Liebe findet immer einen Weg. Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski
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Einmal, als mein älterer Bruder in der Adventszeit nach Hause kam, saß ich im Dunkeln ganz dicht auf einem Stuhl am warmen Küchenherd und sang allein Weihnachtslieder. Ich weiß noch heute, dass er zu mir sagte: „Wie schön gemütlich ist es, wenn du singst.“
Als junge Mutter habe ich dann das Singen wieder besonders gepflegt, als ich meine drei Kinder großgezogen habe. Ein Gutenachtlied beschloss immer den Tag, aber beim Baden und Wickeln „badete“ ich meine Kleinen förmlich auch in Liedern. Die schon etwas verstaubte selbst gebastelte Handpuppe, die noch heute auf dem Bücherbord ihren Platz hat, war einst ein Instrument voller lebendiger Musik mit Hilfe meiner Stimme. Vielleicht erlebt diese erinnerungsträchtige Puppe ja noch einmal eine klangvolle Zeit, wenn ich ein Enkelkind zu betreuen habe. Hinzu kommt, dass ich mir die vielen eintönigen Arbeiten im Haushalt durch allerlei Gesänge verschönt und damit erleichtert habe. Beim Blumengießen trällerte ich, mit der Gießkanne in der Hand, immer das kleine Lied: „Meine Blümchen haben Durst...“ Schon bald konnte der Älteste seinem neugeborenen Brüderchen ein Kinderliedchen singen und ihn damit manchmal so bei froher Stimmung halten, bis ich das Milchfläschchen fertig hatte.
Inzwischen sind die Kinder längst erwachsen und alle fortgezogen. Doch das Singen habe ich deshalb zum Glück nicht verlernt. Jetzt fange ich den neuen Tag nach dem Frühstück immer mit zwei bis drei Liedern an. Das stärkt mich für das Tagewerk, lässt mich nachsinnen, wofür ich wohl zu danken Anlass habe. Und während der Autofahrten in den Urlaub oder zu kleineren Ausflugszielen unterwegs unterhalte ich meinen Mann und mich hingebungsvoll mit lustigen Wander- und Volksliedern, die ich immer noch textsicher schmettern kann.
Jedoch seit über sieben Jahren habe ich eine neue, besonders schöne Erfahrung mit dem Singen gemacht, die mich allwöchentlich immer wieder so beeindruckt, dass ich sie mitteilen möchte. Also ich fahre jede Woche für einen Nachmittag in ein Senioren- und Pflegeheim, um mich dort um die hoch betagten Menschen intensiv therapeutisch zu kümmern. Vorausschickend muss ich erwähnen, dass ich zu allen alten Menschen dort im Heim ein sehr herzliches Verhältnis aufgebaut habe und auch pflege. Nachdem ich jeden einzelnen begrüße und nach seinem Befinden frage, beginnen wir unsere gemeinsamen Aktivitäten mit leichter Gymnastik meistens nach Walzermusik von der Kassette. So lockern wir fast spielerisch unseren Körper und befreien die manchmal schon steifen Glieder aus ihren Ketten. Danach tragen wir alle bei einem fröhlichen Wörterspiel unsere geistigen Einfälle zusammen. Doch ein paar der lieben Alten aus unserem Kreise können, durch die Alzheimer-Krankheit bedingt, nicht mehr bei diesem geistigen Training mitmachen. Aber wenn ich dann zu Beginn des dritten Teils unseres Nachmittags ein bekanntes Lied anstimme und meine Augen dabei in die Runde schauen, erblicken sie zu meinem großen Erstaunen, dass tatsächlich während des Singens ein Wunder mit den Erkrankten geschehen sein muss, denn sie können plötzlich eine Strophe nach der anderen mitsingen. Ihr Langzeitgedächtnis funktioniert noch im wahrsten Sinne des Wortes wunderbar. Die Menschen, die mir nicht einmal mehr sagen können, was für ein Wochentag heute ist, singen eine