Project Mercury. Hans Müncheberg
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Gilbert musste lächeln, als er Scott wie einen großen Jungen schwärmen hörte, wie schön es sei, jetzt schon zu spüren, wie es einmal sein würde, wenn die große Stunde da wäre, wenn er oben an der Spitze der Rakete in der Kapsel sitzen würde, um hinauszufliegen in die dunkle Unendlichkeit. Gilbert hörte sich alles geduldig an und wechselte einen verstehenden Blick mit Betty, die die ganze Zeit still daneben saß, ohne ein Wort der Unterhaltung zu versäumen.
"Ich brauche nur ein bisschen Phantasie, und ich weiß genau, wie es sein wird. Erst werde ich das Schütteln und Vibrieren spüren, wenn die Triebwerke zu arbeiten beginnen. Dann kommt der Andruck dazu, der mich stärker und immer stärker in die Konturencouch pressen wird. Der Lärm wird ungeheuer sein, das Zischen und Dröhnen der Motoren und der durchstoßenen Luftmassen. Es wird auch langsam wärmer werden durch die Reibungshitze der Luft. Und plötzlich, weißt du, so nach ungefähr hundertfünfzig Sekunden, werde ich einen Moment denken, es ist alles aus. Dann aber werde ich wissen, dass ich frei durch den Raum fliege. Kein Laut wird in der Kapsel sein, die sich von der Trägerrakete gelöst hat." Scott nahm die Hand von Gilberts Schulter, packte den Freund an den Armen und drehte ihn zu sich um. "Du solltest einmal mitfliegen, wenn wir zum Parabelflug starten. Das ist ein unwahrscheinliches Gefühl, wenn das Flugzeug mit äußerster Kraft Schwung holt und steil hoch fliegt, plötzlich die Motoren drosselt, und in einer flachen Parabelkurve frei durch den Raum fällt. Fünfzehn, zwanzig Sekunden bist du dann schwerelos. Im ersten Augenblick ist dir, als ob du ohne Halt ins Bodenlose fällst. Es gab auch welche, die bei den Auswahlprüfungen genauso wie im Spezialbassin Panik bekamen und die Nerven verloren. Wer aber alle fünf Sinne zusammennimmt, der genießt die Schwerelosigkeit. Du, das ist, als ob sich der uralte Traum erfüllt hat. Du schwebst frei in der Kabine, kannst fliegen, ohne Hilfsmittel. Eine Bewegung der Hand, und du drehst dich um die eigene Achse. Ein leichter Stoß gegen die Kabinenwand, und du schnellst wie im Hechtsprung schräg durch die Luft. Alles ist so leicht, so schwebend. Du fühlst dich wie der junge Ikarus - oder wie Gott Merkur mit den Flügelschuhen." Er sah, wie Gilbert sich über seine Begeisterung freute, brach ab, hieb verlegen mit der Faust in die flache Hand und brummte: "Na ja, eben, das ist schon was." Er ging wieder zu seinem Sessel und ließ sich auf den Sitz fallen,
Da sprach auf einmal Betty. Ihre Stimme war verhalten und hatte einen dunklen, warmen Klang. "Jetzt, beim Training, habe ich schon keine Sorge mehr. Aber später, wenn es einmal soweit ist ..., dann fürchte ich, es könnte ihm gehen wie dem jungen Ikarus."
"Aber Betty!" Scott beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand.
Sie sah ihn an, nickte ernst und wiederholte: "Doch, ich fürchte für dich." Plötzlich stand sie auf, ging zu Gilbert. "Lawrence, wenn ich wüsste, du leitest diese Flüge, ich brauchte keine Angst mehr zu haben."
Gilbert sah sie an, sah die Bitte und das Vertrauen in ihren Augen und antwortete: "Ich werde mir alles noch einmal gründlich überlegen."
Der Rückflug nach San Diego dauerte fast fünf Stunden. Zeit genug, um über die Entscheidung nachzudenken, die sein weiteres Leben bestimmen würde. Gilbert war ein Mensch, der immer genau wissen wollte, was er tat und wofür er es tat. Damals, als er nach seinem Examen zur Convair ging, waren diese Fragen leicht zu beantworten gewesen. Der Krieg war den USA von Japan und Hitlerdeutschland aufgezwungen worden. Die Nation musste sich verteidigen, und Gilbert leistete seinen Beitrag. Dem Schutz Amerikas diente auch die Arbeit der folgenden Jahre. Immer neue Waffen wurden entwickelt, mussten entwickelt werden, hieß es beschwörend, und Gilbert tat, was in seinen Kräften stand. Sein größter Erfolg als Konstrukteur war schließlich die Atlas. Die Anerkennung, die man ihm zollte, freute ihn, aber dann waren die Gedanken, die Empfindungen wieder da, die er stets vergeblich zu unterdrücken versucht hatte: War das offizielle Lob nicht zu sehr an die Tatsache gebunden, dass das Endprodukt seiner Arbeit eine Waffe war? Würde man dem Konstrukteur eines neuartigen, unsinkbaren Rettungsbootes gleich große Aufmerksamkeit widmen? Es gab nicht selten Augenblicke, in denen er sich durch solche Überlegungen in der Ausführung seiner Ideen gehemmt fühlte. Die Atlas war einzig und allein als Waffe, als Träger stärkster nuklearer Sprengkörper bestellt, konstruiert und gebaut worden. Eine Abschreckungswaffe? Gilbert konnte das Gefühl nicht loswerden, dass der Schreck zurückschlug, und der Gedanke machte ihn beklommen, die Gegenseite würde in jedem Fall auch solche Trägerraketen besitzen, wenn nicht sogar bessere und stärkere...
