Infiziert : Die ersten zehn Tage. Felix Fehder

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Infiziert : Die ersten zehn Tage - Felix Fehder

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und Papa stand im Türrahmen.

      „INS BAD!“, schrie er.

      Wie von der Tarantel gebissen sprangen die Kinder aus den Betten und rannten ins Bad.

      Sie sahen Mama, wie sie mit einem großen Fleischmesser zur Haustür eilte. Papa schubste sie weiter, knallte die Tür hinter ihnen zu und kommandierte „ABSCHLIESSEN!“

      Ferdinand gehorchte. Er schloss von innen ab, sie setzten sich auf den Boden und nahmen sich zitternd in die Arme.

      Sie hörten, wie Papa wieder nach unten ging und irgendwas zu Mama sagte. Danach war es einige Sekunden lang still und dann brach die Hölle los: Mama schrie, Papa fluchte. Sie hörten lautes Krachen, Möbel wurden umgestoßen, jemand fiel zu Boden. Mama schrie noch einmal laut auf. Ein gequälter Schrei, den Ferdinand niemals wieder vergessen würde.

      Die Geschwister starrten sich entsetzt an. Einige Momente vergingen in völliger Stille, dann sagte Ferdinand:

      „Ich gehe nachsehen.“

      „Aber Papa hat gesagt, wir sollen hier bleiben.“

      „Ich gucke nur von der Treppe, du bleibst hier und lässt mich wieder rein.“

      Lea sah in diesem Moment unglaublich klein und verängstigt aus. Normalerweise hätte Ferdinand sie nun zu beruhigen versucht, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Also nickte er nur und wandte sich zur Tür.

      Er schloss die Tür hinter sich wieder und sah den Gang hinab. Nichts zu sehen. Auf Zehenspitzen schob er sich weiter vor, immer an der Wand entlang. Sein Herz und seine Atmung kamen ihm wahnsinnig laut vor. Noch ein paar Meter und er würde den Treppenabsatz erreicht haben und in die untere Etage gucken können. Und da waren Geräusche. Er konnte sie nicht einordnen und sie waren nur leise, aber sie waren auf jeden Fall da.

      Langsam schob er sich weiter vor. Eine Ewigkeit verging, bis er das Ende der Wand erreicht hatte und um die Ecke sehen konnte. Unten vor der Treppe lagen seine Eltern. Seine Mutter lag auf dem Rücken, sein Vater bäuchlings auf ihren Beinen, einen Baseballschläger in der Hand. Ferdinand wusste sofort, dass sie tot waren. An Mamas rechtem Arm nagte ein Infizierter, an Papas Beinen machte sich ein weiterer zu schaffen. Sie sahen genauso aus wie auf dem Bild, das Ferdinand im Fernsehen gesehen hatte. Man hatte ein paar Kennzeichen aufgezählt, an denen man Infizierte erkennt, Ferdinand hätte diese Informationen aber gar nicht benötigt. Die Wesen am Treppenabsatz waren so bizarr und furchteinflößend, dass jeder sofort an den nahenden Tod denken musste.

      Im Fernsehen hatten sie auch gesagt, man solle beim Anblick von Infizierten sofort die Flucht ergreifen. Aber Ferdinand konnte sich nicht rühren. Er starrte auf seine Eltern, die immer weniger wurden, während die beiden Infizierten ihren Hunger stillten. Er hätte wohl noch bis zum Ende der Mahlzeit dort gestanden, wenn nicht plötzlich Bewegung in die Tafelrunde gekommen wäre: Mama regte sich noch. Ferdinand wagte sich einen Schritt weiter. Tatsächlich, Mama bäumte sich auf, stöhnte laut und schüttelte den Infizierten von ihrem Arm.

      „MAMA!“, schrie Ferdinand.

      Sie drehte sich um. Ihre Blicke trafen sich und Ferdinands Hoffnung verflog sofort wieder – seine Mutter hatte sich infiziert. Ferdinand konnte es in ihren Augen sehen.

      „Mama? Ich bin‘s?“, versuchte er.

