Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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ging.

      Den nächsten Tag verbrachte sie bei den Großeltern, denn ihre Mutter war mit dem Zug in die Stadt gefahren, um Besorgungen zu machen.

      „Besorgungen“, so etwas gab es in dem Dorf nicht, wusste Line, dass das ganz besondere Dinge waren, die für große Überraschungen sorgten, und auf die Line dann sehr gespannt bis zum Abend warten musste.

      Bei den Großeltern war es wichtig, sich zu benehmen, denn die Großmutter beobachtete immer mit Argusaugen, wie Line sich verhielt, wie sie sprach, ob sie höflich war, und ob sie die Tischmanieren beherrschte, damit sich die Großmutter nicht für sie schämen musste.

      So wurden die Mahlzeiten mehr eine Lektion als eine Nahrungsaufnahme.

      Dieses Mal wurde der Lernprozess etwas aufgelockert, als der Großvater fragte, warum die süßsauer eingelegten Bohnen anders als sonst, mit Kümmel zubereitet worden waren, während er das Gewürz im vorderen Zahnbereich geschickt halbierte und viertelte.

      Die Großmutter verneinte erstaunt und inspizierte sofort ungläubig die Bohnen in dem Schälchen, dass sie nun in den Händen und bis an ihre Nasenspitze hielt und rief: „Das ist kein Kümmel, Otto, das sind ja Ameisen, du meine Güte, wie kommen die denn da hinein!“

      Sie sprang auf, lief zu der Speisekammer, riss die schmale hohe Tür auf und räumte mit enormer Schnelligkeit die Regale leer. Alles lag oder stand wenig später auf dem Küchentisch. Aus einem Stück Streuselkuchen, das von der Großmutter mit spitzen Fingern gehalten und von Line optisch für Mohnkuchen gehalten wurde, krabbelte es zum Entsetzen der Großmutter so heftig dunkelbraun, dass es mit dem Ausruf: „Nun seht euch das an, schade um die schönen Zutaten“, in hohem Bogen in den Mülleimer flog, wie so vieles andere auch noch. Vor Line stand das große Glas mit den eingelegten Bohnen, und sie empfand Mitleid mit den darin leblos schwimmenden Ameisen, die zwischen den Brechbohnen in der Marinade ums Leben gekommen waren, was die Großmutter genau so schockte, wie die Tatsache, in ihren eigenen vier Wänden wahrscheinlich von einer ganzen Horde Ameisen überfallen worden zu sein, dass sie ihnen mit allen Konsequenzen den Krieg erklärte.

      So opferte sie ein Päckchen Dr. Oetkers Backpulver, schnitt von der Tüte eine Ecke ab, so dass ein winziges Loch entstand und malte mit dem weißen Pulver lange Striche auf die abgeräumten Bretter der Speisekammer. Zusätzlich stellte sie noch zwei Schälchen mit Zuckerwasser auf, in denen „die“ Ameisen dem Tod durch Ertrinken anheim fallen sollten, die das Backpulver listig umkrabbeln würden.

      Als Lines Mutter aus der Stadt zurückkehrte, war es schon dunkel, und der Skandal, den sich die Ameisen in der Speisekammer geleistet hatten, war noch nicht verflogen und waberte in Abständen, von der Großmutter immer wieder entrüstet erwähnt, wie der „männlich“ duftende, hellblaue Qualm, den die Großmutter so liebte, aus der Pfeife des Großvaters, durch das Wohnzimmer.

      Was dann aus der großen, hellbraunen Ledertasche vor Lines und den Augen der Großmutter auf dem runden Tisch im Wohnzimmer ausgebreitet wurde, lenkte dann von dem leidigen Thema ab. Die Großmutter musterte alles genau, und dann bejubelte sie die hübschen Taschentücher mit dem feinen, handgerollten Rand, auf den sie Line sofort aufmerksam machte, dass der ein gutes Beispiel dafür wäre, wie pikobello eine Handarbeit auszusehen hätte, auch von hinten! Und Line wusste genau, warum sie das sagte.

      Die Großmutter befühlte sorgsam die dunkelblaue Wolle für Lines Strickjacke auf Qualität und nickte zufrieden. Line bekam schlichte weiße Kniestrümpfe, die nicht wie die aus hartem Baumwollgarn gestrickten, das aufwendige Lochmuster deutlich in die Haut ihrer Füße drücken und schon nach kurzer Zeit einen unerträglichen Juckreiz auslösen würden. Für Line war auch der wasserblaue Stoff mit zarten, pastellfarbigen Streublümchen für ein neues Kleid, den die Großmutter immer wieder wohlwollend durch ihre Hände gleiten ließ.

