Der wandernde Aramäer. Karsten Decker

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Der wandernde Aramäer - Karsten Decker

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      Den Warnungen und Orakeln Elidons zum Trotz verlief der Rest der Reise ohne weitere Überfälle. Die Überquerung des Euphrat war aufregend, aber doch gefahrlos. An der Furt war der Fluss fast 600 Doppelschritte breit, aber selbst an den tiefsten Stellen lediglich knietief. Es dauerte dennoch einen ganzen Tag, bis die gewaltige Karawane vollständig am anderen Ufer war. Terach hatte sie in mehrere Teile getrennt. Eine Vorhut von kräftigen, jungen Knechten lotete die Furt sorgfältig aus und stellte sicher, dass am anderen Ufer keine Räuber oder andere Gefahren lauerten. Es wäre schwierig, sich mit dem Fluss im Rücken, Tieren, Wagen, Frauen und Kindern im Wasser zu verteidigen. Erst als sie überzeugt waren, dass alles sicher war, gaben sie das Zeichen, dass man nun die Tiere hinübertreiben konnte. Die Herde brauchte den gesamten Vormittag, um überzusetzen. Immer wieder mussten die Tiere neu angetrieben werde, denn sie blieben im flachen Wasser ständig stehen, genossen eindeutig die Kühle des Wassers und tranken reichlich.

      Als alle Tiere sicher am anderen Ufer waren, kamen etwa die Hälfte der Hirten und Knechte zurück, um beim Übersetzen der Wagen zu helfen. Die anderen, gut bewaffnet, blieben zurück und bewachten die Tiere und hielten Augen und Ohren offen. Das Übersetzen der Wagen und Fracht war deutlich anstrengender, denn die Holzräder blieben wieder und wieder im Schlamm stecken. Die Ochsen stöhnten ihr gequältes Muh hundertfach über den unaufhaltsamen Wassern, rutschten mitunter und fielen auf die Knie. An jedem Wagen schoben vier bis sechs Knechte mit aller Kraft, und manchmal erschien es aussichtslos. Doch nach Stunden intensiver Treiberarbeit waren nun auch die Wagen auf der anderen Seite. Während die Frauen und Kinder zusammen mit der bewaffneten Nachhut den Euphrat durchschritten, bauten die Knechte bereits die ersten Zelte auf, die Ofensetzer holten die Ofensteine von den Wagen und taten das ihre, so dass am späten Nachmittag das Lager fertig war. Normalerweise wäre es nun die Zeit für die zweite Etappe gewesen, doch heute war der Tag anders verlaufen, es hatte keine Mittagsruhe gegeben, die sonst um der Hitze willen ja die Reise immer unterbrach. Alle waren ziemlich erschöpft und abgeschlagen, froh unter den Baldachinen liegen zu können, und etwas Ruhe zu haben. Nur das Nötigste wurde heute noch getan. Die Frauen starteten ihre Feuer unter den Kochstellen und in den Backöfen, die Knechte trieben die Herde zusammen, es wurde gemolken und gefüttert.

      »Lass uns eine Nachricht an Nahor schicken«, schlug Abram Lot vor.

      »Wie sollen wir das machen?« fragte Lot zurück.

      »Nun, wir brauchen etwas, was schwimmt, und da machen wir die Nachricht hinein, denn der Euphrat fließt doch auch an Ur vorbei. Komm, wir suchen Meschek, der soll uns helfen!«

      Meschek war bei den Ziegen und half melken. »In einer halben Stunde bin ich fertig, dann werden wir sehen« rief er Abram mit einem breiten Lächeln zu, dann hielt er die Zitze etwas angewinkelt und spritzte die beiden Jungen mit Ziegenmilch ins Gesicht, die daraufhin vor Freude quiekend schnell davonliefen.

      Der Versuch, eines der Tongefäße als Bötchen zu ergattern, schlug fehl. Für solche Spielereien, hieß es, seien die Töpfe zu schade. Es war Telna, die Magd aus Ägypten, die ihnen schließlich weiterhalf:

      »Nehmt ein Stück Holz, schnitzt es ein wenig zu, so dass es auf einer Seite hohl ist wie ein Boot, und dann legt eure Nachricht hinein. Wenn ihr geschickt seid, könnt ihr noch ein Segel anbringen, auf das ihr in großen Buchstaben UR schreibt, damit eure Nachricht auch ankommt. So, und nun lasst mich die Mädchen stillen. Macht, dass ihr fortkommt. Husch, husch!« Sie nahm zunächst Hagar, ihr eigenes Kind hoch, während Sarai warten musste.

