Infiziert : Die ersten zehn Tage. Felix Fehder
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Читать онлайн книгу Infiziert : Die ersten zehn Tage - Felix Fehder страница 4
Vor ihr kippte das Tor auf sie zu. Sie versuchte ihren Sprint zu bremsen und fiel hin. Das Tor knallte ein Stück vor ihr zu Boden, der Fremde und einige Infizierte purzelten ihr entgegen. Sie krabbelte rückwärts und hob ihre Waffe. Ein paar Schüsse peitschten über sie hinweg. Michael hatte das Feuer eröffnet. Sie rollte aus der Schusslinie, erhob sich und überblickte die Lage.
Der Fremde vom Zaun war nicht mehr zu sehen, begraben unter einem Haufen Infizierter. Durch das offene Tor strömten immer mehr heraus.
Sie rannte zum in einiger Entfernung am Straßenrand geparkten Streifenwagen und redete hastig ins Funkgerät:
„Wir haben am Südtor einen Ausbruch.“
„Was?“, kam es vom anderen Ende.
„Ein Mann ist tot, das Tor ist kaputt. Wir brauchen sofort Verstärkung.“
„Ich seh‘ was ich tun kann. Wir haben noch ein zweites Loch.“
„Was?“, war es jetzt an Martina.
„Ich weiß auch nichts Genaues, aber Ihr habt Erlaubnis zu schießen.“
„Schon passiert“, seufzte Martina.
„Haltet die Stellung.“
Das war leichter gesagt als getan: Der Haufen über dem toten Mann vom Zaun löste sich nun langsam auf. Darunter kam ein braunroter Matsch zum Vorschein, einige Infizierte ließen sich nieder und leckten daran herum. Doch die meisten bewegten sich nun auf Michael zu.
Sie sprang ins Auto, startete den Motor und gab Gas. Der Wagen schoss nach vorne, sie fuhr an Michael vorbei, riss das Auto herum und positionierte es zwischen ihm und den Infizierten. Ihr Kollege verlor keine Zeit. Fast sofort hing er mit gezogener Waffe über der Motorhaube und schrie die Infizierten an, dass sie stehen bleiben sollen. Martina kletterte aus dem Wagen und legte sich über den Kofferraum.
„STEHENBLEIBEN. DAS IST DIE LETZTE WARNUNG“, schrie Michael.
Die Infizierten zeigten keinerlei Reaktion. Alles, was sie kannten oder wussten, war, dass hinter diesem Auto frisches Fleisch auf sie wartete. Diese Krankheit ist nicht, was wir dachten. Martina legte an und schoss einem der Vorderen ins Bein. Die Kugel ging glatt hindurch, der Infizierte taumelte und fiel hin. Kein Schrei, kein gar nichts. Der Angeschossene richtete sich mühsam wieder auf und setzte seinen Kurs auf das Auto fort. Michael sah zu ihr rüber, Panik im Blick.
Die Gruppe hatte die Motorhaube nun fast erreicht.
„SCHIESS“, schrie Martina.
Und Michael schoss. Wie ein Wahnsinniger in die näher kommende Menge. Martina hob ebenfalls wieder die Waffe und zielte dem Nächstbesten aufs Herz. Sie drückte ab. Treffer. Der Infizierte brach rückwärts zusammen. Geht doch. Sie legte auf den Nächsten an, traf aber nur den Bauch. Ihr Ziel lief weiter. Sie hatte den Finger erneut auf dem Abzug, als sie ihr erstes Ziel wieder in der Menge sah. An der Stelle des Herzens war ein riesiges Loch. Vor Angst bebend hob sie die Waffe ein Stück höher. Sie atmete tief ein – und ließ die Luft in dem Moment heraus, in dem sie den Abzug durchzog. Der Kopf ihres Ziel zerbarst in einer Wolke aus Blut, Knochen und Matsch. Sie legte auf einen Weiteren an und wiederholte die Prozedur mit demselben unappetitlichen Resultat. Keins ihrer Opfer regte sich noch.
„ZIEL AUF DIE KÖPFE!“, rief sie Michael zu.
Die Infizierten auf seiner Seite hatten nun das Auto erreicht. Michael visierte einen Kopf an, drückte ab und war im nächsten Moment voller Blut und Hirnmasse. Er legte auf den nächsten an, drückte ab, doch seine Waffe klickte nur hohl.
