Unbewältigte Vergangenheit. Henry Kahesch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Unbewältigte Vergangenheit - Henry Kahesch страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Unbewältigte Vergangenheit - Henry Kahesch

Скачать книгу

in dem Moment sah er ihn allerdings wieder. An seinem seltsamen Gang, den er sich gut einprägte, erkannte er ihn zweifelsfrei. Auch, wenn er diesmal in Zivil unterwegs war. Zumindest auf sein Äußeres legte er also großen Wert. Er stürmte die Treppe hinunter, direkt zum Strandbad. Die ganze Zeit ließ Degoth ihn nicht mehr aus den Augen, die sich an seine Fersen hefteten. Jetzt aber blieb er unverhofft stehen, stocksteif, wie es ihm eigen war. Mit dem anderen Auge, er blinzelte in die hochstehende Mittagssonne, sah Michel einen Mann auf den Kellner zusteuern. Vornehm gekleidet, schwarze Haare, seine Schuhe und Strümpfe in der linken Hand haltend. Schnell, so beobachtet er, kamen sie ins Gespräch.

      „Das ist....., die müssen eine Verabredung haben ..“, ging ihm durch den Kopf! Schließlich standen beide eine Zeitlang am Ufer, erst dann gingen sie einige Schritte weiter. Seine Blicke verfolgten wie gebannt alle Szenen, konnten sich nicht lösen. Mit vielen Worten übergaben sich gegenseitig etwas. So viel erkannte er nun. Als sie sich umdrehten, sah er, dass dieses gewisse Etwas in weißem Papier eingewickelt war. Das alles geschah, wenn auch in aller Öffentlichkeit, recht geheimnisvoll. Die Worte die sie sprachen hörte er zwar nicht. Gestik und Mimik verdeutlichten ihm jedoch, dass hier irgendetwas außergewöhnliches ablaufen musste.

      „Mein kriminalistisches Gespür scheint gefordert“, sagte er in sich hinein. Dann blickte er zu Chantal, die unverändert bequem die Landschaft und die Menschen beobachtete. Als er sich erneut umdrehte, den Faden wieder aufnehmen wollte, waren die Männer jedoch wie vom Erdboden verschwunden. Am Sandstrand jedenfalls konnten seine Augen sie nicht mehr erblicken. Verdammt, murmelte er, eine Sekunde nicht aufgepasst und meine ganz Observierung ist im Eimer. Sofort gab er Chantal ein Zeichen und stand auf. Sie blickte voller Unverständnis! Schließlich folgte sie seiner Aufforderung. Eilig gingen beide die Treppe hinunter zum Strand. Und das Erinnerungsvermögen kam zurück: sie spürten wieder die Angenehme des feinen, warmen Sandes, der bereits erstmals vor wenigen Stunden, ihre Füße umspülte. Trotz der vielen Besucher war es relativ still. Sie genossen

      es.

      „Aus der Traum, die Spur finden wir nicht mehr“, gab Degoth von sich. Verärgert über sein Unvermögen, zog er sich zurück und ging mit Chantal unverrichteter Dinge den Weg zur Treppe, die hoch auf die Bäderstraße führte. Abrupt blieb er jetzt stehen. Beinahe stockte ihm der Atem! Man sah es ihm an. Was er da vermutete, ja, er traute seinen Augen kaum, trieb ihm das Entsetzen ins Gesicht. Stimmte das wirklich? Was er erahnte, auch, wenn er durch die intensiven Sonnenstrahlen geblendet wurde, konnte er sich nicht irren. Immer wieder und immer wieder hob er seinen Kopf und schaute an die besagte Stelle unter der Holzbrücke. Aus der Ferne, sollte ihn einer beobachten, musste man ihn für einen Verrückten halten. Wenn das zutrifft, dann rollte ein großer Kriminalfall auf Rügen zu. Schwirrte ihm durch den Kopf. In der dunkelsten Ecke lag tatsächlich etwas. Jetzt war es ihm klar, das war keine Halluzination! Das Etwas schimmerte leuchtend hell, schien weiß zu sein. Nur deshalb fiel es ihm wohl überhaupt auf, fand er. Chantal schaute währenddessen in eine ganz andere Richtung. Von alledem bekam sie nichts mit.

      „Provozierte da jemand Aufmerksamkeit?“, schoss es ihm durch den Kopf. Die Neugierde packte ihn, auch wenn er vor lauter Angst bald schlottrige Knie bekam. Ja, auch ein Hobbykriminologe ist manchmal schwach! Er spekulierte, bevor er unter die Brücke ging, was es ein könnte. Hell schimmernd, aussehend wie ein Gerippe. Was konnte sich dahinter verbergen? Das war ihm nun wirklich zu suspekt. Schließlich fasste er sich ein Herz und stieg unter die enge Treppe. Erste Schweißperlen liefen schon die Stirne runter. Nein, es war nicht nur der Schweiß durch die Sommerhitze. Nein, es war Schweiß der Spannung, erzeugt durch die Ängste, die sich in ihm stauten. Adrenalin wurde in großen Mengen freigesetzt. Dann fasste er es an, dass Etwas, wie er es nannte. Und tatsächlich, in dem weißen Paket steckten knochige Teile. Hin und her drehte er es, wollte es öffnen! Verwarf es wieder. Der Mut, der ihn anfänglich stark machte, schien seinen Körper verlassen zu haben. Chantal, die immer noch am Strand weilte, hegte keinen Verdacht. Sie stand nach wie vor interessiert herum und beobachtete in alle Richtungen. Seine Neugierde gewann wieder Oberhand. Erneut schaute er das weiße Päckchen an. Sehr vorsichtig, gar sorgfältig, nahm er es an sich und fühlte, immer wieder. „Ja“, sagte er sich, „das muss es sein!“ Aussprechen mochte er es nicht. Handelt es sich wirklich um eine menschliches Skelett? Oder träumte er es bloß? Beides war natürlich möglich, sinnierte er. Plötzlich grinste er spöttisch, wenn auch verhalten. Ihm fiel ein, dass es schließlich Kunststoffteile sein könnten. „Sicher hat sich hier jemand einen Scherz erlaubt! Wenn auch einen ziemlich derben!“ , redete er leise vor sich hin. Seine derzeit ambivalente Haltung machte es ihm nicht einfacher. Eins jedoch war ihm offensichtlich: da muss was passiert sein! Dann hatte ihn seine Hobby kriminalistische Neugierde endgültig im wieder im Griff. Die Geschichte wollte er sich keinen falls entgehen lassen. Gut so! Nur mit dieser Motivation war er in der Lage klar zu denken, zu rationalen Ergebnissen zu gelangen. Und wie zur Beruhigung sagte er selbst motivierend: „Vorhin lag es jedenfalls nicht hier“.

