Jakobs kleiner Koffer. Ute Janas

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Jakobs kleiner Koffer - Ute Janas

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sie sehr entschieden. „Ehrlich gesagt, wäre es mir auch gar nicht recht. Ich hätte überhaupt kein gutes Gefühl, wenn du deinen bitter benötigten Urlaub absagst, nur weil du denkst, ich brauchte Hilfe beim Antritt einer Erbschaft.”

      „Johanna“, sagte er mahnend. „Bitte keine Empfindlichkeiten. Mit meinem Angebot war keinerlei Abqualifizierung deiner Person oder deiner Fähigkeiten als Anwältin verbunden, ich war einfach nur nett zu dir.”

      „Entschuldige Schatz, ich bin vermutlich ein bisschen überreizt“, antwortete sie, und fügte – nicht ganz aufrichtig – hinzu: „Es tut mir wahnsinnig leid um unseren Urlaub, wir waren schon so lange nicht mehr in Ruhe zusammen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich vielleicht in Guernsey zusteigen könnte, bis dahin habe ich sicher alles erledigt.“

      „Ja das wäre vielleicht eine Möglichkeit, Johanna ich kann mal vorsichtshalber deine Segelsachen mitnehmen. Am besten bringst du alles in die Kanzlei, dann brauche ich nicht bei dir zu Hause vorbei zu fahren, und du sparst dir den Weg zu Vater. Ja, das wäre wirklich eine gute Idee. Du solltest mich aber auf dem Laufenden halten - wenn es dir nichts ausmacht”, schloss er mit einem - wie sie bemerkte - ironischen Unterton.

      „Machmal bist du wirklich scheußlich”, schimpfte Johanna, als Ludwig sich leise lachend verabschiedete und ihr viel Glück wünschte.

      Als letztes stand das Gespräch mit Martin an. Sie traf ihn zu Hause und klärte ihn über alle Einzelheiten auf. Ihren kleinen Bruder hätte sie gerne bei sich gehabt auf ihrer Reise in die Familienvergangenheit. Martin fand die ganze Sache genauso spannend wie sie und im Gegensatz zu Philip neidete er ihr auch nicht ein eventuelles Erbe. Er hatte allerdings diffuse Befürchtungen, das Gefühl einer unbekannten und möglicherweise bedrohlichen Entwicklung, die sich noch nicht in Worte kleiden ließ.

      „Mir wäre wohler, wenn ich dich begleiten könnte, aber ich kann im Moment nicht weg. In ein paar Tagen könnte ich vielleicht nachkommen, wenn du mich brauchst. Ruf mich einfach jeden Tag an und dann sehen wir ja, was da abgeht. Wenn du schon hinfährst, dann lass dich auch richtig auf die Geschichte ein”, setzte er nachdenklich hinzu, „aber sei vorsichtig. Es ist merkwürdig, dass Christina einem von uns etwas vererbt hat. Ob es wohl ihr schlechtes Gewissen war?”

      „Ich habe keine Ahnung, aber ein wenig unheimlich ist mir die ganze Sache auch. Ach, mir wird schon nichts passieren, wir leben ja hier in zivilisierten Breitengraden, nicht wahr?“

      Kapitel 4

      Aufatmend ließ sich Johanna in ihren Sitz sinken und nahm dankend das Glas Orangensaft, das ein freundlicher Steward ihr reichte. Als das Flugzeug abhob, lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Wie ein Traum kamen ihr die letzten 24 Stunden vor, seit sie jenen schicksalhaften Brief geöffnet hatte. Alles war aus den Fugen, die Rahmenbedingungen ihres Lebens hatten sich geändert, und sie wusste noch nicht, ob sie darüber froh oder traurig sein sollte. Deutlich spürte sie das Unbehagen, das der plötzliche Verlust ihrer Sicherheit mit sich brachte, gepaart mit einer verhaltenen Vorfreude und Spannung. Dies war eine Situation, wie sie noch keine erlebt hatte und sie fühlte sich wie auf einem Hochseil.

      Martin hatte sie zum Flughafen gebracht und die ganze Situation noch einmal mit ihr durchgesprochen. Er war emotional ebenso berührt wie Johanna, und das tat ihr gut.

      Johanna hatte sich - so gut das in der Kürze der Zeit überhaupt möglich war - vorbereitet. Sie hatte sich über die Anwälte erkundigt und erfahren, dass die Firma St. Kendall eine der renommiertesten Anwaltskanzleien in Südengland war. Sie hatte sich Unterlagen über das englische und das internationale Erbrecht herausgesucht, war über die Verkehrsmittel in Cornwall und Devon informiert und mit Kreditkarten ausgestattet - eigentlich konnte nichts schiefgehen. Auch ein Handy hatte sie dabei - ein Abschiedsgeschenk ihres kleinen Bruders, der sie jederzeit erreichen wollte.

