Königreich zu verschenken. Nicole Gozdek
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Fast da! Die nächste Abzweigung nach rechts. Geschafft! Er hatte die Innenstadt erreicht. Das wäre doch gelacht, wenn es ihm hier nicht gelingen sollte, seine Verfolger abzuhängen!
Uahh! Mülltonne! Welcher Idiot stellte sonntags seine Mülltonne raus?
Er atmete mühsam ein und aus. Vor Schreck wäre ihm fast das Herz stehen geblieben. Das war knapp gewesen. Da hatten bis zum Zusammenstoß nur Millimeter gefehlt.
„Aargh!“
Alexander gestattete sich ein flüchtiges Grinsen. War es Wiesel? Ein Blick zurück sagte ihm, dass er sich geirrt hatte. Das wäre auch zu schön gewesen, wenn Wiesel im Müll gelandet wäre, wo er Alexanders Meinung nach hingehörte. Aber dafür waren es nur noch zwei. Alexander machte sich Mut. Das sollte doch zu schaffen sein! Schließlich hatte er schon fünf abgehängt!
„Alexander!“
Sein Gesicht verzog sich zu einer enttäuschten Miene. Das war auch zu schön gewesen, um wahr zu sein! Neue Verfolger! Gab es denn hier irgendwo ein Nest?
Aus einer Nebenstraße tauchten fünf Gestalten auf, die Alexander nur zu vertraut waren. Aber nicht die fünf abgehängten Jäger, oh nein! Neue Jäger, die anders als Alexander, Wiesel und Kumpan noch völlig frisch waren.
„Hierher!“
Der Anführer machte Alexander ein Zeichen. Alexander erkannte ihn. Adler. Dieser hieß wirklich so, das war kein Spitzname, den Alexander ihm verpasst hatte. Aber trotzdem passte der Name wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Mit der Adlernase und den stechenden Augen hätte man ihn wirklich gut für einen Raubvogel halten können. Alexander hatte sich eines Tages mal den Jux erlaubt und sich Adlers Personalausweis zeigen lassen. Um sicher zu gehen, wie er sagte. Sein Großvater hatte das nicht komisch gefunden.
Adler wiederholte seine Aufforderung: „Hierher!“
Alexander kam es flüchtig in den Sinn zu gehorchen, doch dann dachte er an die Demütigung, die im Anschluss daran folgen würde, erst durch Adler und dann durch seinen Großvater. Nicht mit ihm! Er war doch kein kleines Kind! Er kam gut alleine klar!
Er hörte Adler fluchen, als er in die entgegengesetzte Richtung abbog. Erst jetzt bemerkte er den Lärm vor ihm, der langsam lauter wurde. Stimmen, die brüllten und anfeuerten. Alexander fühlte sich in ein Fußballstadion versetzt. War das nicht auf der anderen Seite der Stadt? Er hielt sich die Hand vor Augen, um gegen die Sonne besser sehen zu können. Was konnte das bloß sein?
Abbiegen konnte er nicht. Eine schnurgerade Häuserreihe führte ihn direkt auf die Ursache des Lärms zu. Mist! Er hatte doch versucht, Menschenmengen zu vermeiden, die ihn hätten aufhalten können!
Fast da. Der Lärm wurde ohrenbetäubend.
„Fred, Fred!“
„Durchhalten, Paul! Ich weiß, du schaffst es!“
„Ich bin so stolz auf dich, Peter!“
Der Marathon!
Alexander schlug sich angesichts der Menschenmenge, die sich auf dem Bürgersteig direkt vor ihm versammelt hatte und die Läufer anfeuerte, vor den Kopf. Wie hatte er nur den jährlich stattfindenden Marathon vergessen können? Kein Wunder, dass Adler und die anderen ihn so leicht aufgespürt hatten! Sie mussten gedacht haben, er hätte die Absicht gehabt, ihn sich anzusehen, wie jeder andere Bürger der Stadt!
Adler kam in Sicht. Er hatte Alexander schon gesehen. Aber vorausschauend wie er war, vermied er es, ihn erneut zu rufen. Auch die anderen waren dicht hinter ihm.