      Und unbeschwert erkundigte sie sich, ob das Geld, das sie Lines Mutter für die Einkäufe zugesteckt hatte, auch wirklich ausgereicht habe.

      Und Lines Mutter nickte.

      Dass Lines Mutter für sich und Line aufwendig nähte, strickte, smokte und häkelte, blieb nicht unbemerkt und wurde von beinahe allen Dorfbewohnerinnen bestaunt und vielleicht hin und wieder sogar neidisch beäugt.

      Um den Mangel, den es zweifellos in der Beziehung in den umliegenden Dörfern gab, auszugleichen, trauten sich einige Frauen zu fragen, ob auch sie in den Genuss solch wundervoller Handarbeiten kommen könnten.

      Natürlich gegen Bezahlung, das sei doch selbstverständlich.

      Häufig vielleicht sogar auch in Naturalien, denn Speck und Eier wären in finanzieller Not hilfreich und ein deftiger, gut geräucherter Wurstkringel vom Bauernhof geschmacklich auch nicht zu verachten. Das aber lehnte Lines Mutter mit großartiger Diplomatie mehr oder weniger erfolgreich ab, wie sich mit der Zeit herausstellte.

      Nach konkreten Absprachen mit ihren neuen Kundinnen, erlebte Line ihre Mutter zukünftig häufig zwischen Ballen lebhaft bedruckter Baumwollstoffe im Frühling, wollenem Tuch in den Wintermonaten und mit einer Menge Stecknadeln zwischen den Lippen und dann auch mal auf allen Vieren um dünne und dicke Frauenbeine kriechend, um die Säume an Kleidern, Röcken und Nachthemden abzustecken.

      Selbstverständlich hätte Lines Mutter lieber in ihrem medizinischen Beruf gearbeitet, aber da das aus organisatorischen und auch geografischen Gründen nicht möglich war, machte sie das Beste draus, freute sich über jeden Auftrag und hatte sogar manchmal wirklich Spaß an der vielen Arbeit, besonders wenn ihr etwas besonders gut gelungen war und sie mit Lob überschüttet wurde.

      Nur nicht in der heißen Jahreszeit.

      Da beklagte sie den strengen Geruch, der den Achselhöhlen entwich, wenn sie an transpirierenden Oberkörpern arbeitete, die gerade vom Bohnenhacken auf dem Feld oder vom Melken kamen, wenn sie Abnäher absteckte, Röcke an die Oberteile heftete und Kragen an- und Ärmel einsetzte.

      Auch im Verrücktenheim gab es für Lines Mutter genug zu tun.

      Da ging es meistens nur um Säume und lange oder kurze Abnäher.

      „Alte Menschen werden dünner und schrumpfen, so ist es nun mal“, sagte die Großmutter.

      Aber nicht nur die Arbeit lockte Lines Mutter ins Altenheim, sondern auch die angebotene Möglichkeit, dass Line dort mitessen durfte.

      Für die vielen Bewohner war genug Essen da, und es gab reichlich Reste.

      Um satt zu werden, hatte Line dann aber zwangsläufig auch etwas mit Trine zu tun.

      Trine war eine erwachsene Frau mit der Gesichtsfarbe eines in der Sonne prächtig gereiften Apfels. Sie hatte rotblonde Locken und eine immer währende gute Laune, die ihr das Leben zu einem wahren Vergnügen zu machen schien und sie ununterbrochen lächeln ließ.

      Fragte Line: „Trine, wo willst du hin“, dann antwortete sie lachend: „Allerwohin!“

      Nicht nur für Line war es ein Heidenspaß, immer, wenn sie Trine traf, ihr mindestens viermal hintereinander diese Frage zu stellen.

      Und Trine wiederholte dann zu Lines großem Vergnügen ihre immer gleiche Antwort mit der immer gleichen, geduldigen Freundlichkeit: „Allerwohin!“

      Eines Tages erzählte Line ihrer Mutter davon, weil es sie interessierte, ob auch sie annahm, dass Trine vielleicht ein wenig verrückt sei, weil sie immer die gleiche Antwort gab.

      Lines Mutter sah sie amüsiert

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