Wen oder was wir lieben. null michelle_werner

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Wen oder was wir lieben - null michelle_werner

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besucht, wenn er in die Gegend kommt. Norbert Sattler heißt er und er wohnt in der Wahnsinnsstraße Nummer 9. Herr Sattler ist FKK-Fan und er lebt dort mit seiner Lebensgefährtin (2). Als sie noch jünger waren, pflanzten sie dichte Hecken um ihr Grundstück, sodass es zwei Jahre später vollkommen blickdicht war und Herr Sattler mit seiner Freundin ihrer Nacktkörperkultur seither ungestört nachgehen können. Zwar weiß man auch dies in der Siedlung, aber da es keinen Einblick in das Grundstück gibt, lässt man die beiden Spinner dort einfach in Ruhe.

      Wenn Herr Zack oder ein anderer Besucher kommt, dann werfen sich die beiden einfach ihren Bademantel über und so gibt es auch kein dummes Gerede. Früher als es in der Siedlung noch keinen Strom gab, hatten die beiden einen Notstromgenerator mit Diesel laufen und waren damit ganz autonom. Später gab es dann Stromleitungen und damit hörte sich auch der Krach, den der Generator machte auf. Allerdings findet Herr Sattler, dass die Nebengebühren auf der Stromrechnung und der Strompreis selbst ziemlich unverschämt sind.

      Was man dabei verstehen muss, geht es gar nicht vordergründig um die Kosten, sondern das Schlagwort heißt Autonomie. So wie ein frisch verliebtes Liebespärchen, isolieren sich jung Verliebte, verzichten auf eine gewisse Zeit ganz die Kontakte zu Freunden und ihrem Umfeld. Familie Sattler hätte sich leicht auf einem der offiziellen FKK-Gelände amüsieren können. Es war aber der Wunsch, sich weiter abzukapseln, weswegen der blickdichte Zaun entstand und weswegen sie auch lieber den Stromverbrauch reduzierten, um mit einem Generator das Auslangen zu finden.

      Durch den inzwischen verfügten Lärmschutz ging das mit dem Generator nicht mehr und man war gezwungen, auf normalem Strom umzusteigen, was wieder diese Unabhängigkeit von der Umgebung reduziert, also zu Lasten der geliebten Autonomie geht. Genau deshalb suchen sie wieder einen Weg, zu mehr Unabhängigkeit zu gelangen. Das Objekt ihrer Liebe ist offenbar die Möglichkeit, ihr Leben unabhängig von anderen Menschen zu gestalten, mit anderen Worten sie lieben ihre Autonomie.

      So entsteht die Idee, dass man den eigenen Bedarf auch mit Solarzellen abdecken kann. Also holt man Angebote ein und bittet auch den Versicherungsvertreter zu sich, wodurch sich der erste Kontakt zu Herrn Zack ergibt, der bekanntlich für eine Versicherung arbeitet. Herr Zack macht Fotos vom Objekt und reicht die Pläne für den Umbau bei seiner Versicherung ein. Als die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, kommt auch noch ein Techniker, der die ordnungsgemäße Montage der Solarzellen am Dach – als Basis für den Versicherungsvertrag – abnimmt.

      Von nun an werden sich die Solarzellen amortisieren und in einigen Jahren wird man sich einiges erspart und seine Autonomie wieder erlangt haben. Der Stromvertrag wird natürlich gekündigt und der Strombezug damit beendet. Alles funktioniert tadellos und geräuschlos, zumindest in den Sommermonaten, in denen man hier FKK betreibt. Im Spätherbst, Winter und im Frühling ist es ohnehin für ein Sonnenbad zu kalt, während im Sommer die Kraft der Sonnenstrahlen absolut ausreicht.

      Viele Grundstücksbesitzer der Siedlung finden die Idee sehr pfiffig und einige holen auch bereits Angebote ein, um sich das Ganze für ihr Objekt - in Bezug auf Rentabilität - durchrechnen zu lassen. Für Dr. Strauchwieser macht es keinen Sinn, der betreibt zu viele Stromverbraucher und da hätte er wohl zu viele Paneelen gebraucht, die dann seinen Garten verstümmelten. Etliche andere Besitzer kommen damit aber auf einen grünen Zweig und überlegen ernsthaft eine Umrüstung.

      Dies spricht sich natürlich auch bis zu den Stromerzeugern durch, die sich dann überlegen, wie man eine solche Entwicklung möglichst effektiv und schnell stoppen kann. Was diese beschließen, wird natürlich nicht nach außen publiziert.

