Wen oder was wir lieben. null michelle_werner

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Wen oder was wir lieben - null michelle_werner

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aktiven Dienst war. Als langjährigem Mitarbeiter hätte man ihm auch gern eine andere Aufgabe gegeben, aber dies kam für ihn schon gar nicht in Frage. Da wäre er nur zur Witzfigur der Kollegen geworden!

      Herr Halmer hat auf dem erwähnten Grundstück ein Gartenhaus mit drei Räumen und den üblichen Sanitärräumen. Alles steht an einem fixen Platz, so als ob es dort angeschraubt wäre. Gelegentlich bekommt er Besuch, etwa wenn der Postbote etwas zuzustellen hat. Passiert es dann, dass sich der Besucher gegen ein Kästchen lehnt, dabei eine Vase um einige Zentimeter verschiebt, so ist dies für Herrn Halmer Alarmstufe rot. Sofort werden alle anderen Aktivitäten im Haus eingestellt, bis die Vase auf ihrem scheinbar schicksalshaft angeborenen Platz steht. Eine Toleranz von zwei Zentimetern ist dabei für Herrn Halmer völlig unakzeptabel. Da wird er richtig unleidlich und grantig, bis die mühsam erarbeitete Positionierung wieder erreicht ist. Schließlich kann man auch einen Waggon nicht neben die Geleise stellen.

      Herr Halmer wurde übrigens im Zeichen der Jungfrau geboren. Hätte er einen Schreibtischjob gehabt, wären eben die Bleistifte fein säuberlich angespitzt und parallel ausgerichtet gewesen.

      Andere Menschen sind für ihn ein grundsätzlicher Fremdkörper im Leben. Herr Halmer wäre wohl die ideale Besetzung für eine Besiedlung des Mars gewesen, denn er braucht keine sozialen Kontakte. Dafür hat er seine eigenen, ganz besonderen Wesen. Diese praktisch fehlerlosen Wesen stehen jeweils im Sommer um sein Haus herum, auf 450 Quadratmeter Grund, nach seinen eigenen Regeln positioniert. Überwintern dürfen diese Wesen natürlich im geschützten Haus.

      Diese besonderen Lebensgefährten sind seine 17 Gartenzwerge, welche auf ihren sorgfältig ausgewählten Plätzen ausharren, um seinen Grund und Besitz zu bewachen. Jeder dieser Mitbewohner ist handverlesen ausgesucht worden. Jeder hat seinen passenden Namen, mit dem er durch Herrn Halmer angesprochen wird. „Du Seppl passt mir jetzt schön auf die Geranien auf, die ich frisch eingesetzt habe. Wenn sie Wasser brauchen, dann rufst du mich, ja?“

      Es sind natürlich nur männliche Gartenzwerge. Nicht dass Herr Halmer gleichgeschlechtliche Züge an sich hat. Bei Frauen fehlt ihm einfach das Urvertrauen, dass diese nicht doch irgendwie Unordnung in seinem Leben machen.

      Mit seinen Nachbarn in den anderen Gärten braucht Herr Halmer nicht zu sprechen. Er findet sie alle irgendwie sonderbar, eigenbrötlerisch und von der Eisenbahn verstehen sie auch nichts. Dennoch wirft er immer wieder einen kritischen Blick auf sie, denn manchmal findet er Dinge in seinem Garten, die dort nicht hingehören. Dass dies meistens Müll ist, der von Passanten dort entsorgt wird, hätte er sich zwar denken können, tut er aber nicht. Seine Nachbarn erscheinen ihm viel verdächtiger.

      Freunde gibt es in seinem Leben kaum und er wüsste auch gar nicht, was er mit denen anfangen würde. Der einzige Mensch, dessen Nähe er fallweise sucht, ist Herr Oppolzer, der aber am unteren Ende der Wahnsinnsstraße auf Nummer 3 wohnt. Mit ihm teilt er seine Vorliebe für Gartenzwerge.

      In den Monaten, in welchen die Tage kürzer werden, besuchen sie einander gelegentlich. Sie blättern und schwärmen dann gemeinsam – wie ein altes Ehepaar - in einem Katalog für Gartenzwerge. Natürlich haben sie einen ganzen Stapel an solchen Katalogen, nicht bloß zwei oder drei! In jeder Saison gibt es hunderte solcher Kataloge, die der arme Postbeamte den Berg hoch schleppen muss. Rein buchhalterisch führt Herr Halmer derzeit mit 17 zu 8 bei den Gartenzwergen und solange dieser Vorsprung erhalten bleibt, kann Herr Halmer mit Herrn Oppolzer auch gut auskommen.

