Jakobs kleiner Koffer. Ute Janas

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Jakobs kleiner Koffer - Ute Janas

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      Damit verabschiedete er sich mit einem dezenten Nicken und verließ die Halle durch eine der hinteren Türen. Johanna lehnte sich erschöpft von den vielen Eindrücken in ihrem Sessel zurück und ließ den Blick schweifen. Diese Halle war sehr groß, mindestens zwölf Meter lang und acht Meter breit, vermittelte aber dennoch den Eindruck großer Behaglichkeit. Auf dem Eichenholzparkett lagen dicke Orientteppiche, in den Fensternischen waren gepolsterte Sitzbänke angebracht und an den Wänden befanden sich kleine Sitzgruppen. Sie atmete tief durch. Das war also das Zuhause ihrer Großmutter gewesen, sie hatte sich in England offensichtlich wirklich in ein gemachtes Nest gesetzt. Ihre Sympathie für Christina schwand ein wenig angesichts des Luxus, mit dem diese sich augenscheinlich umgeben hatte. Der Lerchenhof erschien im Vergleich mit diesem Anwesen wie ein ärmliches Reihenhaus, und Johanna breitete sich innerlich darauf vor, Christinas Handeln kritischer als geplant zu betrachten.

      George erschien wieder und brachte den Tee. Das war nun offensichtlich ein richtiger „Five o‘clock tea“, in der Silberkanne, feinstem chinesischem Geschirr, Sahne, Zitrone und einem mehrstöckigen Tablett mit Gebäck, kleinen Kuchen und Sandwiches.

      „Wer soll denn das alles essen, George?” fragte Johanna lachend und George antwortete würdevoll:

      „Man muss nicht alles essen, Miss Oldenburg, bitte verzeihen Sie.“

      „Ist schon gut, George“, sagte Johanna. „ich bin mit den Sitten hier überhaupt nicht vertraut und ausgesprochen dankbar für jeden Tipp von Ihnen.“

      „Ich weiß”, antwortete George. „Bei Miss Christina war das auch so, als sie nach Brandwell Manor kam. Ich war damals hier der Hausdiener”, fügte er erklärend hinzu.

      Johanna nahm etwas Tee und biß herzhaft in einen gefüllten Kuchen. Sie lehnte sich wieder zurück in ihren bequemen Sessel und schlüpfte aus ihren Schuhen. Die Füße, die sie zur Entspannung auf den Nachbarsessel gelegt hatte, zog sie schuldbewusst wieder zurück, als George nach einer offensichtlich genau bemessenen Zeit wieder an die Tür klopfte und ihr anbot, sie hinauf zu führen.

      Neugierig ging sie hinter ihm die Treppe hinauf.

      Die Galerie führte in einen langen Gang, von dem rechts und links Zimmertüren abgingen. An den Wänden hingen in einer Ahnengalerie würdige Damen und Herren, vermutlich die Brandwell´schen Vorfahren. George öffnete eine der Türen und ließ Johanna eintreten.

      „Dies waren die Räume Ihrer Großmutter, Sir Norman fand es passend, dass Sie hier einziehen und nicht in eines der Gästezimmer“, sagte er und folgte ihr in den Raum. Johanna schaute sich um und fühlte sich sogleich wohl in diesem Zimmer, das hell und freundlich wirkte. An der gegenüberliegenden Seite blickte man durch die Sprossenfenster einer breiten Glastür in den Park, daneben war rechts und links jeweils eine Fensternische, in der in halber Höhe eine Bank darauf wartete, dass man sich hinsetzte oder legte, ausgestattet mit Polstern in einem Blumenmuster und gleich gemusterten Kissen. An der rechten Wand stand ein großer Schreibtisch aus Rosenholz, einige Bücherregale zierten die Wände, in einer Ecke war ein Kamin mit einem wertvollen Aufsatz, auf dem einige Fotografien standen, und ein breiter Diwan auf der anderen Raumseite lud zu einer angenehmen Ruhepause ein. Insgesamt machte der Raum einen gemütlichen, im Vergleich zu der Empfangshalle aber ausgesprochen schlichten Eindruck. An den Wänden hingen fröhliche, impressionistisch wirkende Bilder, die dicken Wollteppiche waren ebenfalls hell und freundlich.

      „Hier ist Mrs. Christinas privates Arbeitszimmer, sie hat hier viel geschrieben“, sagte George. Dann führte er sie in einen angrenzenden Raum, der offensichtlich Christinas Schlafzimmer war und von einem großen Himmelbett beherrscht wurde. Auch hier gab es wieder diese Fensternischen, eine von ihnen barg eine Frisierkommode mit dreiteiligem Spiegel und in der anderen war eine Art Waschtisch installiert, jedenfalls fand sich dort eine große Pozellanschale und eine Kanne, so wie man sie von früher kannte, als Körperpflege noch einfacher als heute vor sich ging. Eine weitere Tür führte zu einem Badezimmer, das nur auf den ersten Blick altmodisch wirkte. Zwar waren der Waschtisch und die Wasserhähne von altertümlicher Form, und die hölzernen Handtuchhalter stammten sicherlich auch aus der Zeit, als Queen Victoria ein seltenes Bad zu nehmen beliebte. Hinter einer kaum erkennbaren Abtrennung, die George jetzt zur Seite schob, fanden sich allerdings eine luxuriöse Eckbadewanne neuesten Komforts, eine Eckdusche mit gläserner Abtrennung, Toilette und Bidet.