„KEINE MUNITION MEHR!“ Er zog seinen Schlagstock.
Noch ein paar Schuss und Martina würde dasselbe Problem haben. Es sind einfach zu viele.
„Wir müssen weg!“
Michael befand sich im Nahkampf mit einem Infizierten, der seinen Schlagstock gepackt hatte und nach seinem Gesicht schnappte. Martina versetzte dem Infizierten einen Kopfschuss und Michael war frei. Sofort kam ein Neuer ums Auto herum und bekam die Wucht seines Schlagstocks zu spüren. Er brach zusammen. Michael stellte sich breitbeinig hin und wartete auf den Nächsten.
„Komm jetzt!“, brüllte Martina.
Sie riss die Autotür auf und zog Michael am Arm. Er befreite sich und hieb seinen Stock auf einen Schädel.
„MICHAEL!“
Er wandte sich um, blickte in Richtung Tor, wo immer mehr Infizierte herkamen und sah wohl ein, dass es sinnlos war. Martina kletterte ins Auto und auf den Beifahrersitz, Michael folgte, war schon halb im Auto, als er plötzlich aufschrie. Eine Infizierte hing an seinem Bein, die Zähne in seinen Unterschenkel versenkt. Martina schoss ihr in den Kopf, griff über Michael hinweg und zog die Autotür zu.
„Reiß dich zusammen!“ Sie schüttelte ihn.
Michael hörte auf zu schreien und sah sie an.
„Rückwärts, los“, kommandierte sie.
Er startete, legte den Gang ein und gab endlich Gas. Ein paar Infizierte krallten sich am Wagen fest, konnten sich aber nicht halten. Michael brachte sie auf Abstand zu der Meute, wendete dann und steuerte den Wagen in Richtung Stadt. Im Rückspiegel sah die Szene vor dem Tor aus wie ein Volksauflauf. Michael war voller Blut und Knochensplitter. Sein Bein sah nicht gut aus und er schwitzte stark.
„Lass mich fahren“, sagte Martina. „Du musst in ein Krankenhaus.“
3: HAUS VON FAMILIE BORN, NORDSTADT, DONNERSTAG, 30.07.2013, 19:55 UHR
Ferdinand Born starrte zwischen zwei Bissen auf den Fernseher – wie jeden Abend. Früher hasste Mama das, beim Essen wurde bei Familie Born nie ferngesehen. Nun lief der Fernseher sowieso den ganzen Tag und blieb beim Abendessen einfach an. Mama setzte sich mit dem Rücken zum Durchgang zum Wohnzimmer an den Esstisch, Papa, Ferdinand und seine kleine Schwester Lea ihr gegenüber, sodass sie freie Sicht auf den Bildschirm hatten. Mama gab zwar ihr Bestes, um sich zu verstellen, aber Ferdinand wusste, dass sie Angst hatte. Ständig kam sie zu den Geschwistern nach oben, um nach ihnen zu sehen, immer unter irgendeinem Vorwand. Mal wollte sie wissen, was sie essen wollten, mal brachte sie ihnen geschnittenes Obst nach oben oder sagte, sie müsse dringend mal ihre Betten abziehen. Wenn ihre Frage beantwortet, das Obst dankend angenommen oder die Betten gemacht waren, blieb sie beim Gehen stets in der Tür stehen, betrachtete mit verklärtem Gesicht ihre Kinder und vergewisserte sich, ob sie eigentlich wüssten, wie lieb sie sie habe. Genervt versicherten die Geschwister ihr, dass sie davon nach den ganzen Beteuerungen eine ganz gute Vorstellung hätten und Mama verließ seufzend das Zimmer.
„Sie haben gesagt, dass es mehr geworden sind“, berichtete Ferdinand seiner Familie. „Sie haben das Industriegebiet abgeriegelt.“ Ferdinand wusste alles über den Verlauf der Katastrophe. Anfangs hatte ihn das Alles nicht groß gekümmert: In irgendeiner Fabrik war irgendein Unglück passiert. Sowas hörte man dauernd. Als dann alle Schulen, Behörden und Geschäfte geschlossen wurden, und alle aufgefordert wurden, ihre Häuser nicht zu verlassen, nahm plötzlich jeder die Sache sehr ernst. Ferdinand verfolgte alles am Bildschirm. Die Medien stürzten sich erneut auf den Unfall, neues Material darin findend, dass Auslöser und Folgen