Ein Gedanke schoss Alexander durch den Kopf. Das war doch die Gelegenheit! In der Menschenmenge konnte er sich gut verstecken!
Er versuchte, sich etwas weiter nach vorne zu drängeln. Doch das brachte ihm nur wütende Proteste, einige Ellenbogenstöße und einen ordentlichen Tritt ans Schienbein ein.
„Stell dich gefälligst wieder nach hinten, Mistkerl!“
„He! Wir waren zuerst hier!“
Da war kein Durchkommen. Im Rücken der Zuschauer lief er an den Häusern entlang. Plötzlich erspähte er eine Lücke. Und wenn er ...
Ein weiterer flüchtiger Blick zurück. Seine Verfolger waren ihm immer noch dicht auf den Fersen. Alexander beschloss, es zu riskieren. Flink rannte er durch die Lücke auf die Straße zu den Marathonläufern.
Die Lücke schloss sich hinter ihm. Alexander hörte Adler fluchen. Er hatte es nicht mehr geschafft, die Gunst der Stunde auszunutzen. Nun musste er sich durch wütende Zuschauer drängeln.
Einen Augenblick lang lächelte Alexander. Er hatte es geschafft! Doch das Grinsen gefror ihm auf dem Gesicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Adler so leicht aufgeben würde. Ein Blick zurück bestätigte seine Befürchtung. Adlers Kollegen hatten zu ihm aufgeschlossen und gemeinsam bahnten sie sich nun einen Weg durch die Menge. Auf der Straße angelangt, setzten sie die Verfolgung fort.
Alexander dirigierte seine Schritte langsam, aber entschlossen nach rechts zum anderen Straßenrand. Meter um Meter gewann er. Nur noch drei Läufer trennten ihn von der anderen Straßenseite. Hier standen auch weniger Zuschauer. Glück musste man haben!
Doch Alexander hatte es an diesem Tag nicht.
„Hi, ich heiße Peter!“, schnaufte ihm sein Nebenmann liebenswürdig ins Ohr. Ein Blick nach rechts zeigte Alexander einen Mann um die vierzig, stark übergewichtig und stark schwitzend. Ein großes Handtuch lag auf seinen Schultern, mit dem er vorsichtig den kontinuierlich rinnenden Schweiß abtupfte. Es war Alexander ein Rätsel, wie dieser Mann auf die Idee kommen konnte, einen Marathon zu laufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er vor Zielende mit einem Herzinfarkt zusammenbrach, lag bei über neunzig Prozent.
„Ich mache zum ersten Mal mit. Und du?“ Er schnaufte erneut. „Wie heißt du?“
Sollte er lügen? Ihn ignorieren? Doch irgendwie hatte Alexander Mitleid mit dem Kerl, der wahrscheinlich ein Pantoffelheld war und den Marathon nur seiner Frau zuliebe mitlief, damit diese beim nächsten Kaffeekränzchen mit ihrem Peter angeben konnte.
„Etwa der Peter, der vorhin angefeuert wurde?“, fragte er.
Sein Nachbar nickte stolz mit dem Doppelkinn. „Meine Frau“, erklärte er, „ist ein richtiger Fan des jährlichen Marathons. Letztes Jahr ist einer unserer Nachbarn mitgelaufen und kam doch glatt ins Ziel, obwohl er schon sechzig ist und zum ersten Mal teilgenommen hat! Und da meinte mein Schatz, dass ich das, was der kann, schon lange kann“, stieß Peter, von unzähligen Schnaufern unterbrochen, hervor.
Ab und zu hatte er einen Blick über die Schulter riskiert, doch Adler und die anderen waren immer noch da und kamen näher. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, um sie abzuhängen.
Da! Rechts standen keine Zuschauer mehr. Alexander hatte sich geschickt an den Rand des Feldes manövriert und konnte sich nun bequem unbemerkt vom Feld absetzen. Er bog in die nächste Seitenstraße ein.
„Du kennst eine Abkürzung?“
Alexander zuckte