Schülerdämmerung. Lan Solo

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Schülerdämmerung - Lan Solo

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      Als wäre es ein neuer Volkssport, wird wegen jedem geringfügigen Darmwind ein Widerspruch bei der Bezirksregierung eingelegt. Hauptsache, es hilft meinem Kind bei seinem persönlichen, ungerechtfertigten Fortkommen.

      Heutzutage haben Eltern eine sehr ausgeprägte ´Streitkultur´, da kommt ihnen jedes juristische Mittel gelegen. Die Rechtschutzversicherung wird es schon richten.

      Vielleicht hätte ich Versicherungsvertreter werden sollen. Aber die haben ja ein noch beschisseneres Image als wir Pauker!

      Schule wäre viel angenehmer, wenn übermotivierte Eltern sich nicht am Ende des Schuljahres so viel einmischen würden. Schließlich haben sie sich ein ganzes Jahr lang nicht gekümmert.

      Warum die Dinge nicht einfach weiter laufen lassen? Das tun viele doch auch bei der Erziehung ihrer Kinder.

      Bleibt so wie immer!

      Und zu allem Übel bläst mein Chef, Schulleiter Dr. Dümmer, von dem ich noch ausführlich berichten werde, in dasselbe Horn.

      Weißt du, was er neulich allen Ernstes behauptet hat?

      „Frauen sind die besseren Lehrer!“

      Von wegen Mutterinstinkt und so. Volle Breitseite innerhalb der geschützten Schulmauern. Das muss man sich einmal vorstellen.

      Ich weiß wirklich nicht, in welcher pädagogisch-feministischen Fachzeitschrift er diesen Artikel gefunden hat, als er im Nagelstudio auf seinen Pediküretermin wartete. Aber insgeheim war mir schon lange klar, dass sich bei Dr. Dümmer in seiner pubertären Phase Fehlverbindungen in seinen Synapsen gebildet haben mussten. Ist wahrscheinlich als Kind mal beim Streckentauchen gegen den Beckenrand gedonnert.

      Anders kann ich mir seinen Dachschaden nicht erklären.

      Früher war alles besser!

      Den Spruch hast Du bestimmt schon oft gehört. Aber er stimmt wirklich!

      Vor wenigen Generationen besaß der Beruf des Lehrers noch ein hohes Ansehen. Lehrer waren die Gralshüter der Kultur. Man konnte einem nervenden Schüler auch mal zum spontanen Frustrationsabbau eins auf die Nase hauen oder ihn an den Ohren durch das Klassenzimmer schleifen, ob nun pädagogisch gerechtfertigt oder nicht. Jedenfalls zog es keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich.

      Aber selbst das ist inzwischen verboten.

      Ade, glorreiches Zeitalter!

      Heute ist die herrschende Auffassung, dass Lehrer menschenähnliche Wesen sind, die sich vor der wirklichen Welt drücken. Lebensuntaugliche Versager. In der eigenen Biographie gibt es nur Schule, danach Uni und dann wieder zurück zur Schule. Kann ja nichts Vernünftiges bei herauskommen!

      Zugegeben, viele meiner Kollegen sollte man tatsächlich unter Artenschutz stellen. Einige Exemplare wirst Du noch näher kennen lernen.

      Und was ist mit den Schülern?

      Um es auf den Punkt zu bringen: Schüler sind das Hauptübel meiner Pein!

      Ohne Schüler wäre Schule echt besser, glaub es mir!

      Hast Du auch mitbekommen, dass zurzeit deutsche Unternehmen die Abschaffung der ´Präsenzkultur´ diskutieren? Das heißt, es gäbe keine Anwesenheitspflichten mehr im Büro und würde keine Rolle spielen, wo die Leistung erbracht wird.

      Ich finde, das könnte meine Bezirksregierung 1:1 auf das Klassenzimmer übertragen. Ob die Schüler nun in der Schule nichts tun oder zu Hause, kommt doch auf das Gleiche hinaus.

      Mit dieser ´Schule der Zukunft´ katapultieren wir uns im europäischen Vergleich ganz nach vorne und zeigen PISA, wo der Hammer hängt!