      Vor ein paar Jahren gab es einmal eine Krise in dieser Beziehung. Herr Oppolzer wollte damals bei einer Aktion 5 Gartenzwerge mit einem Sonderrabatt bestellen! Herr Halmer war damals in mehrfacher Weise schockiert. Natürlich wäre sein deutlicher Vorsprung an Gartenzwergen geschrumpft und wer weiß, vielleicht hätte ihn Herr Oppolzer womöglich eines Tages auf den zweiten Platz verdrängt. Da war aber noch etwas anderes Schockierendes. Wie konnte man solche Wesen mit einem Massenrabatt bestellen? Man bestellt sich auch keine fünf Freundinnen unter Anrechnung eines Mengenrabatts!

      Da braucht es doch eines handverlesenen Auswahlprozesses, bei dem man genau prüft, ob man überhaupt zueinander passen würde! Man geht ja auch nicht mit jemand X-beliebigen eine Beziehung auf die Schnelle ein! Und dann noch mit fünf solchen Wesen! Dies grenzt an Bigamie in der schlimmsten Ausprägung, findet Herr Halmer. Nicht mal die Muslime haben 5 Frauen, die sie gleichzeitig zu sich nehmen.

      Es dauerte drei Jahre und mehrerer untertänigster Entschuldigungen von Herrn Oppolzer, ehe Herr Halmer bereit war, sich mit diesem rohen, gefühlskalten Menschen wieder einzulassen. An Eides statt musste Herr Oppolzer versichern, dass er davon Abstand genommen hat und auch niemals in der Zukunft eine solche Überlegung mehr anstellen wird.

      Seither ist die Beziehung der beiden Fans von Gartenzwergen wieder besser, wenngleich dies Narben an der Seele – jedenfalls an der von Herrn Halmer – zurückließ. Solche Seitensprünge sind eben eine sehr ernsthafte Angelegenheit.

      Herr Halmer hat jetzt leider keine Zeit mehr für uns, denn er hat diese Woche eine wichtige Aufgabe zu lösen. Er hat in den letzten Wochen feststellen müssen, dass einzelne Kumpane ihre Aufgabe nicht zu seiner Zufriedenheit erfüllen. Offenbar sind diese mit der Problemstellung überfordert, oder aber, sie haben irgendeinen Kummer, eine Depression, einen unverarbeiteten Konflikt, vielleicht sogar eine Krankheit? Im besten Fall fühlen sie sich auch nur vernachlässigt. „Auch Menschen, die sich vernachlässigt fühlen, machen am Arbeitsplatz Patzer bei der Arbeit“, denkt Herr Halmer.

      Er wird jetzt eine Runde durch den Garten machen und sich jeden einzelnen Zwerg vorknöpfen. Vor zwei Jahren hat er dafür sogar einen Bombologen gebraucht. Wer jetzt an etwas Gefährliches denkt, ist im Irrtum. Ein Bombologe ist ein Hummelforscher, der sich mit der Lebensweise dieser Tiere beschäftigt. Damals hatte ein Schwarm Hummeln sich in einem Zwerg eingenistet.

      Jedenfalls muss er jetzt sehen, dass die Probleme bei seinen Zwergen wieder in Ordnung kommen. Aber dies versteht man eben nur, wenn man sich schon jahrelang mit dieser umfangreichen Materie beschäftigt hat.

      Auch wenn der Stil dieser Geschichten bewusst heiter gehalten ist, soll doch zum Ausdruck gebracht werden, dass jeder Mensch sein eigenes Objekt der Liebe hat. Oft sind es Menschen, in die wir uns verlieben, manchmal auch ein schönes Paar Schuhe, ein Oldtimer, eine Sammlung von Bonsai-Bäumchen oder was auch immer. Wen oder was wir lieben ist eine sehr individuelle Entscheidung. Nicht auszudenken, wenn alle sich auf das gleiche Objekt der Liebe stürzen würden. Stellen sie sich einfach vor, alle Männer verlieben sich in dieselbe Frau - oder – alle Frauen verlieben sich in denselben Mann. Wenn Sie jetzt noch daran denken, dass dies Ihr Partner wäre, dann ist Ihnen wahrscheinlich auch lieber, wenn jeder Mensch sich jemanden oder etwas zu lieben aussucht. Oder?

      Die Nummer 1 – Der Kleingartenverein

      Ganz am Anfang des Berges, auf Nummer 1, residierte früher der Kleingärtnerverband. Seine Adresse ist zwar noch immer Wahnsinnsstraße 1, aber es scheint dort niemand mehr zu wohnen.

      Dieser Verband war ursprünglich ein Sparverein, der die Gartenbesitzer in der Umgebung einte und dem im Laufe der Jahre die Mitglieder abhandenkamen. Die Erben der ursprünglichen Grundstücksbesitzer verkauften die Grundstücke und die neuen Besitzer waren an diesem Vereinsleben nicht mehr interessiert. Daher sieht man dort auch nur selten jemanden hineingehen, höchstens wenn das Wasser oder der Strom abgelesen wird. Dennoch ist diese Adresse für die Bewohner der Wahnsinnsstraße von grundlegender Bedeutung.

      Dieser Verein verfügt auf der Straße über eine Art von

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