      Johanna schaute aus dem Fenster und sah durch einen zerrissenen Wolkenvorhang unter sich die englische Küste. Ihre Gedanken wanderten unwillkürlich zu jener geheimnisvollen Großmutter, die vor 55 Jahren ihren Mann und ihre kleine Tochter verlassen hatte, um über den Kanal zu ihrem Geliebten zu gehen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie verzweifelt oder wie wagemutig eine Frau im Jahr 1935 gewesen sein musste, um einen solchen Schritt zu tun. Bei den damaligen Moralvorstellungen musste sie einkalkulieren, gesellschaftlich geächtet zu werden. Wer war ihre Großmutter überhaupt? Wie alt war sie, als sie diese - wahrscheinlich recht mühsame - Reise machte? Wo hatte Christina wohl ihren Geliebten kennengelernt? War er vielleicht ein Hotelgast gewesen, in den sie sich spontan verliebt hatte? Wieso hatte sie den Mut zu einem solchen Schritt gefunden?

      Johanna fiel plötzlich auf, dass sie gar nichts über Christina wusste. Sie hatte nicht einmal eine Ahnung, woher sie gekommen war, als sie ihren Opa geheiratet hatte. Vielleicht war sie Zimmermädchen im Hotel gewesen oder selber zu Gast, mit ihren Eltern vielleicht - ihre Mutter hätte ihr sicherlich mehr erzählen können, wenn nicht eine seltsame Scheu Johanna davon abgehalten hätte, sie nach Christina zu fragen. Sie hatte das Gefühl, ihrer Großmutter vorbehaltlos begegnen zu müssen, frei von den emotionalen Zwängen ihrer Mutter.

      Das Flugzeug ging in den Landeanflug über und Johanna schnallte sich an. Sie landeten bei strahlendem Sonnenschein auf dem International Airport von Plymouth, und Johanna betrachtete das gute Wetter als positives Omen. Sie verließ mit den anderen Passagieren das Flugzeug und ging die wenigen Schritte bis zur Ankunftshalle zu Fuß.

      Nachdem sie ihr Gepäck in Empfang genommen hatte, schaute sie sich suchend um. Es waren nur wenige Menschen dort zur Begrüßung der Ankommenden versammelt, und so fiel es ihr nicht schwer, den grauhaarigen Mann in einer Livree zu entdecken, der ein großes Schild mit ihrem Namen hochhielt. Sie holte tief Luft und ging auf ihn zu. Doch bevor sie sich vorstellen konnte, sagte er mit einem Lächeln:

      „Sie sind Christinas Enkelin, herzlich willkommen in England Miss Oldenburg. Ich bin Peter Milhoney, der Chauffeur, bitte nennen Sie mich Peter.“

      „Guten Tag Peter“, erwiderte Johanna herzlich. „Ich bin - ja, ich denke, ich bin Joan“, ganz sicher war sie sich nicht, ob Joan die richtige Übersetzung ihres Vornamens war, aber Peter war es offensichtlich zufrieden. Er nahm ihren Koffer und ging ihr voraus zum Parkplatz. Dort steuerte er auf einen großen, silber­grauen Wagen zu.

      „Das ist ja ein Bentley“, rief Johanna überrascht. Den Platz auf dem Rücksitz, den Peter ihr anbot, lehnte sie ab und setzte sich neben ihn. Peter nahm das lächelnd zur Kenntnis, sagte aber nichts.

      Er steuerte den Wagen geschickt durch den dichten Verkehr und bald verließen sie die Innenstadt und wandten sich nach Westen. Peter bog von der Bundesstraße 38 in eine kleine Nebenstraße ein. Die Landschaft veränderte sich. Weitgezogene Hügel mit satten Wiesen wechselten ab mit Baumgruppen, durch die sich ein kleiner Fluss schlängelte. Rechts und links säumten dichte Hecken voller Blumen und Ranken die Straße. Johanna sah Mohnblumen, Heckenrosen und andere Wildblumen und als sie die Seitenscheibe öffnete, bemerkte sie den würzigen Duft, der über dem Land lag. Die Landschaft war so lieblich, heiter und beschwingt, dass Johanna ganz fröhlich wurde. Sie hatte das Gefühl, durch einen wunderschönen Park zu fahren und konnte sich nicht satt sehen. Hin und wieder passierten sie gepflegte kleine Ortschaften mit verwinkelten Straßen und Fachwerkhäusern, die unter der Last ihres Blumenschmucks fast zusammenzubrechen schienen, und Johanna hatte das Gefühl, sie wäre in der Landschaftskulisse zu einem Heimatfilm gelandet. Wie hingewürfelt lagen immer wieder vereinzelte Häuser mitten in den grünen Wiesen, oder es führten breite Kieswege rechts oder links zu verschlossenen Toren und ließen erahnen, dass sich hinter ihnen ein etwas größeres Anwesen verbergen musste.

      „Hier ist es so friedlich und so wunderbar ruhig“, sagte sie zu Peter

      „Ja,

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