Wen oder was wir lieben. null michelle_werner

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Wen oder was wir lieben - null michelle_werner

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selbst ist genug Veränderung. Wenn es möglich wäre, würde er sich auch jeden Tag eine Morgenzeitung kaufen, aber nur die Gleiche wie am Vortag. Dies war nicht immer so.

      In seiner Jugend mochte er Abwechslung, aber seit der Katastrophe mit Luise hält er Neuigkeiten für schlecht oder gefährlich. Seine Gartenzwerge sind ihm eigentlich egal, aber er hatte schon vor vielen Jahren seine Obstbäume gerodet, weil sie ihm zu viel Arbeit machten. Als dann der Garten so nackt und kahl aussah, kam er auf die Idee, diesen mit Gartenzwergen zu schmücken. Immerhin brauchen diese keine Pflege, meint er jedenfalls. Früher hatte Luise immer Obstknödel, Obsttorten und andere Dinge gemacht. Herrn Oppolzers Kochkünste beschränken sich auf das Öffnen einer Konservendose und da sind Birnen, Äpfel, Pflaumen und anderes solches Gestrüpp für ihn sehr verzichtbar.

      Auch eine Heizung und warmes Wasser gibt es in seinem Häuschen nicht, da er als Naturbursche sich eine solche Weichlichkeit gar nicht angewöhnen möchte. Dafür spielt er jede Woche im Lotto, weil er das seiner Luise noch am Sterbebett versprochen hat. Was man verspricht, dies muss man auch halten. Jede Woche setzt er dieselben Zahlen. Luise sagte ihm damals auch, warum sie wollte, dass er Lotto spielt. Er sollte doch auch einmal Glück haben, einmal so richtig im Lotto absahnen und dann könnte er sich ein neues Auto kaufen. Den Tick mit den alten Autos hatte er schon immer und dies ging Luise damals ziemlich auf den Geist.

      Freitagmorgen ist Herr Oppolzer in der Lottostelle um sein Versprechen einzuhalten. Jede Woche zur selben Uhrzeit, bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit. Nur wenn er krank ist, bleibt er im Bett, denn das würde seine Luise ja von oben sehen und daher auch verstehen.

      Am Freitagnachmittag zündet er sich dann mit seinem Lottoschein seine Pfeife an, voll Genuss und Freude. Er hat Luise niemals versprochen, sich ein neues Auto anzuschaffen. Wenn er den Lottoschein in der Pfeife raucht, dann kann er gar nicht in Versuchung kommen, sollte er doch einmal das Pech haben zu gewinnen. So manches Mal hat er schon einige Richtige gehabt, aber mit dieser Methode hält er sich alle Neuigkeiten vom Hals und braucht sich auch niemals von seinem Murli zu trennen. Und nach seiner Logik ist er seiner Luise absolut treu! Das, was er versprochen hat, hält er – Woche für Woche.

      Wenn man kurz überlegt, wie viele Stunden er Jahr für Jahr mit seinem Murli in Summe verbringt, das Ganze noch über 30 Jahre, dann ist dies bestimmt mehr, als viele Menschen mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin verbringen. Viele Frauen wären glücklich, wenn der Ehemann so viel Liebe und Aufmerksamkeit aufbringen würde.

      In der Winterzeit widmet sich Herr Oppolzer dann in seiner Stadtwohnung der Philatelie. Da träumt er mit den Motiven der Briefmarken, von der großen weiten Welt und da kann er seiner Akribie voll und ganz frönen. Für ihn ist diese Welt noch heil. Da gibt es auch viele gleichgesinnte Menschen, die man dann und wann treffen kann. Zum Glück kommt er nicht auf die Idee, dass er auch mal eine wertvolle Marke besitzen könnte, denn dies hätte ihm nur neue Sorgenfalten beschert.

      Durch den jährlichen Aufbau seines Fahrzeugs erwarb auch die Umgebung Zutrauen zu seinen technischen Kenntnissen und so klopft fallweise ein anderer Bewohner an seine Tür, weil seine Hilfestellung erbeten wird. Mal ist es ein Fahrzeug, das nicht anspringen möchte, mal eine renitente Waschmaschine, die das Schleudern verwehrt, oder ein Rasenmäher, der einen Schwächeanfall erlitten hat.

      Die Nummer 2 – Dr. Strauchwieser

      Auf diese Weise hat Herr Oppolzer auch Kontakt zu anderen Menschen der Wahnsinnsstraße, vor allem zu Dr. Strauchwieser (1), der genau vis-a-vis auf Wahnsinnsstraße Nummer 2 wohnt. Es ist das erste megagroße Haus auf der rechten Straßenseite in dem ein Chirurg mit seiner Familie wohnt. Wo wir schon mal da sind, gehen wir doch gleich hinein.