      Als er aus der Dunkelheit hervortrat, schaute er zu seiner Frau. Mit ernster Miene rief er ihr etwas zu. Da sie immer noch einige Meter Richtung Strand stand, konnte sie, bei dem derzeitigen Stimmengewirr und dem sich anbahnenden Orkan, sicher nichts hören. Unmöglich sagte er sich! Auspacken und anfassen wollte er nichts. Schließlich wusste er, dass für die kriminaltechnischen Untersuchungen von hoher Relevanz war, dass keine zusätzlichen Fingerabdrücke darauf abgebildet wurden. Aber was sollte er Chantal erklären? Seine Unsicherheit kehrte zurück. Laut, aber nicht schreiend, rief er zu ihr hinüber: „Was soll ich bloß tun?“ Diesmal hatte er Glück, denn Chantal, die ebenfalls seine Richtung suchte, wurde aufmerksam. Das gewisse Etwas, wie er es zunächst nannte, gab er ihren Blicken nicht frei, noch nicht! Deshalb stellte er sich so, dass sie es nicht erkennen konnte. Flott auf ihn zusteuernd, derweil er immer noch vor der Brücke stand, sagte sie: „Was treibst du denn hier Michel? Was ist los?“ Seiner Sache unsicher meinte er: „Dachte da läge was. Aber jetzt kommt es“, stotterte er umständlich. Zurückhalten konnte er es nicht, so aufgeregt war er wieder geworden. „Es ist was Schreckliches, denke ich.....“ „Was Schreckliches“, wiederholte sie. Was meinst du damit? Und ihr Gesicht verzerrte sich zu einer düsteren Grimasse. Er konnte nicht anders, musste seiner Frau sofort reinen Wein einschenken. Für sich behalten, das war keine Lösung, entschied er. „Schau, da liegt etwas. Nach meinen ersten Recherchen gehe ich davon aus, dass es ein Skelett ist“, ergänzte er seine Ausführungen ohne dabei richtig Luft zu holen. Seine ihm eigene Sachlichkeit trat wieder in den Vordergrund. „Wie, was? Unsinn, da lag doch zuvor überhaupt nichts! Wir hatten schließlich gemeinsam auf dem Weg hierher noch darunter geschaut. Gut zufällig, aber wir schauten hin. Das weiß ich definitiv. „Du sagtest noch: Wie sauber ist es hier unter der Treppe. Das ist nicht überall so! Nein, nicht weil wir was suchten, vermuteten, sondern aufgrund unserer natürlichen Neugierde.“ „Ja ..., ja, aber nun liegt es eben hier!“, gab Degoth ungestüm von sich.

      Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass der Bursche, der ihn vor wenigen Stunden ansprach, die Wahrheit gesagt haben musste. Sellin lag in der frühen Nachmittagssonne friedlich vor ihnen. Michel Degoth und seine Frau Chantal betraten gerade den Strand des Seebades. In diesem Jahr, so erzählte Michel, der bereits mehrfach die Insel besuchte, würde der Sand in einem geheimnisvolles Weiß leuchten. All die Jahre zuvor hätte er es so nicht erfasst. Chantal schaute verschmitzt lächelnd zu ihm rüber. Konnte nicht wirklich begreifen, was er mit dieser Aussage zu verstehen geben wollte. Beide strotzen vor Tatendrang. Man sah es ihnen an. Nichts, aber auch nichts konnte sie aufhalten einen erlebnisreichen Sommerurlaub zu verbringen. Es galt, ihre Freiheit aus der Knute des Alltags hinter sich zu lassen. Da aber passierte es. Ein Fremder belaberte sie. Seinen Namen wollte der nicht herausrücken. Er erzählte eine unglaubliche Geschichte. Da ging Degoth durch den Kopf, dass diese Story Auswirkungen auf die ganze Insel Rügen haben könnte. Doch schnell verwarf er es und begleitete es zunächst mit einem müden Lächeln.

      „Kann nicht wahr sein, so eine hin gedichtete Erzählung, nein, dass ist zu weit hergeholt.“ Ihren Weg zur Uferpromenade setzten sie dabei fort. Damit wollten sie sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wenn da was sein sollte, kann der Mann zur Polizei gehen. Schließlich ist sie für

Скачать книгу