Der wandernde Aramäer. Karsten Decker

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Der wandernde Aramäer - Karsten Decker

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Ein Kaufmann aus Ugarit hatte Terach zudem von der Küste des Mittelmeeres berichtet, und den Möglichkeiten die sich dort boten. Ugarit hatte gerade einen neuen Hafen angelegt, und wandelte sich in eine neue Metropole für den Handel. Von einer fernen Insel namens Kreta wurden dort besonders hart gebrannte und glasierte Ton- und Töpferwaren in Massen eingeführt. Sie waren ein Verkaufsschlager. Terach hatte von den Seevölkern gehört, die unerschrocken mit Booten über das Meer segelten, in Hoffnung auf ganz neue Handelsmöglichkeiten. Die Abschiedsworte Nahors hallten noch in Terach nach, vielleicht waren Handel und Karawanen tatsächlich die Zukunft, und dann könnte eine Seeverbindung tatsächlich die Gewinne erst richtig in die Höhe treiben. Mesopotamien war vertraglich in ein neues Bündnis mit Chaldäa und den Hethitern getreten. Damit war der gesamte Bereich zwischen Mittelmeer und dem Golf geeint. Handel war nun über weite Entfernungen möglich und die Völker begannen, voneinander zu lernen. Man wusste ja noch so wenig von den fernen Ländern, und auf dem Seeweg waren Ägypten und Zypern, Attika, und Vorderasien viel sicherer und schneller zu erreichen als mit Karawanen.

      Die Landschaft wurde mit jeder Etappe abwechslungsreicher. Die weite, staubige und öde Ebene, die sich jenseits der grünen bewässerten Felder entlang des Euphrat ausbreitete, wich einer mehr hügeligen Landschaft mit niedriger Buschvegetation. Die Hirten mussten nun aufpassen, dass sie die Tiere zusammenhielten.

      Es war an einem Abend im Frühjahr, die Karawane war seit dem Aufbruch vor vier Monaten viele hundert Meilen in westlicher Richtung gezogen, als sie in einer Karawanserei eine Karawane trafen, die aus einer kleinen Provinzstadt namens Haraan kam. Noch nie hatte Terach von dieser Stadt gehört.

      »Haraan«, das klingt doch fast wie Haran, nur ein wenig schärfer gehaucht am Anfang, fast wie ein Ch-Laut, doch nicht ganz so scharf und die Betonung auf der gestreckten zweiten Silbe statt auf der ersten; und genau das hatte Haran immer gemacht, als er Sprechen lernte. Terach hörte mit einem Mal Harans Kinderstimme rufen: »Haraan auch haben! Haraan mitkommen! Haraan will auch …«

      »Haraan bietet große Möglichkeiten«, erzählte ihm der Karawanenführer Semech. »Die Stadt war einst sogar Königsstadt und hat gerade eine neue Mauer errichtet, um sich zu vergrößern. Die Grundstücke im neuen Bezirk sind groß geschnitten und ideal, um große Haushalte unterzubringen, und die Weidegründe liegen unmittelbar hinter der Mauer, so dass man die Herden schnell in die Stadt in Sicherheit bringen kann. Es liegt dicht an der Grenze zu den Hethitern, die nun Handel mit uns treiben wollen. Die nördliche Karawanenstraße führt an der Stadt vorbei bis ins fremde Indien und China. In unserer Sprache bedeutet Haraan, oder Ḫarranu, wie auch viele sagen, so viel wie Weg, Reise oder Karawane, denn dort kreuzen sich die Handelswege und viele kommen in die Stadt in der Hoffnung auf Handel. Für die meisten Karawanen ist es einfacher, immer die gleiche Strecke zu bedienen, die Waren dann umzuschlagen und mit anderer Ware nach Hause zu ziehen. So kennt man sich besser aus, und hat feste Partner, und ist nicht so lange von der Heimat und seiner Familie getrennt. Für die Händler in der Stadt ist das ein lukratives Geschäft. Die Stadtväter werden dich mit offenen Armen empfangen, sie brauchen dringend neue Investitionen und Männer mit Weitblick, und sagtest du nicht, dass du in Ur auch einen Haushalt hast? In Haraan ist auch ein Tempel für den gleichen Mondgott Sin, den Ihr in Ur habt. Schon seit vielen Hundert Jahren gilt dieser Tempel, wir nennen ihn Echulchul, das Haus das Freude schenkt, als die Wohnung des Sin auf Erden. Aber die Handelsmöglichkeiten alleine, das wäre doch ein idealer Handelsstützpunkt für einen Kaufmann aus Ur. Du solltest es zumindest in Betracht ziehen! Es ist eine goldene Gelegenheit.«

      ›Haraan – Haran - Haraan – Haran - Haraan – Haran - Haraan – Haran.‹ Zufall oder Fügung? Wieder und wieder murmelte Terach die Namen der Stadt und seines toten Sohnes vor sich hin, bis sie schließlich gleich klangen. Schließlich rief er mit einem Lachen: »Ja, Haraan wird mein Ziel.« Er ließ sich von Semech die Route genau beschreiben. Nach seinen Worten konnte er die Stadt in etwa drei Wochen erreichen, und die Flussüberquerung über den Euphrat würden um diese Zeit kein Problem mehr darstellen. Die Furt war gut markiert und verbarg keine Gefahren. Terach war so aufgeregt, er wäre am liebsten noch an diesem Abend aufgebrochen. Immer wieder dachte er: ›Es gibt einen Gott! Es gibt einen Gott, der neue Wege für uns öffnet, Wege in eine neue Zukunft.‹