      Dr. Strauchwieser ist demnächst 60 Jahre alt und er hat nur mehr Privatpatienten, die auch wissen, dass Qualität ihren Preis hat. In seinem exquisiten Vorzimmer hat er ein sehr auffälliges Plakat, welches einen Spruch aus seiner Studienzeit enthält. „Jeder frische Arzt braucht einen frischen Friedhof!“ steht dort zu lesen. Gemeint ist, dass junge Ärzte viele Fehler machen, und daher brauchen sie auch für ihre Patienten viel Platz auf den Friedhöfen.

      Nun, da Dr. Strauchwieser nicht mehr zu den Jungspunden gehört, soll auch jeder Besucher wissen, dass nur ein erfahrener Arzt – wie er – ein wirklicher Profi ist. Dieser Mediziner setzt für etwas Geld seinen reichen Erfahrungsschatz zum Wohl der Patienten ein. Wer also nur Kassenpatient ist, sollte sich besser an die jungen Kollegen halten, die noch herumexperimentieren und auch traurige Erfahrungen benötigen.

      Natürlich hat Herr Dr. Strauchwieser einen Swimmingpool im Freien und einen im Haus, zwei Porsche und einen Lamborghini in der Garage, eine Ehefrau, die früher einmal Model war, und zwei Kinder, die Vaters Geld fast schneller ausgeben als er es einnehmen kann. Der Söhne Handel mit berauschenden Substanzen verursacht immer wieder hohe Anwaltskosten. Ihr Vater schimpft gar nicht, er hält die beiden auch nur dazu an, geschickter zu sein, sich nicht erwischen zu lassen.

      Stilmöbel zieren sein Haus und das Hausmädchen Doina sorgt dafür, dass immer alles blitzt. Nebenbei kocht sie natürlich, denn sie muss schon dankbar sein, hier ohne Papiere leben zu dürfen. Sie hat sogar ihr eigenes Zimmer und mehr an Luxus kann man ihr kaum bieten. Da sie noch sehr jung ist, im Gegensatz zur Frau des Hauses, findet auch manchmal der Herr des Hauses zu ihr ins Kämmerchen, vor allem, wenn er einige Drinks zu viel hat. Letzte Woche traf der Hausherr dort auf einen seiner Söhne und dies irritierte Herrn Dr. Strauchwieser schon ein wenig. Schließlich hätte man die Termine leicht, ohne jede Peinlichkeit, koordinieren können.

      Fallweise wird das Mädchen daran erinnert, wie schwer sie es in ihrer rumänischen Heimat haben würde. Dann läuft wieder alles wie am Schnürchen.

      Fallweise geht Herr Dr. Strauchwieser auch zur Kirche, wo er dann im Chorgestühle verschwindet, weil es dort eine adrette Orgelspielerin gibt. Nur während der Predigt soll man doch etwas mehr Abstand von der Tastatur der Orgel halten als letzten Monat. Solche unerwarteten, versehentlich durch Körperübungen ausgelöste Akkorde stören die Predigt doch ein wenig.

      Die größte Gefahr geht aber von Kuno aus, einem Rottweiler, der einer jener wenigen Hunde ist, die bellen und beißen. Ursprünglich als Wachhund angeschafft, ängstigt er jeden Passanten, der auf der Straße vorbeigeht zu Tode und dies noch mehr, wenn er von Zeit zu Zeit ausreißt, um in der Gegend herumzustreunen.

      Kleine Bisswunden werden natürlich von Dr. Strauchwieser – ausnahmsweise ohne jede Berechnung - versorgt, denn schließlich ist er ein erfahrener Chirurg, der weiß, was er tut. Bei größeren Verletzungen die ebenfalls vorkommen, braucht es ein paar Telefonate mit dem stellvertretenden Polizeichef der Stadt. Dessen Leben hat er vor Jahren gerettet, und dies nach einem alkoholisierten Unfall, der dadurch vertuscht werden konnte.

      Am liebsten macht Dr. Strauchwieser aber plastische Chirurgie, wozu er auch einen kleinen Operationsraum in seiner Villa eingerichtet hat. Es gibt auch eine Anästhesistin, die ihm auf Abruf zur Verfügung steht. Geht einmal etwas schief, so bringt er seine Patientinnen selbst ins nahe gelegene Spital, wo ihm ein Bettenkontingent und einige exzellente Kontakte zur Verfügung stehen.

      Meistens scheint es aber gut zu gehen. Da betreten einzelne Menschen seine Villa, verschwinden dann für einige Wochen darin und kommen viel später – ganz anders aussehend wieder auf die Straße. Dass es die gleichen Menschen sind, erkennt man nur daran, dass sie dieselbe Kleidung tragen, wie bei der Ankunft einige Wochen zuvor. Einige Siedlungsbewohner halten dies auch auf ihren Handys fest und so hat man dann wieder etwas du tratschen. Warum wohl Menschen ihr Gesicht so total verändern? Wahrscheinlich haben sie sich daran sattgesehen. Oder kann es noch einen anderen Grund geben?

      Für alle Fälle sitzt Herr Dr. Strauchwieser auch in der Volksvertretung, sofern er nicht gerade woanders unterwegs ist. Dies verschafft

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