      Nach dem Urlaub in Kroatien kommt dann das bittere Erwachen für Familie Sattler. Jemand hat in ihrer Abwesenheit die Solarzellen vom Dach geholt und durch die blickdichte Hecke war dies auch niemandem in der Umgebung aufgefallen. Nicht so schlimm, denkt Herr Sattler, eben ein Fall für die Versicherung. Also wird Herr Zack informiert, der gemeinsam mit der Familie Sattler die Schadensmeldung erstellt und dann sollte alles bald wieder in Ordnung sein. Immerhin sind alle Baufortschritte in Einklang mit der Versicherung durchgeführt worden, Fotos dokumentieren dies und Baupläne lagen der Versicherung schon vor dem Baubeginn vor. Erst nach all dem wurde der Versicherungsvertrag abgeschlossen und es fand damals auch am Ende der Umbauzeit eine Endabnahme durch die Versicherung statt.

      Die Versicherung prüft den Versicherungsfall penibel und nimmt sich dafür auch ausreichend Zeit. Dann schreibt sie einen Brief an die Familie Sattler. Der Schadensfall wird abgelehnt. In der Begründung wird angeführt, dass die Hausbesitzer offenbar vergessen haben, die Solarzellen für die Zeit ihrer Abwesenheit – also an jedem Arbeitstag am Morgen, wenn das Haus verlassen wird – in das Haus zu verbringen, um vor Diebstahl besser geschützt zu sein.

      Die Vorstellung, jeden Morgen, etwa vier Stunden vor Bürobeginn, das Dach zu erklimmen und dann Teil für Teil abzumontieren und ins Haus zu bringen, ist schon gewaltig genug, das Ganze dann abends in umgekehrter Reihenfolge, also nochmals vier Stunden – und all dies mit beträchtlicher Unfallgefahr ist wohl ganz absurd. Da bleibt nichts mehr von der geliebten Autonomie übrig, da wird man zum schlichten Bauarbeiter, neben seinem 8-stündigen Bürojob! Stürzt dabei einer der Teile ab, ist dies sicher auch nicht gedeckt und wenn Herr Sattler selbst im Spital landet, so wird sich die Versicherung ebenso von der Verantwortung schrauben, weil es nicht von Profis ausgeführt wurde.

      Natürlich gibt dies heftige Worte, doch gegen eine Versicherung kommt man einfach nicht an. Herrn Zack ist dies furchtbar peinlich, aber da er nur ein Vertreter der Versicherung ist, kann auch er nichts tun. Kurze Zeit danach findet dann die Katastrophe mit seiner eigenen Baubewilligung statt – das ein Meter breite Haus – sodass Familie Sattler auch nicht länger auf ihm herumtrampeln möchte. So kommen die beiden Familien einander näher, weil man sich im Leid irgendwie verbunden fühlt.

      Natürlich wagt es nun kein anderer Grundbesitzer, sich mit Solarenergie zu versorgen und der Stromversorger ist dem Dieb natürlich sehr dankbar. Wie sich diese Dankbarkeit ausdrückt, erfährt man natürlich nicht.

      Familie Sattler fühlt sich um ihre Autonomie in diesem Garten betrogen. Damit hat der Garten auch keinen wirklichen Wert mehr für sie. Die Aufgabe ihrer Liebe zur absoluten Selbstverwaltung und eigenständigen Lebensgestaltung ist schlechthin verstorben. Solche gravierende Todesfälle stellen jede Liebesbeziehung auf den Kopf und dabei bleibt meist kein Stein auf dem anderen. Wer seine Liebe verliert, stellt alle Werte in Frage und geht oft einen gegenteiligen Weg als bisher.

      Die Aufgabe von Idealen ist ein großes schwarzes Loch, welches die Liebenden verschlingt und bei der die beteiligten Personen vor dem Leben resignieren. Es kommt einfach auf nichts mehr an. Man kann alles machen, aber nicht aus Überzeugung, sondern aus Frust über das Leben.

      Familie Sattler kommt nun seltener in den Garten, denn sie gehen nun öfter zu Partys mit Partnertausch und dies bringt ihnen zumindest soziale Kontakte. Wenn sie allerdings hier in die Wahnsinnsstraße kommen, dann nur für ein Wochenende und dann gehen sie Samstagabend immer zur Familie Taferner, welche auf Nummer 16 wohnt. Dort trinken sie ein paar Gläschen Wein und spielen Stud Poker bis spät in die Nacht. Samstagabends konnte man in dieser Gegend ohnehin nicht zeitig schlafen gehen, denn da ging das Lärmen auf der Straße bis zwei oder drei Uhr früh, was später noch erläutert wird. Bleiben wir nun mal bei Familie Taferner.

      Die Nummer 16 – Familie Taferner

      Familie Taferner, die auf Nummer 16 wohnt, hatte früher ein Geschäft für Modellbahnen und Modellautos. Anfangs gab es sogar Modellflugzeuge, aber da war die technische Entwicklung so schnelllebig, dass man als kleines Geschäft nicht mithalten konnte. Also gab man diesen sensiblen Bereich auf und konzentrierte sich auf das verkleinerte Sortiment.

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