeschrieben. Ich schlage ein paar Seiten weiter um, und ich finde wunderschöne Eintragungen von meinem langjährigen alten Lehrer, meinem Konfirmator, und besonders lebendig wird jetzt vor meinen Augen meine Handarbeitslehrerin, die mir ein Wort für meinen Lebensweg, in so ganz lieber und persönlicher Form in mein kleines Album geschrieben hat. Sie war eine kleine zierliche Frau mit sehr viel Engagement in ihrem Beruf, so habe ich sie jedenfalls als dreizehnjähriges Mädchen wahrgenommen. Wir lernten bei ihr viele Zierstiche von Hand zu sticken, meistens in zarten Pastelltönen. Einen farbigen Kissenbezug haben wir in dem so genannten Durchzugverfahren auch bei dieser liebenswerten älteren Dame herzustellen gelernt.
Monica Maria Mieck: untere Reihe – 4. von rechts
Und in der achten Klasse hatten wir am Montagnachmittag immer Kochen bei ihr. Das hat mir besonders viel Freude gemacht. Einmal war ich mit zwei Schulfreundinnen aus Langeweile bei ihr zu Hause an der Wohnungstür. Wir klingelten mutig, und es dauerte lange, aber sie öffnete uns mit verschlafenen Augen. Sie wies uns nicht einfach unwirsch ab, sondern sie schenkte jedem einen Apfel und entschuldigte sich bei uns mit dem Satz: „Ich bin nicht mehr so jung wie ihr, ich muss mein Mittagsschläfchen halten.“ Zufrieden und beschenkt liefen wir die Treppenstufen wieder auf die Straße hinunter. Ach, heute würde ich mich so gerne noch mit dieser, meiner alten liebenswerten Lehrerin unterhalten wollen, wenn es doch nur möglich wäre! – Mein Rektor hat mir einen sehr weisen Spruch in mein Album geschrieben, zur freundlichen Erinnerung und zur Beherzigung. Ich erinnere mich besonders gerne an diesen warmherzigen Mann, bei dem mir das Singen immer besonders viel Freude gemacht hat. Wie viel Liedgut hat er uns damals vermittelt. Noch heute schöpfe ich daraus für meine therapeutische Seniorenarbeit, die ich mit soviel Hingabe mache.
Ziemlich weit hinten, auf den fast letzten Blättern in meinem Album hat eine Klassenkameradin mir etwas zum Andenken aufgeschrieben. Sie wünschte mir Gesundheit, Glück und Lebensfrieden, dazu Herzensfröhlichkeit. Diese Schulkameradin habe ich nun auf unserem Klassentreffen vor zwei Jahren wieder gesehen. Es war eine innige und für mich wichtige Begegnung. Seitdem schreiben wir uns jede Woche ein bis zwei Briefe. Wir schenken einander volles Vertrauen, gehen auf jedwede Nöte ein, und wir teilen auch unsere Freuden miteinander. Manchmal leisten wir uns auch ein längeres Telefonat. Zu Weihnachten und zum Geburtstag schenken wir uns eine meist selbst gefertigte liebliche Kleinigkeit. Aber es kommt durchaus auch vor, dass die eine oder die andere ganz spontan eine kleine Freude mit der Post verschickt, die den manchmal schweren Alltag erhellen kann. So habe ich in der vergangenen Woche den Poesiealbumeintrag meiner Freundin kopiert und ihn ihr als Überraschung mit in den Brief gelegt. Inzwischen habe ich nun auch schon meinen 1952 in ihr Album geschriebenen Spruch kopiert in den Händen, den ich damals mehr instinktiv ausgewählt habe. Doch ich würde heute wieder meiner Freundin in ihr Poesiealbum schreiben: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Ich stimme mit Jean Paul voll überein, denn schon als kleine Mädchen haben meine Freundin und ich schon ihre Heimat verloren. Aber die wunderschönen Erinnerungen an meine pommersche Heimat, den Ostseestrand mit Wellen, Wogen und Sand, die weißen Möwen im Flug und das Barfußlaufen über die Muscheln werde ich niemals vergessen. Ein Stück Paradies war auch unser Gollenwald, in den wir mit unserer Mutter zum Blaubeerenpflücken und Pfifferlingesammeln gingen. Solche Erinnerungen wärmen mein Herz in schweren Stunden und kranken Tagen. Ja, sie helfen wir manchmal das schwere Heute zu meistern. Darum werde ich auch Mitte November, wenn ich wieder zum Klassentreffen in die Stadt meiner Jugendjahre fahre, mein Poesiealbum zuerst in meine Reisetasche legen. Denn mein kleines blaues Ledernes hat noch etliche leere Seiten, die ich mit „Klängen“ füllen lassen möchte, die ich noch gerne im Alter, vielleicht in einem einsamen Zimmer, wenn ich nicht mehr hinausgehen kann, gerne höre. Ich möchte noch ein paar Schätze einsammeln, wie man Früchte in einen Korb legt, damit ich mich im Winter meines Lebens daran laben kann.
Auch wenn du
nach einem schweren Schicksalsschlag
zunächst gebrochen am Boden liegst,
so kannst du doch wieder weiterwachsen
wie ein geknickter Baum,
der nach einem mächtigen Sturm
auch seitlich weiterwächst,
wenn seine Wurzeln noch
in der fruchtbaren Tiefe
verankert sind.
Erinnerungen an einen goldenen Sommertag
Beim morgendlichen Aufwachen freue ich mich schon riesig über die Sonnenstrahlen, die unser Kinderzimmer in eine Leuchtstube verwandelt haben. Dann darf ich heute auch gewiss mein schönstes Sommerkleid anziehen; das ganz dünne Weiße, aus durchsichtigem Voile, mit den bunten Blümchen darauf gestickt. Und ich brauche keine Schuhe anzuziehen. Herrlich, diese Leichtigkeit! Aber Schleifen hat mir die Mutter ins Haar gebunden, und im Spiegel schaut mir fast ein pastellfarbener Schmetterling entgegen, der sogar fröhlich singen kann. Eine kindliche Unbekümmertheit nistet sich in mir ein, so als könne mir niemand diesen goldenen Sommertag verderben. Geschwind laufe ich die Treppen herunter und spiele mit anderen Kindern auf der Straße Murmeln knipsen. Spielend kullern die kleinen Kugeln aus Ton, aber die Begehrtesten sind die aus Glas mit bunten schillernden Farbmustern darin. Meine nackten Füße bohren sich in den lockeren Sand hinein. Die warme Luft liebkost meinen kleinen fast nackten Körper. Später laufe ich durstig und hungrig zur Mutter in die Wohnung. Heute gibt es etwas Besonderes zu essen: Grießbrei mit Blaubeeren.
Nach dem Mittagsschlaf wird es draußen zunehmend dunkler. Es ist sehr schwül geworden, immer mehr dunkle Wolken rücken dicht zusammen. Dann folgen Blitz und Donner, und schon fallen die ersten Regentropfen auf die staubige und durstige Straße. Ich stehe gespannt am Fenster und schaue mir das wahrhaft himmlische Naturereignis an. Jetzt prasselt der Regen in dicken Tropfen laut an die Glasscheiben. Doch nach einer Weile hört es schon wieder auf zu regnen. Auf der Straße fließt nun im Rinnstein ein liebliches Bächlein entlang. Wohlig ist es, mit den nackten Füßen in der warmen Matsche zu wühlen, wie in einer dunklen Breimasse. Im weichen nassen Sand kann ich meine kleinen Fußabdrücke hinterlassen.