Jakobs kleiner Koffer. Ute Janas

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Jakobs kleiner Koffer - Ute Janas

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Brief. Für diesen Augenblick habe ich die letzten Jahre gelebt. Ich begrüße dich auf Brandwell Manor, meiner zweiten Heimat, nachdem ich meine erste verloren habe.

       Doch dazu später. Ich bin Christina, deine Großmutter, das weißt du inzwischen. Vieles weißt du aber noch nicht, und ich will dich nach und nach an meine Geschichte heranführen. Ich will dir diese Annäherung langsam ermöglichen, denn ich bin dir fremd, und vielleicht stehst du mir sogar feindlich gegenüber. Du weißt nur das, was deine Eltern dir über mich erzählt haben und das ist nicht positiv. Eine Frau, die Mann und Kind verlassen hat, um zu ihrem Geliebten nach England zu gehen, scheußlich, nicht wahr?

       Wenn du dich auf mich einläßt, wirst du die Wahrheit erfahren, eine Wahrheit, die ein wenig anders aussieht. Ich weiß vieles über dich und das, was ich erfahren habe, läßt mich glauben, in dir eine Schwester gefunden zu haben. Ich habe dich ausgewählt, weil ich glaube, dass du mir ähnlich bist, und weil ich dich liebe, wie die Tochter, die ich verloren habe. Vielleicht wirst du dich hier in Brandwell Manor verändern. Habe keine Angst davor, du kannst mir vertrauen, denn ich liebe dich. Christina

      Kapitel 5

      Johanna wurde durch ein leises Klopfen geweckt. Sie schreckte hoch und wusste sekundenlang nicht, wo sie sich befand. Dann sah sie den lavendelfarbenen Brief in ihrer Hand und stellte fest, dass sie auf dem Diwan eingeschlafen war. Sie erinnerte sich, dass sie nach der Lektüre des Briefes lange nachgedacht hatte. Über das, was Christina ihr geschrieben hatte und darüber, welche Gefühle die Worte in ihr ausgelösten. Dabei war sie offensichtlich eingenickt.

      Judy kam leise in ihr Zimmer, um ihr mitzuteilen, dass ein Bad bereitet sei. Johanna bedankte sich und verneinte sehr nachdrücklich die Frage, ob sie Hilfe brauche. Ein Hausmädchen, das ihr den Rücken schrubbte, kam ihr nun wirklich ein bisschen zu anachronistisch vor. Judy führte sie ins Bad und ließ sie dann allein. Johanna zögerte nun nicht mehr, zu einladend duftete das Bad nach Kräutern und Blumen. Sie zog sich aus und ließ sich wohlig in das wohltemperierte Wasser gleiten. Ihre Gedanken wanderten wieder zu Christinas Brief. Die Worte hatten sie gefangen und in ihr eine angenehme Vertrautheit erweckt. Was mochte sich hinter all dem verbergen, was bedeuteten die Worte “wenn du dich auf mich einläßt, wirst du die Wahrheit erfahren”. Welche Wahrheit, Christinas Rechtfertigungen oder ganz neue Dinge? Der Brief hatte vor allem ihre Neugier geweckt und es war keine Frage, dass sie bereit war, sich auf Christina einzulassen. Immer noch quälte sie allerdings die Frage, woher Christina so viel über sie wusste und woher sie das Foto hatte. Sie döste vor sich hin, und als die Wanduhr im Schlafzimmer acht Mal schlug, schreckte sie auf. Sie sprang aus der Wanne und hüllte sich in den Bademantel, den Judy schon für sie bereit gelegt hatte. Dann ging sie in das Ankleidezimmer und schlüpfte in ihren langen Rock und eine farblich passende Bluse. Sie schminkte sich ein wenig und sah dann in den Spiegel. Irgendwas fehlte, Schmuck vielleicht, in diesem feierlichen Rahmen wollte auch sie festlich aussehen. Johanna schaute sich suchend um, ihre Großmutter musste doch bestimmt irgendwo eine schöne Kette haben. Auf der Kommode im Schlafzimmer entdeckte sie eine große Schmuckkassette, öffnete sie und warf sie gleich wieder zu. Der Anblick der funkelnden Steine blendete und erschreckte sie zugleich. Vorsichtig öffnete sie die Kassette wieder und wühlte ein bisschen darin herum. Schließlich fand sie eine wunderschöne Rubinkette mit passenden Ohrclips dazu und legte sie an, begleitet von einem kurzen Moment schlechten Gewissens. Ein letzter Blick in den Spiegel überzeugte sie dann aber sehr schnell, sie fand sich selbst wunderschön.

      Pünktlich um halb neun klopfte es an der Tür und George bat zum Dinner. Johanna entging nicht, dass auch er sie mit einem sehr zufriedenen Blick musterte, offenbar hatte sie für das heutige Dinner das richtige Outfit gewählt. Er ging vor ihr die Treppe hinunter und bat sie, ihm zu folgen.

