Schülerdämmerung. Lan Solo

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Schülerdämmerung - Lan Solo

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das einfach nicht gerecht, denn das ist schwer untertrieben.

      Viele Schüler sind schlicht und ergreifend extrem beknackt, und zwar ´super size´.

      Sobald ich morgens den Klassenraum betrete und die Schüler mit ´guten Morgen, ihr Primaten´ begrüße, halten sie dies für ein süßes Kosewort.

      Als ich neulich auf meinem sechswöchigen Sommerurlaub in der Südsee – auch Lehrer brauchen ihre Auszeiten – nach meinem Beruf gefragt wurde, habe ich ´Primatologe´ angegeben und bewundernde Blicke von den Miturlaubern geerntet.

      Das ist nicht zu verwechseln mit dem Proktologen. Der macht was ganz anderes.

      Nicht, dass Du denkst, es ginge mir einzig und allein um die Schüler. Da sind ja auch noch die Eltern, die einem mächtig auf den Zeiger gehen können. Und zu allem Übel noch andere bizarre Gestalten, die ich im weitesten Sinne als Kollegen bezeichne.

      All das lastet so sehr auf mir wie eine All-Season-Depression. Es wird allmählich Zeit, den Ballast über Bord zu werfen.

      Natürlich werde ich in unseren Sitzungen verallgemeinern und alle über einen Kamm scheren, wenn ich vom Leder ziehe. Mach ich bei der Notengebung doch auch so.

      Das Leben ist eben kein Ponyhof! Das hat schon mein Reitlehrer damals gesagt, als ich mit fünf Jahren therapeutisches Reiten machen musste, weil ich ständig meinen Kopf gegen den Türrahmen gerammt habe.

      Und Schule ist auch kein Wunschkonzert!

      Zugegeben, manchmal gibt es auch nette Schüler, Eltern und Kollegen. Aber wie sagt man so schön:

      „Die kann ich an einer Hand mit zehn Fingern ablesen.“

      War das positiv genug? Ich will ja nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen.

      Sich alles von der Seele reden tut wirklich gut!

      Kapitel 3

       Der Wahnsinn geht weiter

      Nachdem die Junglehrer in ihre Klassenzimmer gehetzt waren, machte ich mich gemächlich auf den Weg. Jetzt stand erst einmal eine Doppelstunde BWL in der Klasse HO 4711, Höhere Handelsschule, an.

      In die Höhere Handelsschule, die wir auch kurz HaHa, pardon HöHa, nennen, kommen Schüler mit mittlerer Reife. Heute heißt mittlere Reife übrigens Fachoberschulreife. Meint zwar dasselbe, aber so ein Begriffsupgrading hat schon seine Bedeutung. Und wenn sie darin besteht, dass man mit dem neuen Begriff nichts mehr anfangen kann.

      Mittlere Reife hat doch was, das ist griffig. Da bekommt der Satz „Jetzt bist Du aber reif“ eine völlig neue Dimension! Die abgebende Schule zertifiziert dem Absolventen einen angeblichen Reifegrad mittlerer Güte. Mittlere Reife, da weiß man, was man hat. Wie bei Persil. Aber was, bitteschön, soll denn Fachoberschulreife bedeuten? Das versteht kein Hirni mehr, auch wenn es sich eleganter anhört.

      Da saßen sie nun, meine Schüler, die durch bloßes Nichtstun in der 10. Klasse ihren mittleren Bildungsabschluss erhielten und sich mit geschönten Noten an unserem Berufskolleg beworben hatten. Wie jeden Montag war die Klasse, sagen wir einmal, sehr lebhaft. Ich ging davon aus, dass sie es kaum erwarten konnten, an meinem reichhaltigen Wissen der Betriebswirtschaftslehre zu partizipieren. Tatsächlich tauschten sie ihre Wochenenderlebnisse aus.

      Kritiker behaupten ja, die BWL sei keine richtige Geisteswissenschaft, sondern eine Pseudowissenschaft, die sich bei den wirklichen Wissenschaften bedient und sich den essentiellen Fragen unserer Gesellschaft gar nicht stellt. Den BWLern wird vorgeworfen, sie hielten sich für unfehlbar, so wie unser Papst in Rom. Diesen Kritikern kann ich nur entschieden entgegnen:

      „Stimmt, Ihr habt absolut Recht. Trotzdem könnt Ihr mich alle mal kreuzweise!“

      Ich liebe die Betriebswirtschaftslehre in all ihren Facetten!