      Ihre Augen blieben vollkommen leer. Keine Spur von Erkennen. Keinerlei Regung. Nicht einmal Schmerz sah er in ihrem Gesicht trotz ihrer klaffenden Wunde am Arm. Sie machte einen Schritt Richtung Treppe, die anderen beiden Infizierten erhoben sich ebenfalls. Du musst hier weg! schrie eine Stimme in seinem Kopf. Mama streckte die Arme aus und bewegte sich torkelnd auf ihn zu. Sie wendete die Augen nicht vom ihm ab, während sie versuchte, die Treppe zu erklimmen. Die Koordination ihrer Glieder machte ihr auf den Stufen sichtlich Probleme. Sie sank auf alle Viere, und krabbelnd ging es schneller voran. Einer der anderen Infizierten tat es ihr nach, der Dritte entschied sich für die leichtere Variante und widmete sich wieder Papas Bein.

      Mama hatte Ferdinand fast erreicht, an ihrem Arm konnte er deutlich die Bisswunden erkennen. Und nun sah er auch etwas in ihren Augen: Hunger.

      Hinter ihm ertönte ein schriller Schrei. Lea! Ferdinand wurde aus seiner Trance gerissen, wirbelte herum, rannte den Gang zurück und drückte Lea die Hand aufs Gesicht. Sie darf sie nicht so sehen. Er drängte sie zurück ins Bad und verschloss die Tür.

      „Was ist los?“, winselte Lea.

      „Mama und Papa … sie … die Infizierten …“, stammelte Ferdinand, kam aber nicht weiter.

      Lea sah ihn lange an und nickte. In ihrem kleinen Kopf wurde der Gedanke installiert, dass es ihre Eltern nicht mehr gab. Sie sprach kein Wort, fing lautlos zu weinen an und drückte sich an ihren Bruder. Auch Ferdinand weinte jetzt und so standen die beiden umschlungen auf der Badematte und ließen ihren Tränen freien Lauf.

      Bis es an der Tür klopfte. Kein gezieltes, menschliches Klopfen, sondern jemand rummste einfach gegen die Tür. Ferdinand löste sich aus der Umarmung und spähte durchs Schlüsselloch. Seine infizierte Mama stand direkt hinter der Tür und kratzte wie wild am Rahmen. Immer wieder fuhren ihre Nägel über das Holz und hinterließen blutige, tiefe Kratzspuren. Der andere Infizierte holte gerade zum nächsten Schlag gegen die Tür aus. Ferdinand sah zum Fenster und überlegte: Zum Springen war es eigentlich zu hoch, vor allem für Lea. Sie würden sich sicher die Beine brechen. Aber blieb ihnen ein anderer Ausweg?

      Lea schien das alles nicht mehr zu kümmern. Sie stand einfach da und weinte vor sich hin, während die Tür unter den Schlägen immer lauter krachte und knarrte.

       4: KRANKENHAUS BERGMANNSHEIL, NOTAUFNAHME, DONNERSTAG, 30.07.2013, 21:23 UHR

      Dr. Jan Schneider hatte seit fast vierzig Stunden nicht mehr geschlafen und der Patientenandrang in der Notaufnahme wollte kein Ende nehmen. Seit die Behörden vor der Infektion gewarnt hatten, hielten sich immer mehr Leute für infiziert. Jan hatte Hunderte untersucht, vorspielend, dass er wisse, um was für eine Infektion es sich bei dem Unglück handele und dass er sie diagnostizieren könne. Das war völliger Blödsinn, sie wussten überhaupt nicht, mit was für einer Krankheit sie es zu tun hatten.

      Bisher war dieses Wissen aber auch nicht nötig. Jan war sicher, dass keiner seiner Patienten wirklich infiziert war. Die Leute hatten einfach die üblichen Wehwehchen – nur hielt jetzt jeder Fieber oder Kopfschmerzen für Anzeichen der Infektion.

      Jan war genervt. Das alles stahl ihm die Zeit für seine „richtigen“ Patienten. Er seufzte und drückte den Knopf für die Gegensprechanlage.

      „Der nächste bitte.“

      Eine blonde Frau kam herein, augenscheinlich hochschwanger.

      „Mein Name ist Jan Schneider, bitte setzen Sie sich.“

      „Lara Mühler – mit „h“.“

      „Also gut, Frau Mühler.“ Jan nahm ein Stethoskop und horchte die Frau ab. Dann sah er sie an.

      „Wo brennt‘s denn?“

      „Ich – es ist mir etwas peinlich“, stammelte sie.

      „Keine Sorge.“

      „Also … ich … ich habe Angst.“

      Jan

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