      „Miss Christina hat großen Wert auf Badekomfort gelegt”, erläuterte George beinahe stolz. „Die Badezimmer in den Räumen des Majors und denen von Mr. Norman sehen genauso aus. Judy wird Ihnen gleich ein Bad richten”, fügte er hinzu und führte sie weiter herum. Johanna fand diese Vorstellung zwar belustigend, wagte aber keinen Widerspruch, um George nicht zu kränken. Sie kamen in einen Ankleideraum, dessen Wände ringsherum mit Schiebetüren bedeckt waren, in der Ecke stand ein wunderschöner großer Spiegel im Jugendstilrahmen. George öffnete eine Schranktür und zeigte ihr, wo ihre Sachen untergebracht waren, alles war bereits perfekt eingeräumt - kein Wunder bei so viel Personal im Haus.

      Bevor er sie verließ, wollte er noch wissen, ob sie einen speziellen Wunsch für das Dinner hätte.

      „Vielleicht etwas Leichtes“, sagte Johanna kraftlos, und er nickte.

      „Sehr wohl, Miss“, stimmte er zu und verließ sie damit.

      Johanna wandelte durch die Zimmerflucht und hatte immer noch das Gefühl, sich in einem Spielfilm zu befinden.

      „In Brideshead war es doch so ähnlich”, dachte sie und trat erst einmal auf den Balkon. Vor ihren Augen breitete sich die Landschaft Cornwalls aus. Schwarzweiße Kühe weideten unter Gruppen von großen, weit ausladenden Bäumen. Sie erkannte Rotbuchen und Eichen, Kastanien, deren Blüte gerade abklang, Linden und Platanen. Breite, gepflegte Wege schlängelten sich durch die parkartige Landschaft, die immer wieder von Hecken durchzogen wurde und irgendwie hatte sie dauernd das Gefühl, dass gleich Jeremy Irons unten durch den Park laufen und zu ihr hochwinken müßte. Sie atmete tief durch und ihre Lungen sogen die würzige Luft ein, die schon ein bisschen nach Meer schmeckte.

      Johanna ging wieder hinein und schaute sich neugierig die Fotos auf dem Kaminaufsatz an. Da war zunächst eine ältere Aufnahme, die einen gutaussehenden Mann mittleren Alters mit markantem Gesicht in Militäruniform zeigte, wahrscheinlich Major Brandwell. Johanna erinnerte sich an Fotos von Opa Heimberg und musste anerkennen, dass Christina sich auch insoweit verbessert hatte. Es folgten eine jüngere Aufnahme von einem Paar, das Johanna nicht einzuordnen wusste. Er war ein attraktiver, dunkelhaariger Mann und sie eine wahre Schönheit mit langen blonden Haaren an seiner Seite. Das letzte Foto stand ganz hinten und neben dem Rahmen lag eine getrocknete rote Rose. Johanna nahm das Foto zögernd an sich und betrachtete es mit sehr gemischten Gefühlen. Es war ein Foto von ihr selbst, sie erinnerte sich, dass ihr Vater es vor vielen Jahren im Garten des Lerchenhofs gemacht hatte. Wie kam Christina an dieses Bild? Was passierte hier? Irgendwie war ihr plötzlich unbehaglich zumute und sie schaute sich weiter in dem Raum um. Ihr Auge blieb an einem lavendelfarbigen Brief hängen, der auf Christinas Schreibtisch lag. Der Umschlag trug mit schwungvoller Schrift eine Aufschrift, die nur aus einem Wort bestand: Johanna.

      Sie nahm den Brief in die Hand und bemerkte, dass er leicht nach Veilchen duftete. Sie wog ihn nachdenklich in ihrer Hand und zögerte ein wenig. Dieser Moment schien ihr auf wundersame Weise bedeutsam und sie hatte das Gefühl, an einem Scheideweg zu stehen. Wenn sie den Brief öffnete, gab es kein Zurück mehr, dann hatte sie sich endgültig auf Christina eingelassen. Wollte sie das wirklich?

      „Warum bist du eigentlich hier, wenn du jetzt zögerst?”, schalt sie sich selbst und griff zu dem bereitliegenden Brieföffner. Sie setzte sich auf Christinas Diwan und schlitzte den Brief auf.

      „Liebe Johanna, Weihnachten 1989

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