      Im Übrigen haben führende Wissenschaftler herausgefunden, dass die intelligente Form des Schülertypus in Deutschland schon vor Jahren ausgestorben ist. Und dieses Aussterben bedrohter Menschenarten ist, wie so oft in der Natur, unumgänglich. Was bleibt, sind die total Bekloppten. Die bleiben aus mir unerfindlichen Gründen von der Selbstdezimierung verschont. Als wenn das Doofheits-Gen einen stärkeren Überlebenswillen in sich trägt.

      Wer ernsthaft glaubt, mit der ´Generation Doof´ sei der Zenit des intellektuellen Vakuums erreicht, der irrt sich gewaltig. Seit Jahren sinkt wieder der durchschnittliche Intelligenzquotient in Deutschland. Meine Schüler sind der lebende Beweis für diese rasante Talfahrt, denn bei den meisten liegt der individuelle IQ bei einer halben Scheibe Knäckebrot!

      Und dann lese ich zu allem Überdruss noch diesen Quark mit Soße einer Professorin über die so genannte ´Generation Y´. Das sind angeblich die Jahrgänge 1980 bis 1993. Diese Generation sei ja so waaahnsinnig technikaffin, so waaahnsinnig selbstbewusst und so waaahnsinnig virtuell vernetzt. Und das sei ja alles so waaahnsinnig super. Außerdem strebe diese Generation nach dem Ausgleich von Freizeit und Arbeit. Das nennt man in einschlägigen Fachkreisen ´work-life-balance´.

      Ist ja waaaaahnsinnig!

      Entschuldigung, aber reden wir von denselben Jahrgängen, die ich in den letzten Jahren auch zwangsbeschulen musste?

      Dem falsch verstandenen Selbstbewusstsein dieser Generation habe ich es zu verdanken, dass sie dummdreist gute Noten für nicht erbrachte Leistungen fordern.

      Ihre Affinität zur Technik macht sich darin bemerkbar, dass sie jeden Tag etwas blöder werden, weil sie entweder bei Ballerspielen am Computer herumlungern oder in einem der zahlreichen sozialen Netzwerke chatten und Fotos ins Netz einstellen, auf denen sie halb nackt und voll besoffen mit einem Eimer Sangria im Arm auf Mallorca herumgrölen.

      Außerdem fummeln diese Nervensägen ständig technikaffin an ihren Handys, sobald sie das Klassenzimmer verlassen haben. Man muss immer und überall erreichbar sein. Könnte ja sein, dass Mami den 17-Jährigen anruft, um zu fragen, ob er zum Mittagessen lieber Nudeln oder Pasta haben möchte.

      Und apropos ´work-life-balance´: Welcher Idiot hat sich eigentlich diesen Begriff einfallen lassen? Heißt Balance von Arbeit und Leben, dass ich nicht lebe, wenn ich arbeiten muss? Dann wäre ich aber Zweidrittel meines Lebens tot, oder?

      Sowieso steht bei meinen Schülern die ´life-balance´ im Vordergrund. Nicht leben, um zu arbeiten, sondern gerade so viel Arbeit, wie man zum Leben braucht. Zu dieser Erkenntnis reicht auch der IQ einer halben Scheibe Knäckebrot.

      Eine waaahnsinnig vorbildliche ´Generation Y´, Frau Professor Meskalin!

      Die ´Generation Y´ und deren Nachkommen sind es jedenfalls, die mich dazu bewogen haben, auf einer der nächsten Konferenzen an meiner Schule einen jährlichen Projekttag zu beantragen:

      Herzlich Willkommen beim ´D-Day´!

      Dieser historisch belegte Begriff bekommt bei mir eine neue Bedeutung, denn ich proklamiere ihn heimlich als den ´Tag der Deppen´.

      An diesem Projekttag können wir tolle Workshops veranstalten, zum Beispiel für die Jungs ´Gegenseitiges Angrunzen für Anfänger´ oder ´Gegenseitiges Angrunzen für Fortgeschrittene´. Für die Mädels gibt es dann ´Wie lackiere ich meine Fußnägel im Unterricht, ohne dass der Lehrer etwas merkt? ´ oder ´Wie rum trage ich einen String eigentlich richtig? ´. Letzterer Workshop ist ausdrücklich für alle Haarfarben offen.

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