Die Expedition. Axel Schade

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Die Expedition - Axel Schade Verrückte Geschichten vom Planeten Terra!

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der terranischen Gesellschaft. Man beäugte sein Waldläufertum äußerst kritisch. Nicht wenige Stimmen forderten, dass diesem Unfug ein Ende bereitet würde. Man glaubt es heutzutage kaum, doch damals waren Aktivitäten in der Natur vollkommen verpönt. Sie galten als unschicklich. Konservative Kreise gingen sogar soweit, dem Naturburschen Unsittlichkeit zu unterstellen. Besorgte Bürger befürchteten, Kurt verderbe durch sein schlechtes Beispiel die Jugend! Kurt Sichtig verfasste in jenen Tagen mehrere Artikel über das Leben in der Wildnis. Er wünschte, sie zu veröffentlichen und sprach bei Verlagen vor. Anfangs fanden sich keine Verleger für diesen „heiklen Stoff“. Bis schließlich ein Monatsmagazin für die Jugend, den Mut fand, Artikel zu drucken. Bravo, riefen die Konservativen. Jetzt bekommt der Verderber der Jugend auch noch ein Forum, um seine kruden Theorien zu verbreiten. Na, das ist ja toll! Gut, dass sich der Chefredakteur der Zeitschrift „APPLAUS“ nicht in sein Geschäft hineinreden ließ. Er veröffentlichte die Naturbeschreibungen und Geschichten gegen alle Widerstände. Dennoch brauchte es ein paar Jahre bis sich in Folge der „Wandalismus Bewegung“, einiges änderte. Inzwischen ist der Aufenthalt in der Natur auf Terra gesellschaftsfähig. Manch älterer Mitbürger fragt sich inzwischen, warum er überhaupt einmal dagegen war.

      Das Waldläufertum seiner Jugend führte Kurt Sichtig beruflich weiter. Er wurde Forscher. Man sah ihm seinen Beruf an, wie er so dastand. Braungebrannt. Sportliche Figur. Khakifarbene Allzweckhose. Dunkelgrünes Hemd, Ärmel hochgekrempelt. Darüber eine Tarnweste mit verwirrend vielen Taschen, Schnallen, Reißverschlüssen. Seine Füße stecken in stabilen Schuhen mit groben Sohlen. Mit den Tretern hätte er leicht bei der Bekämpfung von Flächenbränden helfen können. Shabbadag musste grinsen. Der Kerl hat riesige Füße! Solche mega Latschen sah Shabbadag noch nie! Von der Seite betrachtet, schaute der Mann aus wie der Buchstabe „L“! Im Teleguck fiel das nicht auf. Shabbadag schaute die Sendungen von Kurt Sichtig regelmäßig. Sie waren spannend, lehrreich und interessant. Herrn Sichtigs überdimensionierte Latschen bemerkte er in keiner Sendung. Die hielt der Kameramann geschickt aus dem Bild. Eine ziemlich meisterliche Leistung von ihm, kicherte Shabbadag in Gedanken vor sich hin. Dann fiel ihm der labberige feuchtkalte Händedruck ein, den er im Büro des Oberbürgers von Kurt Sichtig erhielt. Die großen Galoschen und diese gummiartige Pranke wirkten seltsam. Ansonsten hielt er Kurt Sichtig durchaus für sympathisch. Für den Rest kann er ja nichts, dachte Shabbadag und hatte das Thema eigentlich abgehakt. Doch im Schneckentempo kroch eine fiese Erinnerung aus der hintersten Ecke seines Gehirns. Tastete sich lautlos aus ihrem dunklen Versteck. Eigentlich mausetot und begraben, stieg sie wie ein Zombie aus ihrem feuchten Grab und kam Shabbadag von Neuem in den Sinn. Diese böse Erinnerung! Vor Langem gab es doch mal einen Skandal wegen Kurt Sichtig? Worum ging es da gleich? Blitzartig schossen Shabbadag Gedanken durch den Kopf, deren er sich nicht erwehren konnte. Eine längst vergessen geglaubte Kindheitserinnerung krabbelte spinnenartig durch sein Gedächtnis. Die Erinnerung ließ ihn erschaudern und rieselte seinen Rücken hinab. Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen. Plötzlich fiel ihm alles ein.

      Shabbadag war erst fünf Jahre alt, als schlimme Nachrichten im Teleguck verkündet wurden. Seine Eltern weilten an diesem Abend nicht zu Hause. Sie feierten bei einem Nachbarn dessen Geburtstag. Mama und Papa brachten ihn zu Bett und sagten: „Wenn etwas ist, dann rufst du an.“ Was sollte schon sein? Sie feierten im Nebenhaus, sozusagen in Rufweite. Er und Angst? Im Gegenteil! Shabbadag freute sich, denn das die Eltern weg waren, wollte er ausnutzen. Kaum hörte er die Haustüre ins Schloss fallen, sprang er behände aus seinem Bett und schaltete unerlaubt das Teleguck ein. Eigentlich durfte er nur im Beisein seiner Eltern Tele gucken. Darum fand er es umso spannender, es heimlich zu tun.

      Just in diesem Moment wurde ihm schlagartig klar, wie recht seine Eltern damals mit dieser Verbotsregel hatten. Jetzt, als Erwachsener verstand er, wie sehr das Ereignis sein kindliches Unterbewusstsein beeinflusste. Denn wie sich gerade herausstellte, wirkte das, was er sah und hörte, bis heute nach. Tief lag es verborgen. Jetzt trat es nach Jahren des Schlummers zum Vorschein.