halbe Stunde lang auswendig aus ihrem Gedächtnis die schönen Volkslieder, die sie gewiss früher einmal in der Schule gelernt haben. Und wenn ich dann in diese Gesichter schaue, sehe ich, wie das Verkrampfte dem Entspannten Platz macht, ja wie Leben und Glanz sich in den sonst trüben Augen wieder ausbreitet. Einmal kam unangemeldet ein Sohn einer alten Dame mitten in unsere ‚Singerei’ hinein. Die Mutter hatte ihren Besuch gar nicht gesehen, und staunend blieb der Sohn im Türrahmen stehen, eben weil er gar nicht wusste, dass seine an Alzheimer-Krankheit leidende Mutter überhaupt noch singen konnte. Dieser Sohn störte uns überhaupt nicht; während wir nach individuellen Wünschen ein Lied nach dem anderen sangen, lauschte er aufmerksam unseren Stimmen. Ich sehe ihn noch heute dort an der Tür stehen, aber vor allem werde ich sein glückliches Gesicht nicht vergessen. Vielleicht hat er einen neuen Zugang zur „singenden Seele“ seiner erkrankten Mutter wiedergefunden. Und ich merke immer wieder in diesem Kreis, dass unser gemeinsames Liedersingen uns verbindet, auch da, wo wir uns im Miteinanderauskommen vielleicht entzweit haben, und es wärmt, wie eine große Familie es kann, und schützt uns vor trüben Gedanken. Häufig wird von einem der Anwesenden das Lied: „Großer Gott, wir loben dich...“ vorgeschlagen. Trotz aller Altersschwächen und Gebrechen singen wir ein gemeinsames Gotteslob. Es kommt natürlich vor, dass jemand mal von der Melodie etwas abweicht, aber das stört das fröhliche Miteinander nicht, Hauptsache, die Töne kommen von Herzen. Obwohl ich nicht gelernt habe, ein Instrument zu spielen, trage ich doch ein von Gott geschenktes Instrument immer in mir, als kostbare Gabe, für die ich sehr dankbar bin: meine gesunde Stimme; sie ist eine herrliche Freudenquelle für mich und andere, die mir jederzeit zur Verfügung steht.
Sommergesang
Lob, Preis und Dank
dem Schöpfer aller
wunderbaren Werke.
Freude, Freude, so viel Freude
verspüre ich beim Anblick
einer einzigen Mohnblume.
Sie wärmt mein Herz
wie eine rote Kerze
an einem grauen Alltag.
Und Du, Schöpfer aller Dinge,
stellst mir aus Liebe
immer wieder zur rechten Zeit
Freudenlichter an meinen Weg.
Mein Herz jubiliert
wie eine Lerche,
mein Mund singt Dir
einen dankvollen Sommergesang.
Eine Liebeserklärung an eine kleine Stadt
Der Umzug aus der von Ruß verschmutzten Industrie-Großstadt, mit ihren vielen Zechen, Hochöfen und Brauereien saß mir noch in den Knochen, und meine Nerven waren schon lärmgeschädigt. Die laute Stadt im Kohlenrevier trug dennoch geduldig und nicht ohne Stolz das schwarzgraue Kleid der Wirtschaftswunderjahre und der Vollbeschäftigung. Aber ich war in gewisser Weise auch etwas verwöhnt von den durchgehend geöffneten Geschäften. Nun aber stand ich plötzlich vor der verschlossenen Tür des adretten Krämerladens. Ich brauchte aber dringend noch ein paar Zutaten für mein geplantes Mittagessen. Verärgert stellte ich fest, dass ich die benötigte Margarine und das Mehl erst wieder um 15 Uhr kaufen konnte. Auf dem Nachhauseweg stolperte ich mehrmals auf dem ungewohnten Kopfsteinpflaster. Meine zierlichen Schuhe boten mir nicht genug Schutz vor den harten Steinen. Beim ersten gemeinsamen Abendbrot in der Altbauwohnung, in unserem neuen Zuhause, sagte ich zu meinem Mann: „Hier begegnet einem ja in der Einbahnstraße eine Kuh.“ Überheblich und frustgeladen hatte ich Großstädterin diesen Satz aus meinem vorschnellen Mund geschleudert.