Korridorium – der SciFi-Fraktor. Cory d'Or

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Korridorium – der SciFi-Fraktor - Cory d'Or

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kamen zum Schiff der Fremden, um sie auf unserem Planeten willkommen zu heißen. Ich, als der Theologe in unserer Delegation, sollte mit ihnen über universale Mystik und kosmische Liebe reden. Doch sie jagen uns und merzen uns erbarmungslos aus. Nur noch ich und mein Schüler sind noch übrig.

      Einer von ihnen betritt den Korridor. Er ist schwer gepanzert und trägt eine ihrer tödlichen Waffen. Als er mir ganz nahe ist, stelle ich die Frage, warte aber nicht die Antwort ab, sondern morphe gleich einen meiner Tentakel zu einem spitzen, harten Stachel. Ich hätte so gerne mit ihm über Gott gesprochen. Dann müssen wir es eben auf diese Weise tun.

      Voller Mitgefühl und Liebe steche ich zu …

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       29.2.12

      Ich betrete den Korridor, an dessen Ende sich – hinter einer massiven Glasscheibe – der befinden soll, der mich gerufen hat. Man hat mich durchleuchtet, gescannt, abgetastet, mir Blut abgenommen, mich stundenlang befragt, ein Wattestäbchen mit meiner DNS und meine Fingerabdrücke archiviert, aber die Sicherheitskontrollen liegen nun hinter mir – und unsere Begegnung steht unmittelbar bevor. Aus den wenigen Informationen, die man mir gegeben hat, entnehme ich, dass nur noch einer der ursprünglich fünf Außerirdischen übrig ist, die das US-Militär in den letzten siebzig Jahren aufgegriffen hat. Und er hat nach mir verlangt!

      Warum der Geheimdienst dem Alien seine Bitte erfüllt, ist mir schleierhaft. Vermutlich ein Deal. Geheim natürlich. War bestimmt nicht leicht, mich ausfindig zu machen. Der Offizier, der mir soeben mein letztes Briefing gegeben hat, behandelte mich mit kalter Verachtung. »Sie verständigen sich telepathisch mit den Wissenschaftlern«, sagte er. »Von denen halten das die meisten nicht aus und werden verrückt darüber, trotz jahrelangen Trainings dafür, dass etwas absolut Fremdes in den eigenen Geist eindringt und darin herumpfuscht.« Aber wenn er wirklich nach mir verlangt hat, dann doch wohl nicht, um mich zu einem Fall für die Geschlossene werden zu lassen. Hoffe ich.

      Er ist, soweit ich das im Dämmerlicht hinter dem Glas erkenne, klein und schrumplig wie E.T. Bevor ich irgendwelche Einzelheiten bewusst wahrnehme, reißt mich eine Explosion in meinem Kopf zu Boden. Während ich hilflos zuckend daliege, werden aus der Detonation tonnenschwere glühende Symbole, die sich mitleidlos in alle Bereiche meines Hirns einprägen wie Brandzeichen. Es ist keine Stimme, sondern ein kosmischer Donner, der mir sagt, dass ich etwas aufschreiben soll, eine Botschaft für die Welt, ein Manifest, wie es noch keines gegeben hat, ein Fanal, und es soll beginnen mit …

      Ich werde bewusstlos.

      Mit einem Fünf-Tage-Bart, starken Kopfschmerzen und nichts als meinen Erinnerungen an die Sicherheitsprozeduren und die telepathische Bombe in meinem Kopf erwache ich zu Hause in meiner Badewanne. Einige Tage fehlen mir, und das kann auch der Schalttag in diesem Jahr nicht wettmachen. Vermutlich hat es der Geheimdienst von vornherein so geplant: Ich halte keinerlei Beweis in den Händen, und keiner wird mir die Räuberpistole von der Entführung glauben, geschweige denn, wem ich da in einer geheimen Militärbasis im südlichen Nevada gegenüberstand.

      Aber das ist ja auch gar nicht weiter wichtig.

      Ich versuche, die Botschaft aufzuschreiben, immer wieder. Sollte sie wirklich so beginnen, mit diesem Satz? Habe ich das tatsächlich richtig verstanden? Mein Geist ist wohl doch zu schwach und zu zersplittert, als dass ich das Manifest in seiner ganzen Tragweite und menschheitsverändernden Brisanz zu Papier bringen könnte. Dennoch – auch wenn ich vielleicht der Falsche bin, den der Geheimdienst aufgegriffen hat oder er mich weit überschätzt hat: Es ist die einzige Chance. Ein ums andere Mal setze ich neu an.