      Abram, Lot und Meschek waren voll beschäftigt, Meschek schnitzte, während Lot zusammen mit Abram Lehm vom Ufer holten. Den Lehm strichen sie bis zur Hälfte in die Aushöhlung des Bootes und glätteten ihn mit ihren feuchten Händen. Das war Mescheks Idee um dem Boot im Wasser Stabilität zu geben. Dann nahm Meschek einen Holzkeil und begann kleine Kerben in den Ton zu ritzen, die gängige Keilschrift. Er nutzte die neue Variante der Keilschrift, in der jedes Zeichen einen Laut bedeutete, und nicht mehr die alte Silbenschrift, die schwer zu erlernen war. Es war dennoch ein langsames Schreiben, denn jeder Buchstabe erforderte mehrere verschiedene Keilkerbungen in unterschiedlichen Winkeln, die in den Ton gedrückt oder geschabt wurden. Doch schließlich hielt Meschek das Boot in die Höhe und lass vor:

      »Lieber Nahor, wir sind am Euphrat und wollen in eine Stadt, die Haran heißt. Dort werden wir ein großes Haus bauen, und goldene Schafe züchten oder so ähnlich, wie geht es dir? Wie geht es Milka? Wir hatten einen Überfall, wir waren aber stärker. Allen geht es gut. Abram, Lot und Meschek.«

      Die drei Freunde nahmen ihr kleines Boot mit sich und gingen zur Furt. Damit das Boot nicht gleich ans Ufer gespült wurde, gingen sie bis weit in die ruhig dahinfließende Flussmitte. Mücken und Eintagsfliegen schwebten in großen Schwärmen über dem Wasser und mit dem Sinken der Sonne schienen auch sie mehr und mehr zum Wasser hinunter zu sinken. Im Westen senkte sich die rote große Sonne schließlich so weit, dass sie wie ein enormer oranger Ball auf dem Horizont ruhte, und ließ das Wasser in unglaublichen Rot- und Rosatönen blühen, und Abram seufzte leise: »Ich wäre gerne weiter nach Westen gezogen, es ist, als riefe mir die Sonne zu: Hier ist es noch besser, noch schöner, noch mehr wie im Himmel.« Langsam ließen sie das Boot ins Wasser, sehr vorsichtig, damit die kleinen Wellen nicht hinein schwappten und den Lehm unleserlich machten. Und nun fuhr es davon, von den auf und nieder schwankenden Wogen getragen, flussabwärts, zurück in das, was hinter ihnen lag. Als die drei ihren Weg zurück zum Ufer machten, bemerkten sie, dass sich da noch etwas Anderes im Wasser regte, dass die Furt nun, da es Abend wurde, sich mit Hunderten von Fischen füllte, die immer wieder aus der Flut aufsprangen, um nach den Fliegen und Mücke zu schnappen, die von der schweren, schwül feuchten Luft immer niedriger über das Wasser gedrückt wurden. Sie riefen die Knechte, und schnell waren einige Netze gefunden und alle stürmten in die Fluten. Es war wie eine gewaltige Wasserschlacht, und nach nur wenigen Minuten kamen sie schon wieder aus dem Fluss, nass und mit Schlamm verdreckt am ganzen Körper, und mit Duzenden von silbrig glänzenden, großen, fleischigen Fischen. Wenig später war das Lager erfüllt vom Geruch gebratener Fische, fein gewürzt mit Kräutern und Olivenöl, angerichtet mit gebratenen Feigen und Rosinen: Ein Festessen, würdig der Gelegenheit, denn ein neues Leben lag vor ihnen.

      Haraan, am nördlichen Rand der Provinz Paddan-Aram, war schön, ja fast idyllisch, in einer Ebene wie ein Kessel am Fuße eines gewaltigen Bergmassives gelegen, wenn das Umland auch recht karg und trocken wirkte. Die Stadt war bei weitem nicht so groß wie Ur, die Metropole des Euphratdeltas. Seltsam mutete die bestehende Altstadt an, denn die Dächer sahen aus wie Bienenstöcke, große Kuppelbauten aus Lehmziegeln, und die Häuser hatten nur wenige Fenster. Die neue Mauer schien jedoch äußerst stabil. Sie bildete ein großes, fast symmetrisch anmutendes Gebilde, im Westen wie ein halbes gewaltiges Achteck, im Osten mehr sternförmig und gut zu verteidigen. Die zwei Zubringerarme eines kleinen Flusses, des Belik, verliefen entlang der westlichen und östlichen Mauer wie ein Burggraben, vereinigten sich direkt südlich der Stadt zum eigentlichen Belik und flossen weiter Richtung Süden zum Euphrat hin. Sie als Teil der Stadtbefestigung zu nutzen, war genial, denn sie gaben so zusätzliche Sicherheit vor Angreifern aus drei Richtungen. Auch sonst fand Terach es so, wie Semech es ihm beschrieben hatte, doch bei weitem nicht so, wie er es im Traum gesehen hatte. Zwar waren die Straßen tatsächlich angenehm breit ausgelegt, doch hatten sie keine Wassergräben, und es gab auch keine von Obstbäumen gesäumte Straßen in der Stadt, noch nicht. Rund um die Stadt floss wie gesagt der Belik, mehr Bach als Fluss, gemächlich in südlicher Richtung auf den Euphrat zu, aber nicht schiffbar. Von den einheimischen Hirten erfuhr Terach, dass der Fluss im Hochsommer meist trocken, im Frühling jedoch wild und unberechenbar war. In Herbst und Winter war es ein breiter Bach. Es war also notwendig, vom Fluss unabhängig zu sein, so dass ein Brunnen für die Tiere dringend geboten war, vielleicht ließe sich auch ein kleiner Teich anlegen, um eine weniger arbeitsintensive Wasserversorgung für die Felder und Weiden außerhalb der Stadt sicher zu stellen. Terach begutachtete die freien Flächen in den neuen Bezirken. Er hatte eine große Auswahl, wo er sein Haus bauen konnte. Daher musste er alle

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