      Für die heutige Stunde hatte ich mir vorgenommen, der Klasse etwas über Kosten, Erlöse und Gewinn zu erzählen. Das gehört zum Handwerkszeug eines jeden Wirtschaftsschülers. Kann aber auch zur wahren Folter werden! Wenn ich von den Erlösen die Kosten abziehe, erhalte ich den Gewinn oder den Verlust, je nachdem. Ist eigentlich relativ simpel. Das versteht auch mein Labrador, wenn ich einen hätte.

      Nach etwa einer dreiviertel Stunde hatte ich sie bereits soweit, sie hingen ausdruckslos an meinen Lippen. Ich entwickelte gerade eines meiner genialen Tafelbilder, wobei ich darauf achtete, meine Klamotten im Sinne meines unverehrten Fachleiters Oskar Oede nicht zu sehr mit Kreide zu besudeln.

      „Bei linearem Verlauf hat die Gesamtkostenfunktion die identische Steigung wie die variablen Kosten.“

      Kai befingerte in meinem heiligen Unterricht ungeniert die Steigungen von Daniela.

      „Kai und Daniela, könnt Ihr Eure nonverbale Kurvendiskussion bitte in die Nachmittagsstunden verlegen? Dann habt Ihr sicherlich genügend Zeit, Euch zu berühren. Hausaufgaben sind ja ein Fremdwort für Euch.“

      Danielas Blick vermittelte den Zorn Gottes. Ich fuhr in meinen begnadeten Ausführungen fort.

      „Die Erlösfunktion beginnt, wie ihr ja alle wisst, im Ursprung.“

      Olga von der Wolga verstand als native speaker eh nur noch Bahnhof, schließlich sprach sie zuhause im Interesse der doppelten Halbsprachlichkeit Russisch. Nur ihr Schäferhund konnte fließend Deutsch.

      ´Der Schlüssel zur Integration liegt in der Sprache´.

      Find ich übrigens totalen Blödsinn. Der Irre, der das gesagt hat, kennt wohl nicht den Song mit der Textzeile ´Music is the key´. Das fällt mir immer wieder ein, wenn ich zur Entspannung einen Song von Rammstein höre.

      „Wenn ihr richtig gezeichnet habt, seht ihr, dass sich das Gewinnmaximum an der Kapazitätsgrenze befindet. Kann mir jemand erklären, was das Gewinnmaximum ist?“

      Ich wollte den Unterricht durch einen Frageimpuls auflockern. Kai meldete sich.

      „Das ist der Höhepunkt.“

      Da war er wieder, dieser Glanz in den Augen der postpubertären männlichen Hosenscheißer, die glaubten, mitreden zu können. Ihre offensichtliche Freude an Kais Beitrag wurde durch einvernehmliches Grunzen zum Ausdruck gebracht (ich muss diese Typen unbedingt vormerken für den Work-shop ´Gegenseitiges Angrunzen für Fortgeschrittene´).

      Als sie sich nach weiteren zehn Minuten wieder beruhigt hatten, wollte ich der Klasse erklären, dass das Gewinnmaximum eines Monopols nach dem französischen Wirtschaftswissenschaftler Antoine Augustin Cournot als Cournotscher Punkt bezeichnet wird. Man muss ja auch einmal in BWL über den Tellerrand hinaus schauen. Daniela meldete sich, und mir wurde ganz feucht auf der Stirn, das Unvermeidliche war nicht mehr abzuwenden.

      „Ist das nicht dasselbe wie der G-Punkt?“

      Ich wusste gar nicht, dass der gute alte Antoine in Wirklichkeit Gournot hieß! Wie dem auch sei, dieser Beitrag brachte das Fass zum Überlaufen. Die Klasse war nicht mehr zu bändigen, es entstanden tumultartige Szenen. Völlig entnervt beendete ich den Unterricht.

      Jetzt erst einmal einen doppelten Espresso aus der Kaffeemaschine ´Jurassic´ im Lehrerzimmer,

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