Jakobs kleiner Koffer. Ute Janas

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Jakobs kleiner Koffer - Ute Janas

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      „Wie hast du denn eigentlich von Christina erfahren?”

      Johanna berichtet von dem Brief und dessen Inhalt. Einen Moment herrschte erneutes Schweigen. Dann sagte ihre Mutter, etwas hilflos klingend: „Ich hätte vielleicht doch anders auf ihren Brief reagieren sollen.“

      „Welchen Brief?“, wollte Johanna wissen.

      „Sie hat mir vor vielen Jahren einmal geschrieben und um ein Treffen gebeten, ich habe das allerdings abgelehnt“, erwiderte ihre Mutter.

      „Das finde ich ganz richtig“, mischte sich erstmals Philipp ein.

      „Schleimscheißer“, zischte ihm Johanna zu.

      „Aber Johanna“, regte sich Daisy auf. „Wie redest du denn mit Philipp?”

      Lotte schluchzte. Da klingelte das Telefon.

      Alfred nahm den Hörer ab und hörte die muntere Stimme seines jüngsten Sohnes am anderen Ende.

      „Hallo Daddy, ich habe hier so eine verwirrende Message von Hanni gefunden, was ist denn eigentlich bei euch los?“

      „Deine Mutter liegt auf dem Sofa und weint, Hanni beleidigt ihren Bruder und Daisy regt sich auf“, versetzte sein Vater trocken.

      „Ach, dann ist ja alles wie immer“, meinte Martin und fuhr dann - wie beiläufig - fort:

      „Und was gibt‘s sonst Neues?”

       Alfred vernahm hinter der lockeren Stimme seines Sohnes einen besorgten Unterton und sagte:

      „Wir haben deinen beiden Geschwistern soeben gebeichtet, dass Paula-Anna nicht eure richtige Großmutter ist, sondern nur die zweite Frau eures Großvaters. Lottes richtige Mutter ist eine andere Frau, eine gewisse Christina Brandwell, die offensichtlich kürzlich in England verstorben ist und Hanni etwas vererbt hat.“

      Martin pfiff durch die Zähne und fragte:

      „Wie haben denn Hanni und Philipp darauf reagiert?“

      „Hanni ist sauer und Philipp ist es offensichtlich gleichgültig. Was sagst du denn dazu, mein Sohn?“

      „Ja“, begann Martin langsam. „Die Sache hat natürlich zwei Seiten. Zum einen bin ich ausge­sprochen erleichtert, dass in meinen Adern kein Blut dieser grässlichen Paula-Anna kreisen kann. Zum anderen aber möchte ich mal vorsichtig formulieren, dass Eltern, die ihren Kindern so etwas über Jahrzehnte verschweigen, eigentlich auf ihre Zurechnungsfähigkeit untersucht werden müssten.“

      „Da hast du sicher nicht ganz unrecht, mein Sohn, aber die Geschichte ist viel komplizierter, als sie sich jetzt anhört.“

      „Ja wahrscheinlich. Sicher gibt es da irgendeinen degoutanten Hintergrund, vor dem man seine Kinder bewahren muss“, spottete Martin. „Ich habe aber jetzt keine Zeit mehr für die schlüpfrigen Einzelheiten, sag‘ Hanni, dass ich um acht zu Hause bin, dann soll sie mir alles er­zählen. Und grüß‘ alle schön.“

      Damit legte er auf, und Alfred kam wieder zu den anderen zurück.

      „Das war Martin“, sagte er.

      „Und, was hat er ge­sagt?” fragte Lotte ihn.

      „Ich soll euch alle grüßen“, erwiderte Alfred grinsend und fuhr, als ihm ein Sofakissen um die Ohren flog, fort: „Im übrigen ist er der Meinung, wir beide sollten uns auf unsere Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen.“

      „Unverschämtheit“, krähte Daisy. Dann fiel ihr offensichtlich noch etwas ein.

      „Wieso erbt denn eigentlich Johanna und nicht Philipp, er ist doch der älteste Sohn“, fragte sie.

