Der wandernde Aramäer. Karsten Decker

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der wandernde Aramäer - Karsten Decker страница 16

Автор:
Серия:
Издательство:
Der wandernde Aramäer - Karsten Decker

Скачать книгу

und Talente umso wertvoller sind, um so seltener sie zu finden sind. Wer weiß, vielleicht würde ihm oder seinen Kindern und Kindeskindern dieses Wissen einmal helfen.

      Durch Haraans Lage zwischen Hethitern, Assyrern und Babyloniern, dazu die Karawanen, waren die Sprachen bunt gemischt in der Stadt. Abram hatte von Telna schon einen guten Grundwortschatz in Ägyptisch gelernt, nun kamen andere Dialekte hinzu. Auch lernte er die verschiedenen Schriften kennen, doch waren sowohl Keilschrift als auch die ägyptischen Hieroglyphen eher umständlich und Zeitraubend. Zusammen mit den anderen Kindern entwickelte er daher eigene Geheimzeichen. Die Idee für die Grundform der Buchstaben hatte er bekommen, als er die verschiedenen Pläne für das Haus gesehen hatte. Seine Zeichen waren von quadratischer oder rechteckiger Struktur und hatten Toröffnungen an unterschiedlichen Seiten, oder erinnerten an Balkenkonstruktionen, Brunnen, Tierhörner oder zusammenfließende Bäche. Die Tiere oder Dinge, begannen mit dem Laut des jeweiligen Zeichens. Um die Zahl der Buchstaben, die man sich merken musste, gering zu halten, gab es nur Zeichen für Konsonanten, die Vokale ließen sich beim Lesen fast automatisch einsetzen.

      So schrieb sich »Wir treffen uns morgen hinter dem Haus« etwa so: »WR TRFFN NS MRGN HNTR DM HS«

      Telna hatte ihnen von Papyrus erzählt, eine Art Papier, das in Ägypten aus Pflanzenfasern hergestellt wurde. Doch es gab keine Papyrusstauden in Haraan, und das aus Ägypten importierte Papyrus war für Kinder viel zu teuer. Auch benutzten die Kinder keine Tontafeln, die sie viel zu schwer fanden, um sie mit sich herumzuschleppen, so kamen sie auf die Idee, alte Lederfetzen oder auch Stücke von Baumrinde zu benutzen, auf die sie mit einer eigenen Rußtinte schrieben. Um die Häute öfter benutzen zu können, kratzten sie immer wieder mit Messern die oberste beschriebene Schicht ab. Die Nachrichten konnten einfach aufgerollt und so weggesteckt werden. Abram, Meschek waren bereits fließend mit den Zeichen, und versuchten sie auch den anderen Kindern beizubringen. »Es ist wichtig, aufzuschreiben, was geschieht,« sagte Meschek immer wieder, »nur so hat man Wurzeln, die bleiben.« Abram stimmte mit ihm überein. Selbst wenn es noch eine Geheimsprache war, solange man sie anderen beibrachte, so lange würde man auch noch die Geschichten lesen können, etwa von den Wurzeln des Terach. Er begann seine eigene Geschichte und schrieb auf einem Stück Lederhaut:

      Nahor war 29 Jahre alt und zeugte Terach und lebte danach 119 Jahre und zeugte Söhne und Töchter. Terach war 70 Jahre alt und zeugte Abram, Nahor und Haran. Dies ist das Geschlecht Terachs: Terach zeugte Abram, Nahor und Haran; und Haran zeugte Lot. Haran aber starb vor seinem Vater Terach in seinem Vaterland zu Ur in Chaldäa.

      Wie die Geschichte wohl weitergehen würde? Es war noch viel Platz für weitere Geschehen auf der Lederhaut. Wen würden sie heiraten, wo würden sie wohnen? Oder würden sie in Haraan ein Leben lang bleiben? Würde Abram dann einmal das Haus übernehmen? Lag nicht die ganze Welt vor ihnen, und was mochte die Zukunft für ihn bringen. Ja, sein Vater hatte sich niedergelassen, aber muss ein Sohn tun, was sein Vater getan hat? Dann gäbe es doch nie wirklichen Fortschritt. Neues will entdeckt werden.

      Terach war sehr erfolgreich, und dank seiner freundlichen, umgänglichen Art hatte er bald Freundschaft mit vielen Bürgern der Stadt geschlossen und gehörte schließlich zu den führenden Männern der Stadt. Immerhin kam Terach aus der Großstadt, aus Ur, er kannte sich mit vielen kulturellen und technischen Dingen aus, die der Stadt zugutekommen konnten. Durch seine Handelsverbindungen, die eben auf persönlichen Kontakten basierten, gedieh die Stadt auch als ganze, und bald schon zog sie so viele Neubürger an, dass die Neustadt schon fast wieder zu klein war. Das Leben in den Gassen des Basars pulsierte und war fast so bunt wie in Ur, die Tempel waren prächtig, auf Terachs Anregung beriet man im Ältestenrat bald eine eigene kleine Stadtordnung, die das Zusammenleben regelte und eine angenehme Ordnung und Sicherheit schaffte.

