Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch
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Читать онлайн книгу Unbewältigte Vergangenheit - Henry Kahesch страница 11
„Sie haben aber eine tolle Beobachtungsgabe und ein phänomenales Gedächtnis“, so KHK Heller.
„Ja, ja, Respekt“, fügte Scholtysek kurz an.
„Aber meine Herren, das ist noch nicht alles!“, sprudelte Degoth weiter. „Während sie Scholtysek nach Bergen fuhren, flanierten wir auf der Strandpromenade und machten einen Schaufensterbummel. Dabei beobachtete ich, nein, nicht meine Frau“, Chantal schmunzelte, „an der Landungsbrücke Aktivitäten. Und siehe da, kurz davor standen der besagte Kellner und der Fremde erneut in ein intensives Gespräch vertieft.“
„Ja, aber doch ein alltäglicher Vorgang, so Scholtysek und kein....“
„Stopp, halt mein Lieber, denn plötzlich rannten sie, wie von einer Tarantel gestochen, los zur Brücke, schnurstracks auf ein Boot zu. Dort stiegen sie ohne Umschweife ein. Sie starteten direkt das Schnellboot und waren binnen ein oder zwei Minuten in hohem Tempo auf und davon.“
„Aber mein Lieber – beide lachten – ist doch immer noch legal, wie?“
„Sicher, aber hier Scholtysek, haben sie die Nummer des besagten Liegeplatzes und der von den Nachbarbootsanlegeplätzen. Sicher ist sicher, dachte ich mir!“
Chantal schaute ihn lächelnd an und sagte: „Du bist mir ein Schelm, erklärst, wie schön es ist auf diese Brücke zu laufen und dann recherchierst du mal eben nebenbei!“
„T` schuldigung mein Liebling!“, kam es über seine schmalen Lippen.
Die Polizisten amüsierten sich. Bevor das Essen aufgetragen wurde, ergriff Scholtysek das Wort: „Finde ich wirklich sehr umsichtig Degoth, das hat was, wirklich, sie fehlen mir im Polizeidienst!“ Und mit Blick zu dem ersten Polizeioffizier Heller sagte er weiter: „Was meinen sie, wäre doch einer für unsere Truppe.“ Heller grinste, und bejahte es! Was sollte er in dem Moment auch dem Kriminaloberrat anderes antworten?
„Schwören sie ihre Leute ein, Heller. Sie sollen an alles, aber behutsam, ran gehen. In diesem Stadium wollen wir absolut keine Öffentlichkeit, kein Aufsehen erregen, ist das klar? Schon gar keine Presse. Unbedingt beachten, denn sonst machen wir die Pferde scheu und der Schuss geht nach hinten los!“
„Ja selbstverständlich Chef, ohne Frage!“, meinte Heller.
„Was wurde mittlerweile eigentlich aus dem Skelett?“, mischte sich Degoth wieder ein.
„Darum kümmerte sich die Rechtsmedizin. Wurde bereits eine Stunde nach dem Gespräch am
Strand abgeholt. Noch auf der Seebrücke stehend, telefonierte ich.“
„Ist auch nicht von schlechten Eltern, ihr Einsatz“, so Degoth.
Sie brachen alle in ein schallendes Gelächter aus. Und befanden, bei dem Ernst der Sache, dürfte Humor trotzdem nicht zu kurz kommen. Während des Essens, darum bat Degoth zuvor, wollten sie im Beisein seiner Frau nicht mehr von dem Fall reden. Es sollte locker und entspannt zugehen. Bei dieser Verabredung blieb es auch. Nach dem Essen trennten sich ihre Wege. Degoth ging mit den Kollegen der Polizei zur Landungsbrücke und seine Frau flanierte währenddessen in die Seitentrasse Sellins. Einige Modegeschäfte hatten es ihr besonders angetan! Aber das war für Michel Degoth wirklich nichts neues.