Gilbert sah hinaus. Die gleißenden Wolkenbänke rissen auf und ließen den Blick aus einer Höhe von fast zehn Kilometern ungehindert bis zu den weiten Ebenen dringen, die sich jetzt, Anfang September, in einem schmutzigen Gelbbraun zeigten, selten nur von grünen Rechtecken durchsetzt. Dann aber veränderte sich das Landschaftsbild. Berge wuchsen unter dem dahinjagenden Flugzeug auf, die ersten Ketten der Rocky Mountains, Gilbert kannte die Flugroute genau. Er wusste, ein und eine halbe Stunde waren sie noch von der Westküste entfernt. Bald würde San Diego unter ihnen liegen. Gilbert lehnte sich zurück und ließ die Gedanken vorauseilen.
Mit Bradley würde es Schwierigkeiten geben, so oder so. Die Spannungen der letzten Tage hatten deutlich genug gezeigt, dass der technische Direktor nicht gewillt war, Gilbert auch nur für eine Woche freizugeben. Die versteckte Drohung, wer erst einmal das Werk verlassen hätte, könne niemals zurückkommen, war unmissverständlich. Bradley wusste zu genau, wie sehr Gilbert an seiner schöpferischen Arbeit hing. Er wusste auch, dass es auf diesem hochspezialisierten Arbeitsgebiet kaum möglich war, woanders eine ähnliche Arbeit zu finden. Gilbert gab sich keiner Illusion hin. Falls er das Angebot der NASA akzeptierte, stand ihm ein schwerer Kampf bevor, dessen Ausgang noch nach dem einen Jahr offen sein würde. Aber dieser Kampf begann ihn zu reizen. Wahrscheinlich trug dazu die Überzeugung bei, dass auf Cape Canaveral ungleich schönere Aufgaben warteten als alle, die er bisher gehabt hatte. Er könnte am friedlichen Wettstreit um die Erschließung des Weltraums für den Menschen teilhaben. Er würde als Konstrukteur der Atlas beweisen, dass sein Werk nicht nur der Vernichtung des Lebens dienen konnte, sondern der Menschheit half, neue Bereiche zu erschließen.
Gleich nach seiner Ankunft in San Diego rief Gilbert die Zentrale der NASA in Washington an und teilte Chefdirekter Webster sein Einverständnis mit. Er verhehlte auch nicht, welche Probleme sich für ihn persönlich damit verbänden. Webster versprach, sich selbst für eine befriedigende Lösung einzusetzen.
Wenige Tage später erschien Webster in Los Angeles und San Diego, um sein Versprechen einzulösen. Er nahm an der entscheidenden Beratung des Verwaltungsrates der Convair teil und erreichte die Zusage, dass Gilbert nach Ablauf eines Jahres in seine alte Position bei den Astronautics-Werken zurückkehren könnte.
Am selben Tage bestellte Bradley Gilbert zu sich. Er warf ihm vor, leichtfertig seine Arbeit im Stich zu lassen, und erklärte offen, er fühle sich nicht an den Beschluss des Verwaltungsrates gebunden. Die Herren könnten vom grünen Tisch viel beschließen. Ihm als dem technischen Direktor bliebe es schließlich doch überlassen, die laufende Produktion und die kontinuierliche Arbeit an den Neuentwicklungen zu sichern. Da das Geschäft aber das entscheidende Argument sei, könne er nicht garantieren, ob sich der Posten des Chefkonstrukteurs über ein ganzes Jahr freihalten ließe. Wenn es notwendig würde, ihn neu und anders zu besetzen, dann müsste sich Gilbert eben im nächsten Jahr nach einem neuen Job umsehen.
Am Abend dieses Tages sprach Gilbert mit Webster über das versteckte Ultimatum Bradleys. Webster beruhigte ihn. Die NASA und die Regierung der USA seien die Hauptauftraggeber der Convair. Heute wäre es dank der bald einsatzreifen anderen interkontinentalen Geschosse wie Titan und Minuteman nicht mehr so, dass die Vereinigten Staaten auf die Convair angewiesen seien, sondern sich die Convair nach den Wünschen der Regierung zu richten habe. Er selbst als Chefdirektor der NASA würde die Garantie dafür übernehmen, dass Gilbert nach San Diego in die alte Position zurück könne, wenn er dann noch wolle. Dieses Versprechen genügte Gilbert,