      Es gab Regeln gegen den Inzest, über die Behandlung von Knechten, Mägden und Sklaven, und ein Verbot der Menschenopfer, die es in vielen anderen Orten noch gab, um die Fruchtbarkeitsgötter zu bestechen, indem man neben den erstgeborenen Tieren und der ersten Frucht auch die Erstgeborenen in der Familie opferte. Es wurde auch festgelegt, wie viel des Getreides zum Bierbrauen benutzt werden durfte, und wie viel davon ausschließlich zum Brotbacken aufbewahrt werden musste. Dadurch versuchte man die immer drohenden Brotknappheiten zu verhindern, die andernorts oft zu Abwanderungsbewegungen führte.

      Natürlich wurde auch weiter tüchtig Bier gebraut, das ging schneller und einfacher als Weinkeltern, und die Zutaten standen allen offen, während nur wenige Wein anbauen konnten. Nun waren aber alle gehalten, nicht mehr als die Hälfte des täglich gebackenen Brotes zu vergären. Es gab außerdem neue Regeln bezüglich der gemeinsamen Stadtverteidigung und über die Nutzung von Brunnen. Die Gerichte wurden nach dem Vorbild anderer Städte im Haupttor gehalten und alle freien männlichen Hausbesitzer waren als Richter bestimmt, und als Haupt der Stadt wurde ein Stadtkönig bestimmt, wobei das Wort König vielleicht zu weit greift, denn ihm oblagen lediglich die Führung der Stadtverteidigung und Wachen und eine Art ziviler Polizei, die über die Einhaltung der neuen Ordnung wachte. Dafür leisteten ihm alle Haushalte einen Tribut.

      Auch Feste gehörten zum Leben in Haraan. Besonders beliebt bei der Jugend war das Schafscheren anlässlich des ersten Frühlingsmondes. Dabei wetteiferten die jungen Leute, wer die meisten Lämmer scheren konnte, während sich die älteren Hirten im Scheren der übrigen Schafe maßen. Egal, wer gewann, am Abend gab es rund um die äußeren Brunnen unter den knorrigen Eichen und in den Olivenhainen Musik und Tanz und jede Menge Bier und Wein bei offenen Feuern. Daneben gab es die üblichen Hochzeitsfeiern, die bis zu einer Woche dauern konnten, und an denen alle Freunde und Verwandten, mithin die halbe Stadt, zusammenkamen und ihre Freude darüber ausdrückten, dass die Götter zwei Familien zusammenbrachten, und somit den Fortbestand der innigen Gemeinschaft weiter garantierten.

      Auch die Sklaven, Knechte und Mägde hatten ihre Feiern, bei denen sie sich insbesondere in Gruppen gleicher Herkunft trafen, und so ihr Erbe hochhielten, und gelegentlich in ihrer eigenen Sprache über ihre Herren und Herrinnen lästerten, und eben auch nach Partnern suchten, um Familien zu gründen, wenn ihre Herren es ihnen gewährten. Oft waren es religiöse und kultische Feste, die sie zusammenbrachten.

      Alles in allem erwies sich Haraan als ein zwar kleiner, aber guter Ort, um dort zu leben, die meisten der Einwohner waren ehrliche, fleißige Leute mit guter Moral und einem freundlichen Interesse aneinander. Durch den Handel wuchs der allgemeine Reichtum auch der übrigen Bevölkerung und, in noch größerem Maße, der, der ohnehin wohlhabenden Oberschicht. Terach bereute seine Entscheidung nicht, hier zu siedeln statt in Kanaan, sein Haus fügte sich gut in diese Gemeinschaft ein, wenn er und seine Kinder auch nur selten in den vielen Tempeln gesehen wurden.

      Und noch etwas Neues hielt Haraan bereit, ganz neue, besonders harte Werkzeuge, härter als die verbreitete Bronze, hergestellt aus Eisen. Die Hethiter, die ein Monopol für diese Waren besaßen, nutzten es schon eine Weile zur Waffenherstellung, aber auch für Hacken, Sägen, Äxte, Hämmer und Nägel fand es bald Verwendung. Noch verrieten die Hethiter nicht, wie es genau zu verarbeiten war, insbesondere, wie man die Temperatur der Feuer so erhöhen konnte, es aus dem eigentlich reichlich vorhandenen Erz zu schmelzen und rotglühend zu verarbeiten. Auch war es streng verboten, eiserne Waffen aus ihrem Bereich herauszubringen, was aus strategischen Gründen gut verständlich war. Die Werkzeuge durften aber auch in andere Gegenden Verkauft werden. Da diese fertigen Waren dort knapp waren, erzielte man damit im Süden entsprechend hohe Preise. Terach erkannte den Handelswert sofort und fügte sie in sein Sortiment für die Karawanen nach Ur ein. Dort erlangten sie ein Vielfaches des Einkaufspreises, und Terach und Nahor mehrten so den Besitz des Hauses zu vorher unbekannten Dimensionen.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте

Скачать книгу