      Am Fuß der Treppe blieb Johanna stehen, weil sie am Kamin einen Mann im Smoking erblickt hatte. Er saß in dem Sessel, in dem sie vor Stunden ihren Tee eingenommen hatte und schaute in die lodernden Flammen, ein halb gefülltes Glas in der Hand. Johanna blieb einen kleinen Moment stehen und betrachtete die Szene, die auf eine rätselhafte Weise traurig - oder besser- melancholisch wirkte. George räusperte sich und sagte dann sehr förmlich:

      „Sir Norman, ich melde Ihnen Miss Joan Oldenburg. Miss Oldenburg, dies ist Sir Norman Brandwell, Viscount Sommershell.“ Der Angesprochene erhob sich höflich aus dem Sessel. Das also war der Erbe von Brandwell Manor, der Neffe des alten Majors. Johanna schaute ihn neugierig an und erkannte den Mann von dem Foto in Christinas Zimmer, der dort mit der blonden Frau abgelichtet war. In Wirklichkeit schien er noch attraktiver als auf dem Bild, groß, schlank und mit grauen Augen in einem markanten, gebräunten Gesicht. Er musterte sie nachdenklich und begrüßte sie dann mit - wie sie fand - sehr zurückhaltender Höflichkeit und, ohne ihr die Hand zu geben, in fast akzentfreiem Deutsch:

      „Herzlich willkommen auf Brandwell Manor, Miss Oldenburg, darf ich Ihnen ebenfalls einen trockenen Sherry reichen?“

      Johanna, die in der Lage war, ebenso kühl zu wirken, reagierte mit einem knappen Nicken und den Worten: „Danke, Sir Norman, ich weiß Ihre Höflichkeit und Ihre Herzlichkeit zu schätzen.”

      Normann schaute sie verblüfft an. Dann lächelte er.

      „Sie sind sehr offen, Miss Oldenburg, wie Ihre Großmutter, die nahm auch nie ein Blatt vor den Mund. Sie sehen ihr übrigens überaus ähnlich, ich nehme an, das hat man Ihnen schon öfter gesagt, oder?”

      Johanna schaute ihn skeptisch an.

      „Woher soll ich wissen, wie meine Großmutter ausgesehen hat, ich habe gestern zum ersten Mal von ihrer Existenz gehört. Bislang hat man mir Christina Brandwell verschwiegen.”

      „Tatsächlich?”, fragte Norman mit einem Unterton in der Stimme, den zu ignorieren Johanna entschlossen war.

      Sie schaute einige Minuten schweigend und etwas unbehaglich in die Flammen, bis Norman wieder das Wort ergriff:

      „George wird uns gleich in den Dining-Room bitten, doch vorher sollten Sie einmal das Gemälde betrachten, das über dem ersten Treppenabsatz hier auf der linken Seite hängt. Ich bin sicher, Sie haben es noch nicht gesehen”, sagte er und Johanna drehte sich um. Zögernd und inzwischen etwas misstrauisch folgte sie ihm auf die andere Seite des Raumes. Beim Anblick des großen Ölbildes mit dem Porträt einer jungen Frau hielt sie inne. Fasziniert und wortlos schaute sie es an und fühlte sich einen Moment lang, als sähe sie in den Spiegel einer längst vergangenen Zeit und erblickte niemanden anderen als sich selbst. Johanna Oldenburg, eine junge, blonde Frau in einem langen, weißen Kleid mit einem Bukett wilder Rosen im Arm, zu ihren Füßen ein kleiner Hund, der an einem Zweig knabberte. Wie in Trance ging sie auf das Porträt zu, stellte unkonzentriert ihr Glas ab und merkte nicht, wie es umfiel und der Sherry auf den Teppich tropfte. Sie lehnte sich vor dem Bild an das Treppengeländer, die Augen unverwandt auf das Gesicht der Frau gerichtet. Tausend Gedanken gingen ihr gleichzeitig durch den Kopf und machten sie schwindelig.

      „Christina“, murmelte sie schließlich, „warum siehst du so melancholisch aus.” Dann drehte sie sich um und schaute Norman an, der ihr gefolgt war und das tropfende Sherryglas in der Hand hielt. „Ich hatte mir vorgestellt, sie wäre in England glücklich geworden, sonst hatte das doch alles gar keinen Sinn, oder?”

      Norman, der sie die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte, erwiderte: „Sie wissen möglicherweise nicht viel von dem Leben Ihrer Großmutter, Miss Oldenburg, aber ich bin sicher, das wird sich hier ändern. Vieles ist anders, als es scheint und manches, das so offensichtlich aussieht, entpuppt sich plötzlich als ganz neue Geschichte.”

      Sie wurden durch das Räuspern von George unterbrochen, der sie zum Dinner bat. Norman fasste Johanna leicht am Ellenbogen und sie folgten George

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