Degoth führte die Polizisten, die gerade auf der Brücke eintrafen, an die besagte Stelle. Einige Minuten später nahm Heller bereits Kontakt mit der Wasserschutzpolizei auf. Sein Anliegen, die Namen der Bootsanlieger in Erfahrung zu bringen. Es hieß von Beginn an Steinchen für Steinchen zu untersuchen, damit das Mosaik irgendwann die kommenden Tage Konturen annehmen würde.Diese Zeit nutzten Scholtysek und Degoth um erneut zu philosophieren, ob es ein tragischer Unfall gewesen sein könnte, der, womöglich vor Verzweiflung vertuscht wurde. Oder, ob ein geplanter Mord eine Rolle spielte. „Oder“, fügte Degoth kurz und bündig an, „gar einen Serienmörder sein Unwesen treibt.“
Diese Unsicherheit würde solange bleiben, bis die Rechtsmedizin verwertbare Spuren gefunden hat. Darüber waren sich die Ermittler einig. Der KOR nutzte nun die Gelegenheit und setzte Degoth ins Vertrauen. Er berichtet, dass vor einigen Tagen eine Leiche gefunden wurde, die in der Rechtsmedizin zwar untersucht wurde, aber bislang keine Anhaltspunkte für einen Mord ergab. Es wäre aber auch nicht zweifelsfrei zu belegen, dass es Selbstmord gewesen sei.
„Aber, wenn ich mir das recht überlege“, sprach Scholtysek weiter, „könnte einiges, was über lang Jahre ungeklärt blieb, tatsächlich damit in Verbindung gebracht werden. Lassen sie mich nochmals rekapitulieren! Spurlos verschwanden einige Bürger. Ungeklärte schwere Raubüberfälle stehen noch in den Akten der Ermittler. Jetzt der Leichenfund in den letzten Tagen. Und schließlich das Skelett am Strand Sellins. Also, leichtgläubig bin ich nicht, alleine schon von Berufs wegen, aber hier steckt mehr dahinter!“
Degoth stimmte zu und folgte weiter seinen überzeugenden Worten. Ihm wurde klar, bevor er in den
„Fall“ richtig einsteigen konnte, musste er umfangreiche Informationen erhalten. Anders war das nicht zu bewältigen. Der Kriminaloberrat Scholtysek oder wie seine Mitarbeiter ihn meist nannten, der KOR, blieb am Ball und redete weiter.
„Ach wissen sie Degoth, der Fall steht erst am Anfang. Da werden wir noch viele Fragezeichen machen müssen! Offen, unvoreingenommen an die Sache ran zu gehen, ist für uns Kriminale eh oberstes Gebot. Da können wir mit Indizien nichts anfangen; mein Weg ist es in keinem Fall. Ein Indizienprozess ist ein Spiel mit dem Feuer. Warum werden sie sich fragen! Ganz einfach, weil sie den Fall letztendlich nie ganz los werden. Zweifel, ob der oder die Verurteilte berechtigterweise sitzen, kann keiner ausräumen. Deshalb halte ich mich an die Regel: Im Zweifel für den Angeklagten, nicht für die Indizien.“
„Scholtysek, das trifft auch meine Überzeugung. Warten wir also die ersten Ergebnisse der Rechtsmedizin einfach ab. Mord oder Selbstmord wird ja, was der aktuelle Leichenfund betrifft, bestimmt festgestellt werden. Oder? Viel komplizierter wird es sicher bei dem Skelett. Trotzdem, ich bin zuversichtlich , dass uns die Rechtsmedizin in beiden Fällen schon Wege zur Lösung aufzeigen wird. Was meinen Sie?“
Scholtysek nickte zunächst stumm. Also, hier waren sie sich schon mal einig. Das war, so stieg es Degoth in den Sinn, ein vielversprechender Start für die anstehende Zusammenarbeit. Gerade kam Heller von dem Anlegeplatz zurück und berichtete, dass der Liegeplatz Nummer einhundert fünfzehn auf einen gewissen Friedrichs reserviert sei, und die Plätze links und rechts jeweils einem Inhaber von Ladengeschäften aus Sellin zur Verfügung stünden. Die jedenfalls seien bekannt und jederzeit erreichbar. Dagegen sei ihnen ein Friedrichs völlig unbekannt. Der wachhabende Polizist der Wasserschutzpolizei