Kuckucksspucke. Gloria Fröhlich

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Kuckucksspucke - Gloria Fröhlich

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      Line fragte Trine nie wieder, um zu vermeiden, dass Trine denken könnte, sie habe es bei ihr mit einem Kind zu tun, das nicht ganz richtig im Kopf sei.

      Trine holte Line meistens mittags zum Essen ab.

      Mit sehr gemischten Gefühlen ging sie mit und dann neben der einfältigen Trine her. Durch die beiden großen Gärten, unter den knorrigen Obstbäumen hindurch, stolpernd über dicke Grasbüschel und dann auf dem Trampelpfad an den vielen Schuppen vorbei bis zum Altersheim.

      Trine blieb jedes Mal stumm, lächelte aber vergnügt vor sich hin, lachte einige Male sogar plötzlich begeistert laut auf und klatschte dabei in die Hände.

      Einige andere Kinder saßen längst schon an dem großen Tisch, wenn Trine Line bis in die Küche brachte. Um dorthin zu gelangen, gingen sie zwei Steinstufen nach oben und dann durch die Hintertür des Altersheims den langen, dunklen, aber breiten Flur entlang. Von hier aus ging eine Tür in den großen Raum mit vielen dicht beieinander stehenden dunkelbraunen Tischen und Stühlen. Dort aßen die Alten ihre Mahlzeiten. An der rechten Flurwand führte eine Treppe nach oben. Unter der Treppe stand ein langer, schmaler Tisch, auf dem in mehreren Reihen goldfarbene Blechdosen standen, die diesmal mit Grießbrei gefüllt, köstlich dufteten. Schon bevor Line an diesem Tisch vorbeikam, konnte sie riechen, was es zu essen gab.

      An der gegenüberliegenden Wand standen einfache Holzbänke ohne Lehnen.

      Die alten Männer und Frauen waren ausnahmslos dunkel gekleidet.

      Die, die nicht im Hof herumlungerten, saßen dort und warteten darauf, dass die Zeit verging. Einige von ihnen waren still, andere sprachen tonlos mit sich selbst.

      Betrat Line den Flur, starrten sie sie aus wässrigen, unruhigen Augen an.

      Lines Blick überflog die faltigen Gesichter und manch knochige Hände, die sich rastlos im Schoß aneinander klammerten und auf denen dicke, dunkelblaue Adern sie an die Regenwürmer in den Angeldosen der Jungen erinnerten.

      Ihr waren die alten Frauen mit den Witwenbuckeln, einem, in diesen Fällen, harmlosen Erkennungszeichen von Hexen, nicht mehr fremd. Und Line dachte, dass es wehtun müsste, wenn sie immer gezwungen blieben, nach vorn gebeugt, auf ihre braun karierten, abgetragenen Filzpantoffeln an ihren Füssen zu starren. Auch an die zahnlosen Münder, von denen einige sabbernd ins Leere kauten, hatte sie sich längst gewöhnt.

      Und sie kannte die alten Männer mit den speckigen Mützen, die ihre faltigen, mit dunklen Flecken übersäten Hände über den Knauf des Krückstockes gelegt hielten, der zwischen ihren Beinen senkrecht stand, und die zahnlos kicherten, wenn Line an ihnen vorbeiging.

      Und es gruselte Line jedes Mal wieder, denn sie spürte, wie sich die gaffenden Augen in ihren Rücken bohrten, wenn sie eilig bis an das dunkle Ende des langen Flures und bis hin zur Küche lief.

      Nach dem Essen zog es Line meistens sofort nachhause, während einige Kinder auf dem gepflasterten Hof zwischen den alten Menschen, die schlurfend und ziellos die Zeit totschlugen, spielten. Doch niemals Hanna, die sich weigerte auch nur einen Fuß ins Altersheim zu setzen. Sie fand den Ort gruselig und hatte grauenhafte Angst.

      Line hielt sich nachmittags häufig allein am Fleet auf.

      Manchmal malte sie mit einem Stock Bilder auf den Sommerweg.

      Ab und zu blieb sie aber auch in Frau Mus Garten und kletterte geschickt in den knorrigen Obstbäumen von Ast zu Ast, träumte durch die hellen und dunklen Blätterdächer und verfolgte mit ihren Blicken die winzigen, weißen Raupen, die an seidenen Fäden und vom Wind bewegt, nach unten ins Gras schwebten und darin verschwanden.