      Der Bericht eignete sich definitiv nicht für ein Kind seines Alters. Verstört bibbernd, schaltete er danach das Gerät aus und verkroch sich in sein Bett. Er zog die Decke über den Kopf und versuchte, das Gesehene und Gehörte zu vergessen. Vergessen! Nur Vergessen! Schluchzend schlief er ein.

      Am folgenden Tag war das Erlebnis abgehakt. Wie das häufig so ist bei kleinen Jungs. Aber Shabbadag vergaß das Erlebte nicht, sondern verdrängte es! Die Informationen brannten sich fest in sein Unterbewusstsein, um jetzt erinnert zu werden: Zwei Wissenschaftler waren auf einem Eisplaneten verschollen. Sie unternahmen die Reise dorthin, um Eissorten zu erforschen. Sie versuchten herausfinden, ob das Eis zu Terras Nutzen abgebaut werden konnte. Die Forscher hießen Kurt Sichtig und Doktor Macka Roni.

      STRAZZIATELLA, der größte von drei Eisplaneten die um eine erloschene Sonne kreisen, nahm im Laufe der Jahrmillionen die Form einer Eistüte an. Seine beiden Trabanten, RUCKOLA und BROCKOLI, blieben kugelrund. Schaut man durch die weitreichende Optik der „Hans Guck In Die Luft“ Sternwarte, entsteht der Eindruck, eine Eiswaffel mit zwei Kugeln darauf befände sich im All.

      Die Forscher flogen zuerst zum Planeten RUCKOLA. Von dort führte die Reise zum BROCKOLI. Einige Tage nach ihrer Landung, ging der Kontakt zu ihnen verloren. Ihre letzte Meldung besagte, dass sie bei der Rückkehr von einer Expedition den FLUGS Raumgleiter wegen heftiger Schneefälle nicht fanden. Sofort schickte man ein Rettungsteam los. Dieses kehrte zwei Wochen später erschöpft erfolglos zurück. Man delegierte ein frisches Team, danach ein weiteres und noch eins. Nach Monaten der Suche verringerte sich die Hoffnung, die Beiden jemals zu entdecken. Dann kam überraschend die nicht mehr für möglich gehaltene Wende! Der letzte ausgesandte Suchtrupp entdeckte einen Forscher lebend: Kurt Sichtig.

      Doktor Macka Roni blieb verschwunden. Kurt Sichtig konnte zum Verbleib seines Kollegen (angeblich) keine Angaben machen. Sichtig behauptete, Doktor Macka Roni bei einem Schneegestöber aus den Augen verloren zu haben. Die Gerüchteküche brodelte. Die wilden Spekulationen gipfelten in der Behauptung, Kurt Sichtig habe seinen Partner aufgefressen, um sein eigenes Überleben zu sichern! Eine ungeheuerliche Behauptung! Objektiv besehen, erschien diese Theorie jedoch nicht ganz abwegig. Dafür sprach die Tatsache, dass Kurt Sichtig, trotz seines monatelangen, kräftezehrenden Aufenthalts auf dem Eisplaneten, nicht ein einziges Gramm Gewicht verlor. Im Gegenteil. Er legte zu! Wie konnte das sein? Sichtig argumentierte zu seiner Verteidigung so: „Macka Roni und ich tauschten täglich die Schlitten. Jeder zog einen Tag den leichten, am anderen Tag den schweren Schlitten. Der leichte Schlitten beförderte Nahrungsmittel, Getränke, Kleidung, Schlafsäcke sowie das beheizbare Zelt. Der zweite Schlitten trug das schwere technische Equipment und Werkzeug. Am Unglückstag, als Macka Roni sich im Schneesturm verirrte, zog ich den leichten Schlitten. Mir standen alle Nahrungsmittel und das beheizbare Zelt zur Verfügung. Das sicherte mein Überleben!“ Ob dies der Wahrheit entsprach, wusste allein Kurt Sichtig. Doktor Macka Roni blieb verschollen.

      Monate nach seiner Rettung, befeuerte Kurt Sichtig nochmals die bereits erloschene Flamme der Empörung. Er veröffentlichte ein Buch über die Eisplanetenexpedition. Kurt Sichtig gab dem Buch den zweideutigen Titel „Der Forscher in mir!“

      All das ging Shabbadag in Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Er schaute auf seinen rechten Arm. Alle Haare hatten sich aufgestellt.

      „Ich habe Informationen zum Zielgebiet!“, begann Kurt Sichtig seinen Vortrag mit knarzender Stimme. Er startete den Computer. Auf dem Bildschirm erschien die Luftaufnahme einer irdischen Stadt. Die Häuser standen dicht beisammen. Um die Stadt herum gab es enorm viel Wald. Shabbadag erkannte den Ort auf den ersten Blick. Die Stadt Siegen. Dorthin flog er häufig mit Gästen von IDEALL Reisen. Er kannte sich im Siegerland bestens aus. Schließlich handelte es sich um eines seiner Fachgebiete in seiner Eigenschaft als Reiseführer. In Siegen zeigte er den Reisenden die beiden Schlösser, die „Unteres Schloss“ und „Oberes Schloss“ heißen. Er überflog gerne das Wahrzeichen der Stadt, „Das Krönchen“, eine vergoldete Krone auf der Kirchturmspitze der Nikolaikirche. Siegen ist bei Terranern ein sehr beliebtes Ziel. Die Stadt ähnelt topographisch auf verblüffende Weise Terras

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