      „In der Regel ob­liegt es den Erblassern, zu bestimmen, wem sie was hinterlassen wollen, liebe Martha“, erwiderte ihr Schwiegervater mit abweisender Miene. Daisy ging ihm hin und wieder ganz schön auf die Nerven, und er machte das damit deutlich, dass er sie dann bei ihrem richtigen, von ihr verabscheuten, Namen nannte. Daisy war jedoch so aufgeregt, dass sie dieses Warnzeichen überhörte und sagte eifrig:

      „Gegen ein solches Testament kann man bestimmt was machen, das kann man anfechten, oder nicht?”

      Ihr Mann legte beruhigend seine Hand auf die ihre.

      „Laß uns erst einmal abwarten, Baby, kommt Zeit, kommt Rat.“ Johanna schüttelte sich, sie fand es lächerlich, dass die beiden sich immer als „Baby“ bezeichneten, und machte sich gemeinsam mit Martin ständig über diese Marotte ihres ältesten Bruders lustig. „Mama“, fragte Johanna und setzt sich zu ihrer Mutter auf das Sofa.

      „Erinnerst du dich denn überhaupt nicht mehr an deine Mutter?”

      Lotte fuhr sich mit der Hand über die Augen. Dann sah sie Johanna an.

      „Doch, mein Kind, ich erinnere mich an Sommertage voller bunter Bilder und eine schöne, blonde, junge Frau, die mit mir im Heu herumtollt und lacht. Aber auch an die einsamen Nächte eines kleinen Mädchens, an Angst vor Bomben, an Verschüttung, Vertreibung und Flucht, an endlose Abende voller Einsamkeit und Sehnsucht und an das nie enden wollende Gefühl von Verlassenheit, nachdem meine Mutter weg war. Bis heute habe ich das nicht wirklich verloren, und deshalb konnte ich ihr nicht verzeihen, konnte mich nicht mit ihr treffen, als sie mir geschrieben hat. Ich habe sie zu sehr geliebt und zu tief gehasst, und dann wollte ich nur noch meine Ruhe, kannst du das verstehen?”

      Johanna nahm ihre Mutter in den Arm. Sie musste sich davor hüten, genauso unbarmherzig zu sein, wie sie es ihrer Mutter vorgeworfen hatte. Sie hatte kein Recht, ihr Vorwürfe zu machen, auch wenn sie im Augenblick traurig und verwirrt war.

      „Ich fahre dann mal wieder nach Hause, ich muss mich nach einem Flug erkundigen“, sagte Johanna und stand auf.

      „Du fährst da natürlich nicht hin“, sagte ihre Mutter scharf.

      „Natürlich fahre ich, wieso denn nicht“, fragte Johanna erstaunt zurück.

      „Dann nimmst du aber jemanden zur Begleitung mit“, forderte ihre Mutter. ”Ludwig oder Philipp .“

      Philipp machte ein ablehnendes Gesicht und Johanna erklärte sehr entschieden:

      „Diese Reise geht nur mich etwas an, mich hat Christina eingeladen und nicht dich, Ludwig oder Philipp, also fahre ich allein.“

      Lotte verlangte nach einem neuen Eisbeutel und Johanna verabschiedete sich von ihrer Familie. Sie ver­sprach, bald von sich hören zu lassen. Ihr Vater begleitete sie nach unten und legte den Arm um sie. Sie schmiegte sich aber nicht an ihn, wie sie es sonst immer tat. „Bei allem Verständnis für Mamas Lage“, sagte sie, „ich bin ziemlich enttäuscht von dir. Du hättest uns eine so wichtige Sache nicht verschweigen dürfen, das sieht dir auch gar nicht ähnlich.“ Alfred sah seine Tochter ernst an. Er strich ihr eine Locke aus der Stirn und sagte:

      „Das ist eine Frage der Loyalität, mein Kind. Meine Loyalität ist und war immer auf seiten deiner Mutter. Bei all deiner Enttäuschung, das musst du verstehen.“

      Er gab ihr einen Kuss und Johanna machte sich auf den Rückweg in die Stadt. Sie fühlte Vor­freude

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