      In dieser Nacht hatte Terach einen merkwürdigen Traum. Terach sah eine neue Stadt, eine große Pforte tat sich auf, Haran, ja, sein toter Sohn Haran stand lächelnd im Tor mit weit ausgebreiteten Armen. Die Straßen in der Neustadt waren weit und mit Wassergräben gesäumt, Wassergräben, an deren Ufern fruchtbare Bäume wuchsen, die wie Hände zu ihm hinunterreichten und ihm Obst anboten, und den Schafen, als sie von dem Wasser tranken, wuchsen goldene Felle, und in Windeseile wurden sie geschoren und die Mägde spannen goldenes Garn aus dem sie ein Tuch webten und ihm einen goldenen Mantel nähten, nobel wie für einen König. Haran zog ihm den Mantel an. Die Kälber, mager von der langen Reise, wuchsen stark und fleischig und mehrten sich, wurden verkauft, und Gold und Silber wurde an ihrer statt dargeboten. Eine goldene Gelegenheit! Doch plötzlich tauchte ein Schiff auf, es segelte auf den kleinen Wassergräben die sich plötzlich weiteten wie der Euphrat und das Schiff wurde größer und größer mit dem Wasserlauf und der Ausguck rief vom Mast, wie man sonst ausruft, wenn Land in Sicht ist: »Handel, ich sehe Handel, Handel in Sicht!«. Man warf ihm das Tau zu. Sollte Terach an Bord gehen? Er war unschlüssig, doch dann glitt das Tau aus Terachs Händen als wäre es geölt. »Lass fahren dahin, es hat keinen Sinn« rief der Ausguck, und das Schiff mit Namen Ugarit segelte auf den Horizont zu, verschwand im Meer, das unmerklich die Gebirgsketten hinter Haraan ersetzt hatte. Bäume wurden in einem Augenblick gefällt und zu Balken gesägt, aus denen die Knechte ein Haus bauten, größer und schöner als das Haus in Ur. Doch dann standen Abram und Lot auf, Abram nahm Sarais Hand, und führte sie aus der Stadt hinaus. Lot folgte ihnen. Sie nahmen Herden und Güter mit sich, und auch Knechte und Mägde, doch für jedes Tier und jeden Menschen, den sie aus Terachs Haus führten, schwebten neue vom Himmel herab wie dicke Schneeflocken aus Wolken fallen, langsam aber beständig, und Terach stand auf dem Dach seines neuen Hauses, schaute ihnen nach und hielt nun eine Frau in seinem Arm, eine Frau von schöner Gestalt, deutlich jünger als er, doch er konnte ihr Gesicht nicht sehen, es war verborgen hinter einem aus feinsten Goldfäden gewebten Schleier.

      Schweißgebadet stand Terach von seinem Lager auf. Es war eine schwüle, unwirtliche Mondnacht. Seine Hände schmerzten, als hätte er tatsächlich ein davongleitendes Tau gehalten. Er versuchte sich an den Traum zu erinnern, und gleichzeitig ihn zu deuten. Goldene Gelegenheit oder Handel mit dem Unbekannten? Ja, Haraan, nun stand es fest, das war das Ziel, das Gott für ihn bereithielt.

      Als Abram und Lot zum Frühstück kamen, erzählte er ihnen von seinem Traum, und von der Entscheidung, die er getroffen hatte. Den Kindern schien die Entscheidung logisch, doch Lot wurde plötzlich still, Tränen rollten ihm über die roten Wangen. Es war seit Wochen das erste Mal, dass er wieder weinte, es war aber auch seit Wochen das erste Mal, dass der Name seines Vaters wieder genannt worden war. Abram wurde auch still, stand auf und ging auf Lot zu und umarmte ihn so liebevoll, wie nur ein Kind es tun kann, unbefangen, nicht wie es bei Erwachsenen oft ist, von den eigenen Gefühlen oder Problemen gefangen, so dass sie nur mit den Lippen, aber nicht mit dem Herzen trösten können.

      »Wollen wir den Reifen treiben?« fragte er ihn, denn er wusste, dass Lot dieses Spiel liebte. Der Reifen bestand aus einer gewundenen Weidenrute, groß genug, dass er Abram bis an den Bauchnabel reichte, und für Lot bis an die Schultern, mit Binsen umbunden. Ein Rad, das die Kinder mit einem Stöcklein vor sich hertrieben. Abram war ein wahrer Meister in dem Spiel, er konnte den Reifen steuern, springen lassen und sogar mit dem Stöckchen den sich drehenden Reifen aufheben, in die Höhe über seinen Kopf katapultieren, dann um Arme und Körper herunter sausen lassen, um kurz bevor er den Boden berührte, aus ihm herauszuspringen und ihn wieder mit dem Treiberstöckchen aufzurichten, so dass er mit dem verbleibenden Schwung weiter die Gassen entlang rollte. Lot bewunderte Abrams Reifenkunst, und war stets begierig eine kurze Zeit den Reifen selber probieren zu können. Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von der Backe und sprang auf. Terach schaute ihnen nach. Er beneidete

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