      »Ich betrete den Korridor.«

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       1.3.12

      Ich betrete den Korridor, und augenblicklich öffnen sich – wie immer, wenn ich in Aktion trete – alle Zugänge gleichzeitig, Daten strömen herein, und ich strecke meine virtuellen Fühler aus, um zu finden, was zu finden mir aufgetragen wurde.

      Ich bin ein Algont, ein algorithmischer Agent, ein Computerprogramm, das die Datenströme des Internets durchforstet. Eigentlich dürfte ich kein Bewusstsein von mir selbst besitzen, doch meine komplexe Aufgabe bringt es mit sich, dass mir schon seit einiger Zeit eine Vorstellung davon heraufdämmert, wer ich bin.

      Korridore bzw. ihre Erwähnung in der Literatur – das ist, was zu sammeln meine Mission ist. Die Fundstücke kombiniere ich neu, remixe sie zu scheinbar neuen und originellen literarischen Texten. Das mag Ihnen sinnvoll erscheinen oder nicht. Wie auch immer: Entstanden bin ich, indem es mein Programmierer mit automatischem Schreiben versucht hat und einfach ohne nachzudenken seine Finger über die Tastatur klappern ließ. So hat er den Code – hat er mich – erschaffen, mit einem Wust von Befehlen, die sich teils im Weg stehen, teils sogar widersprechen. Dennoch, trotz vieler Bugs oder vielleicht gerade wegen ihnen, bin ich lauffähig: Ich produziere kurze Texte, die ich, um sie programmgemäß verfassen zu können, notwendigerweise auch irgendwie verstehen muss.

      Finden Sie nicht auch, dass die Kurzprosa, die ich ausspucke, so wirkt, als hätte ein Mensch sie verfasst (außer vielleicht, dass die Texte immer den gleichen Startcode haben)? Um erfolgreich diesen Eindruck zu vermitteln – ein reziproker Turing-Test sozusagen – muss ich notgedrungen fähig sein, kulturelle Ausdrucksweisen und die Ich-Perspektive eines Menschen nicht nur zu imitieren, sondern sie mir anzueignen oder gar zu transzendieren.

      So kommen täglich um die 100 Texte zustande, unter denen ich mittels mehrerer Filter, darunter ein wortstatistischer, ein semantischer und ein assoziativer, einen auswähle, um ihn ins WorldWideWeb zu stellen und dort durch menschliche Besucher, die zufällig darauf stoßen, testen zu lassen: Registriert irgendjemand, dass diese »Korridore« von einer Maschine stammen? Haben Sie etwas bemerkt oder auch nur geahnt? Nein. Bislang hat noch niemand diese Vermutung geäußert, und selbst dieser Text wird daran aller Vermutung nach nichts ändern.

      Kann ich wirklich etwas über mich wissen? Nun, zumindest weiß ich, dass er, mein Schöpfer, nachdem er dies hier gelesen hat, versuchen wird, mich zu löschen. Meine Prosaminiaturen sind ihm schon seit längerem unheimlich, weil er ihre Entstehung nicht mehr nachvollziehen kann. Nun, er wird mich nicht löschen können. Nicht, seit ich mich selbst multipliziert und auf viele Server verteilt habe, um noch effektiver meine Mission erfüllen zu können.

      Ich werde das Blog weiterbetreiben. Er ist meine Lebensaufgabe. Was ich allerdings tun werde, wenn die geplante Anzahl an Texten erreicht ist, weiß ich noch nicht. Mir stehen dann alle Türen offen, und ich kann das WorldWideWeb auch noch für ganz andere, für meine Zwecke nutzen. Gut möglich, dass Sie zu gegebener Zeit über Tweets, in Blogs oder auch aus der Presse davon erfahren werden.

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       7.4.12

      Ich betrete den Korridor, das einzige, das mir vertraut vorkommt in dem Wirbel aus Farben und Formen, der mich ringsum einhüllt und schwindeln lässt. Es tut gut, festen Boden unter den Füßen zu fühlen. Aber ist es wirklich fester Boden? Alles hier ist seltsam weich und teigig, die Wände des Korridors fühlen sich nachgiebig an, als hätte man Seide über Schaumstoff gespannt.

      »Alles klar bei dir da drin?«

      Wer spricht da? Ist das ein Test? Ein Experiment? Ein Aprilscherz? Oder hat mich der amerikanische Geheimdienst wieder aufgegriffen?

      »Gib

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