      An dem winzigen schwarzen Punkt konnte Line erkennen, wo bei ihnen vorne war.

      Auch an einem warmen, sonnigen Sonntag spielte sie allein vor dem Altersheim am abschüssigen Fleetufer, als sie von fern Pferdegetrappel hörte, das sich auf dem weichen Sand des Sommerweges zunächst wie sanftes Gemurmel anhörte, dann näher kam und rasch laut und lauter wurde.

      Wenig später hielt mit lautem „Brrrrr“ eine zierliche schwarze Kutsche auf dem Sommerweg.

      Line sah auf die Holzspeichen der großen Räder. Die hatten das warme Ochsenblutrot, wie Lines Großmutter solches Rot nannte, und das sich Line immer dickflüssig und klebrig vorstellte, obwohl sie wusste, dass die Farbe nicht echtes Blut und längst getrocknet war. Das schwarze Dach war zurückgeschlagen und lag in dicken Falten hinten auf dem Rand der Kutsche. Mit dem glänzenden Rappen davor, war dieser Anblick für Line eine Augenweide.

      Aber vom Fleetufer aus sah sie nicht genug, hörte aber das aufgeregte Scharren der Hufe des Rappen und richtete sich soweit neugierig auf, dass sie nicht entdeckt werden, aber noch besser über die Böschung sehen konnte.

      Ohne auch nur das geringste Geräusch zu machen, wurde nun die Kutschentür geöffnet und eine zierliche alte Dame ganz in schwarz, einschließlich des winzigen Hutes, stieg langsam und sehr verhalten aus.

      Dann stand sie unentschlossen da.

      Der Kutscher hatte aufmerksam verfolgt, was sie tat und befahl ihr dann in energischem Ton: „Na, geh’ schon und frage wie spät es ist, wir kommen sonst zu spät in die Kirche!“

      Zaghaft überquerte sie den Sommerweg, ging über die Straße und den geraden Weg bis zur Tür des Altersheims. Dabei schaute sie sich immer wieder unentschlossen nach der Kutsche um. Mit erheblichem Kraftaufwand öffnete sie dann die schwere Holztür und verschwand dahinter.

      Vor der Kutsche auf dem Sommerweg scharrte der Rappe noch immer aufgeregt mit dem Vorderfuß. Dabei entstand eine aufstrebende, feine Staubwolke, die zum Fleet schwebte und wie ein Gespenst im Schilfgürtel verschwand.

      Doch zu Lines Verwunderung klatschte der Kutscher nun die Zügel auf den Rücken des Pferdes und rief laut: „Hüah!“

      Die Kutsche setzte sich langsam und geräuschvoll in Bewegung, wendete in weitem Bogen und fuhr auf dem Sommerweg in die Richtung, aus der sie gekommen war, davon.

      Sie wurde klein und kleiner und war dann nicht mehr zu hören und wenig später kaum noch zu sehen.

      Es war wieder still.

      Line stand da, nahm eines der graugrünen Schilfblätter zwischen die Finger, ohne es abzureißen und rätselte, warum der Kutscher nicht auf die alte Dame gewartet hatte, da er doch die Uhrzeit wissen wollte, damit sie nicht zu spät in die Kirche kämen.

      Was würde die alte Dame tun, wenn die Kutsche nicht mehr da war?

      Wie käme sie in die Kirche, und vor allen Dingen, wie käme sie wieder nachhause?

      Line krabbelte auf allen Vieren am Ufer nach oben, stand nun auf dem Sommerweg, schickte ihre Blicke fragend die Landstraße entlang und dann zur Haustür des Altersheimes, aus der die alte Dame sicherlich gleich herauskommen würde.

      Sie wartete.

      Nach einer Weile setzte sie sich auf den schwarzweiß gestrichenen Kilometerstein am Rande des Sommerweges und ließ die Tür nicht aus den Augen.

      Line beschloss noch zu bleiben, denn dann könnte sie der alten Dame sagen, dass die Kutsche weggefahren sei, wenn sie nach ihr suchen würde.

      Doch Line wartete nicht nur eine ganze Weile, sie wartete auch vergeblich.

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